Protocol of the Session on June 2, 2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Finanzbedarf des Landes mit dem Finanzbedarf der Kommunen neu auszubalancieren wird weit über diese Sonderzuweisung, über die wir heute reden, hinaus unsere Aufgabe sein.

Lassen Sie mich abschließend darauf verweisen, dass der Koalitionsvertrag neben den Soforthilfen für Kommunen weitere wichtige Ziele enthält, die gleichberechtigt gelten: die Schuldenbremse einhalten, die Obergrenze für das strukturelle Defizit einhalten, ausgeglichene Haushalte sicherstellen und dabei, wenn es geht, noch so viel wie möglich investieren, zum Beispiel in Infrastruktur, in die Hochschulen und in den Umweltschutz.

(Marco Tullner, CDU: Prima!)

Damit ist klar: Schaffen wir neue Rechtsverpflichtungen, müssen sie im Haushalt erwirtschaftet werden.

(Marco Tullner, CDU: Lehrer einstellen!)

Darin sind sich die Koalitionäre einig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe einmal gesagt, Worte zahlen keine Schulden. Dieses Shakespeare-Zitat kommt aus meiner Haushaltsrede aus dem Jahr 2014. Damals war ich noch Fraktionsvorsitzender. Ich denke aber, auch heute als Finanzminister sagen zu können, dass dieses Zitat nichts an Wahrheit eingebüßt hat. In diesem Sinne möchte ich Sie, möchte uns als Koalition darum bitten, achten wir auf das richtige Schrittmaß, und zwar sowohl für das Land als auch für die Kommunen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Minister Schröder. - Es ist eine Zehnminutendebatte verabredet worden. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Fraktionsvorsitzende Herr Knöchel. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen, meine Herren! Die Koalitionsfraktionen beantragen heute die einmalige Erhöhung der Finanzausgleichsmasse um 44 Millionen € und die Verteilung innerhalb einer Sonderzuweisung im Verhältnis der Schlüsselzuweisung auf die kommunalen Gruppen. Ausgezahlt werden soll das Ganze am 10. Oktober.

Das ist in dem Finanzausgleichsgesetz dieses Jahres schon die zweite Sonderzuweisung, die Sie im Verhältnis zu den Schlüsselzuweisungen verteilen.

(Zuruf von Rüdiger Erben, SPD)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wird es noch eine dritte Sonderzuweisung geben, die Sie im Verhältnis für Schlüsselzuweisungen verteilen wollen.

(Zuruf von Rüdiger Erben, SPD)

Nun würde ich meine Äußerungen der letzten Jahre Lügen strafen, wenn ich sage, unsere Fraktion sagt dazu: Nein. Nein, wir sagen dazu nicht Nein. Trotz alledem möchte ich ein paar Dinge ansprechen. Der Finanzminister hat es ähnlich getan.

Gestern wurde die kommunale Kassenstatistik veröffentlicht. Sie ist Ihnen zugegangen und Sie

haben gesehen, dass es über alle kommunalen Gruppen das vierte Mal in Folge mehr Einnahmen als Ausgaben im kommunalen Bereich gab - über alle Gruppen. Im Durchschnitt war der Dorfteich einen halben Meter tief und trotzdem ist die Kuh ersoffen. Deshalb wird es Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, mehr Geld in die Kommunen zu geben, sondern die Frage stellen, wo wir das Geld brauchen.

Es ist Zeit für Binnendifferenzierung. Der derzeitige kommunale Finanzausgleich ist strukturblind, seine Hauptangaben sind Steuerkraft und Einwohner. Ich habe sehr wohl Ihren Koalitionsvertrag gelesen. Ihm entnehme ich, dass Sie aus diesem Grundsatz der Verteilung zunächst nichts ändern wollen und eine Evaluierung auf das Ende der Legislaturperiode schieben, was ich für falsch halte; denn es ist offensichtlich, dass Kommune in Sachsen-Anhalt nicht Kommune ist, Stadt ist nicht Stadt, Region ist nicht Region.

Wir haben sehr unterschiedliche Regionen mit sehr unterschiedlichen Problemen. Wenn wir diese alle über die Einwohner scheren, kommen wir möglicherweise zu keinem zutreffenden Ergebnis.

Der Herr Finanzminister sprach an, dass er die Finanzstrukturkommission wieder ins Leben rufen möchte. Ich möchte daran erinnern, dass unsere Fraktion seit mehreren Jahren vorschlägt, nicht nur diese Form der Strukturkommission, sondern eine Gemeindefinanzkommission unter Einbeziehung kommunaler Spitzenverbände, der kommunalen Gruppen, der entsprechenden Ministerien und Landesämter zu berufen und dort über kommunale Bedarfe, kommunale Unterschiede und Verteilmechanismen zu sprechen, damit wir am Ende zu einem einvernehmlichen Gesetz kommen können, das die Probleme unserer Kommunen aufnimmt.

Wie gesagt, die Verteilungsgießkanne „Einwohner“ wird dem nicht gerecht und ist auch nicht der Verfassungsauftrag des kommunalen Finanzausgleichs.

Ich möchte dafür noch einmal werben. Wir werden das in der Debatte zu dem Gesetzentwurf mit einbringen, der sicher in den Ausschüssen beraten wird. Wir werden noch in diesem Jahr über das Finanzausgleichsgesetz für die kommenden Jahre sprechen, wobei wir auch darüber diskutieren müssen, wie wir zu dem Bedarf kommen.

44 Millionen € wollen Sie jetzt über die Schlüsselzuweisung, 21 Millionen € wollten Sie heute über das KiFöG verteilen. Sie, Herr Finanzminister, sagen, wir machen das über nicht getätigte Ausgaben. Das halten wir für falsch. Ich denke, wir

müssen den Landeshaushalt in seiner Gesamtheit betrachten. Wir haben für den kommunalen Bereich Zuweisungen von 3 Milliarden €. Die stehen darin.

(Minister André Schröder: Ja!)

Schauen Sie in den Vorbericht. Damit liegen wir sogar ganz gut im Schnitt der fünf neuen Bundesländer. Das Problem ist hierbei wiederum die Binnendifferenzierung und die Strukturblindheit der Verteilung. Die Verteilmechanismen dieser 3 Milliarden € führen nicht zu dem Ergebnis, zu einer ausgewogenen Finanzverteilung zu kommen.

Aus diesem Grunde halte ich es für sinnvoll, dass wir, wenn wir über den kommunalen Finanzausgleich reden, das komplette Paket betrachten und dass wir - ich habe es heute Morgen am Beispiel der Hochschulfinanzierung und der nicht abgerufenen Wirtschaftsförderungsmittel gemacht - uns den Haushalt in seiner Gesamtstruktur anschauen und nicht darauf warten, was wird nicht oder was wird vielleicht nicht ausgegeben - das Prinzip Hoffnung.

Dazu wäre das geeignete Mittel, um das Parlament einzubeziehen, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Dann wäre es uns gelungen, über diese Strukturen noch einmal zu sprechen. Das tun Sie leider nicht. Das bedauern wir.

Wie gesagt, wir werden dieses Gesetz sicher nicht ablehnen, weil es am Ende bedeutet: mehr Geld für die Kommunen. Aber ohne eine wirkliche differenzierte Betrachtung kommunaler Finanzbedarfe, fürchte ich, werden wir im nächsten Jahr, wenn die kommunale Kassenstatistik veröffentlicht wird, noch einen höheren Überschuss über alle Kommunen sehen, ohne dass wir die Probleme der Kommunen, die wirkliche finanzielle Probleme haben, gelöst haben. Deswegen brauchen wir eine differenzierte Sicht.

Lassen Sie uns bitte darüber gemeinsam reden, wie wir dabei vorgehen können, was uns dazu einfällt, und lassen Sie uns nicht nur ein einzelnes Gesetz, sondern den gesamten Haushalt betrachten. Denn es geht letztlich darum, den Kommunen - gestern haben Sie sich alle zur kommunalen Selbstverwaltung bekannt - das zu ermöglichen. Dazu brauchen Sie die notwendigen Mittel. Das FAG ist nur ein Teil dieses kommunalen Gesamtfinanzpaketes. - Vielen Dank, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Knöchel. - Für die SPDFraktion spricht Frau Abg. Schindler. Sehr geehrte Frau Schindler, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, das Finanzausgleichsgesetz und die Vorlage hier im Parlament ist auch ein Teil des Sofortprogramms, was sich diese neue Landesregierung vorgenommen hat.

Wir haben im Jahr 2010 eine Veränderung des Finanzausgleichsgesetzes vorgenommen, nämlich hin zur Einführung eines aufgabenbezogenen kommunalen Finanzausgleichs. Aufgabenbezogen war etwas anderes, etwas Neues, weg von der sogenannten Verbundquote, die wir vorher hatten, sodass wir die Abhängigkeit von den Steuerschwankungen etwas verändern können.

In einer Konferenz der finanzpolitischen Sprecher und der kommunalpolitischen Sprecher der SPD im letzten Herbst wurde ich gefragt, welche Erfahrungen wir damit gemacht haben und ob denn das alles so gut sei, auch im Vergleich zu dem vorherigen System.

Insgesamt - auch das hat die kommunale Familie oft gesagt - ist der Blick auf den aufgabenbezogenen Finanzausgleich besser, nur die Probleme haben sich verlagert. Wir diskutieren nicht mehr, ob die Verbundquote reicht, sondern wir diskutieren jetzt, ob der berechnete Bedarf richtig berechnet ist und ob er reicht.

Die Krux liegt in der Bedarfsermittlung, und es war auch immer in der Diskussion mit den Kommunen, ob diese Bedarfsermittlung richtig ist. Nun gehen wir damit auch den ersten Schritt in der Hinsicht, dass wir uns dies noch einmal anschauen und korrigieren.

(Andreas Schumann, SPD: Genau!)

Im letzten Jahr - darauf sind meine Vorredner ebenfalls bereits eingegangen - war die kommunale Finanzausstattung sehr unterschiedlich. Wir haben Kommunen, die überdurchschnittlich viele Steuereinnahmen haben - der Minister nannte das Beispiel Lützen -, und wir haben natürlich auch Kommunen, die nie dahin kommen werden, dass sie genügend Steuereinnahmen haben, um zu einem Haushaltsausgleich zu kommen.

Die Abfrage des Städte- und Gemeindebundes zur Kassenstatistik 2015 zeigte wieder, dass im Durchschnitt 62 % unserer Städte und Gemeinden entweder keinen ausgeglichenen, keinen verabschiedeten oder auch keinen genehmigungsfähigen Haushalt hatten. Das ist eine Zahl, die uns zu denken gibt, und deshalb ist es richtig und gut, dass wir uns als Koalitionsfraktionen vorgenommen haben, den Finanzausgleich zu verändern.

Den ersten Schritt gehen wir mit der heutigen Gesetzesvorlage, natürlich wieder - das war ein einfacher Schritt - mit einer Zuweisung im Verhältnis

der Schlüsselzuweisungen, und ich sage an dieser Stelle auch: Die Schlüsselzuweisungen sind es, womit die Kommunen am ehesten vor Ort arbeiten können, bei denen sie selbst entscheiden und Defizite ausgleichen können. Nicht die Bedarfs- oder Ergänzungszuweisungen, sondern ich verteidige den Schritt in die Schlüsselzuweisungen.

Wir sind mit dieser Sonderzuweisung von 44 Millionen € zwei Schwerpunkte angegangen: einmal die Frage der Bedarfsermittlung, die ich vorhin schon nannte. Streitig war immer die Frage der Tilgungsanteile, ob diese mitgetragen werden und als Bedarf angerechnet werden. Über Benchmarks haben wir uns in der Diskussion immer gestritten.

Einen Punkt möchte ich ebenfalls noch nennen: die Weiterleitung der kommunalen Entlastungen von 31 Millionen € an die Kommunen, die durch die Bundesregierung beschlossen worden ist. Das war auch meinerseits immer ein Wunsch, denn es wird immer gesagt, dass das Land von den Finanzierungen abhängig ist. Wir haben uns lange darüber gestritten, ob das richtig ist oder nicht. Ich hoffe, dass auch die nächsten Entlastungen, die von der Bundesseite geplant sind - Sie wissen, dass für 2018 bundesweit eine weitere Entlastung in Höhe von 5 Milliarden € geplant ist -, an die Kommunen weitergegeben werden, unabhängig davon, ob wir einen Festbetrag festlegen oder nicht. Dort müssen wir uns so weit ehrlich machen.

Bei der Festschreibung des Betrages für die nächsten fünf Jahre müssen wir genau hinschauen, dass dies nicht wieder infrage gestellt wird; denn eine langfristige stabile Finanzierung ist vor allem den Kommunen wichtig. Deshalb haben sie diese Maßgabe im Koalitionsvertrag begrüßt, auch wenn dies ein Abweichen von unserem Prinzip der aufgabenbezogenen Bedarfsermittlung ist.

Wir sind bereits darauf eingegangen, dass es in einem ersten Schritt 44 Millionen € sind und dass im Koalitionsvertrag die 80 Millionen € stehen. An dieser Stelle mein Appell, auch seitens der SPDFraktion, dass nach Abschluss der Beratungen zu diesem Gesetzentwurf auch wirklich die 80 Millionen € drinstehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn wie wir heute in der Beratung des KiFöG gehört haben, haben wir zum Beispiel bei den Landkreisen die Besonderheit, dass sie nach der Systematik noch einmal 53 % der Pauschale drauflegen müssen. Wir haben gehört, es macht 5,8 Millionen € Neubelastung der Landkreise aus dem KiFöG aus. Über die jetzige Vorlage bekommen die Landkreise aber 10,5 Millionen €. Das

heißt also, so viel Spielraum für die Landkreise besteht nicht mehr. Deshalb die Bitte, dass wir bei den 80 Millionen € bleiben und dies auf eine wirkliche Entlastung der Landkreise hinwirkt.

Viele Punkte, die Herr Knöchel angesprochen hat, werden wir in einer weiteren Novelle des Finanzausgleichsgesetzes betrachten und beraten. Ich bitte darum, dass wir die jetzige Beratung zu diesem Gesetzentwurf damit nicht überfrachten, weil wir eine schnelle Entscheidung zu diesem FAG haben möchten, das noch in diesem Jahr kassenwirksam wird, damit das Geld bei den Kommunen ankommt. Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Überweisung an den Finanzausschuss zur federführenden Beratung und zur Mitberatung an den Innenausschuss und wünsche uns dort gute Beratungen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)