Protocol of the Session on June 2, 2016

Einbringer des Gesetzentwurfs ist der Vorsitzende der Fraktion der CDU Abg. Herr Borgwardt. Herr Borgwardt, Sie haben das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommunen, Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Landkreise erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben für die Bürger in Sachsen

Anhalt. Damit sie die an sie gestellten Anforderungen auch bewältigen können, gewährt das Land Finanzzuweisungen über den kommunalen Finanzausgleich.

Gemäß Artikel 88 der Verfassung unseres Landes Sachsen-Anhalt hat das Land dafür Sorge zu tragen, die Kommunen mit den für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmitteln auszustatten. Die erste Koalition aus CDU, SPD und GRÜNEN in Deutschland hat sich viel vorgenommen, meine Damen und Herren.

Zu den wesentlichen Schwerpunkten unserer neuen einzigartigen Konstellation gehört die Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen. Daher bringen wir heute den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes als einen ersten Schritt zur Stärkung unserer Kommunen auf den Weg.

Wir erreichen jetzt eine zusätzliche Zuweisung an die Kommunen in Höhe von 44 Millionen €. Dafür schaffen wir die sogenannten Benchmarks, also die Ländervergleiche ab. Außerdem stocken wir die für Tilgung vorgesehenen Beiträge bei der Bedarfsrechnung auf. Dadurch werden die kommunalen Konsolidierungsbemühungen besser gewürdigt werden, meine Damen und Herren.

Unser Ziel bleibt es, wie heute schon mehrfach erklärt worden ist, die kommunale Finanzkraft, wie vorgesehen, um 80 Millionen € zu stärken. Wir sind zuversichtlich, dass wir bzw. das zuständige Finanzministerium dies im Jahresverlauf, also im Haushaltsvollzug bewerkstelligen wird.

Eine zügige Beratung in den Fachausschüssen vorausgesetzt, kann das Gesetz nach der zweiten Lesung schnell verabschiedet werden. Die Änderung des FAG ist demnach ein echtes Sofortprogramm für die Kommunen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Es bleibt nur der erste Schritt; denn wir wollen das FAG grundlegend novellieren.

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD - Swen Knöchel, DIE LINKE: Nötig ist es!)

- Sie wissen aber auch, dass sich bisher schon viele daran versucht haben, Kollege Knöchel. - Dazu gehört es, die kommunale Aufgabenerfüllung nicht durch zusätzliche Standards zu belasten. Dazu gehört auch, die Förderung interkommunaler Kooperation und die Fortführung und Stärkung der Regionalisierungsmethoden beider EU-Strukturfonds zu beachten

Um auf das FAG selbst zurückzukommen: Wir müssen den seit dem Jahr 2010 in SachsenAnhalt eingeführten aufgabenbezogenen Finanzausgleich als eine verlässliche Grundlage für die

kommunale Finanzplanung weiterentwickeln. Wir wollen aber jetzt insbesondere auf eine neue Qualität von Planungssicherheit und Stabilität hinwirken.

Das FAG muss einfacher, verständlicher, anreizfreundlicher und insgesamt auskömmlicher werden. Daher wollen wir in einem weiteren Schritt unter anderem für die Jahre 2017 bis 2021 erstmals die Finanzausgleichsmasse festschreiben, und zwar auf einen Betrag von 1 628 000 000 €. Das heißt, die Zuweisungen an die Kommunen werden wiederum um 100 Millionen € angehoben.

Diese mehr als 1,6 Milliarden € für die kommenden Jahre sollen wie folgt aufgeteilt werden: 40 Millionen € für den Ausgleichsstock, 150 Millionen € für die Investitionskostenpauschale, für die Auftragspauschale, also für den übertragenen Wirkungskreis 23 % der Finanzausgleichsmasse sowie für Schlüsselzuweisungen und besondere Ergänzungszuweisungen, also für den eigenen Wirkungskreis, Mittel in Höhe des Restbetrags.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verteilung der Teilmassen auf die einzelnen kommunalen Gruppen soll auf der Grundlage der nach den jeweiligen proportionalen Anteilen des geltenden Finanzausgleichsgesetzes 2016 erfolgen.

Um den Weg freizumachen für die Stärkung der Kommunen, bitte ich Sie, meine Damen und Herren, um die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Finanzen und zur Mitberatung in den Innenausschuss. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abg. Borgwardt. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Schröder. Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Nur fünf Wochen nach meinem Amtsantritt habe ich die Freude, heute vor Ihnen reden zu dürfen zu einer Änderung des Finanzausgleichsgesetzes, die von den Koalitionsfraktionen eingebracht worden ist.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Wer diese kurze Zeit würdigt und wer nur halbwegs weiß, wie herausfordernd manchmal gemeinsame Gesetzentwürfe sein können, zumal sie nun auch zwischen drei Partnern zu verhandeln sind, der wird bestätigen, dass die Stärkung der Finanzkraft der Kommunen wirklich ein enorm wichtiges Anliegen dieser Koalition ist.

Der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf ist der von uns versprochene sofortige Einstieg in die finanzielle Entlastung der Kommunen. Vorbehaltlich der Zustimmung durch das Hohe Haus sollen bereits im Herbst 44 Millionen € in das FAG fließen.

Das bedeutet eine Soforthilfe für unsere Kommunen noch vor der Verabschiedung der kompletten Novelle zum Finanzausgleichsgesetz, die im nächsten Jahr wirksam werden soll. Darauf hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion gerade hingewiesen.

Diese Sonderzuweisung in Höhe von 44 Millionen €, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht aus der Luft gegriffen. Sie ergibt sich aus zwei Änderungen, die wir im Finanzministerium durchgerechnet haben und die beide bereits im Koalitionsvertrag Nennung finden.

Zum einen wollen wir die Ländervergleiche - die Kämmerer in den Kommunen kennen das unter dem Begriff Benchmark - nicht mehr einrechnen.

Zum anderen werden wir die Sparbemühungen der Kommunen besser würdigen. Deshalb sollen die sogenannten Tilgungskostenzuschüsse bei der Berechnung der FAG-Mittel stärker berücksichtigt werden. Im Ergebnis dieser beiden Punkte kommen wir auf ein Plus von 44 Millionen €, die in den nächsten Monaten zur Auszahlung kommen sollen.

Jetzt kommt ein ungewöhnlicher Satz für einen Finanzminister, aber er ist ganz bewusst gewählt: Geld ist nicht alles.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Genauso wichtig ist mir auch eine deutlich bessere Kommunikation zwischen der Landesregierung und den Kommunen dieses Landes,

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

speziell auch zwischen dem Finanzministerium und den Kommunen. Deswegen sage ich heute auch noch einmal: Wir haben während der Koalitionsverhandlungen von einem Mehr für die Kommunen in Höhe von 80 Millionen € gesprochen. Wir haben dies in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, halten wir also an dem Ziel fest, die Kommunen um 80 Millionen € zu entlasten. Die 44 Millionen € sind der Einstieg in diese Entlastung.

Aber geben Sie mir, geben Sie uns als Koalition Zeit für eine seriöse Finanzplanung. Sie wissen, die Bund-Länder-Gespräche über die künftigen Finanzströme dauern noch an. Sollte der Bund auf die Forderung der Ministerpräsidenten eingehen und 50 % der Flüchtlingskosten überneh

men, wie es der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung erneut gefordert hat, dann würde das den Landeshaushalt allein um 120 Millionen € entlasten.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Ich weiß, der Durchbruch lässt noch auf sich warten. Natürlich wären das Spielräume, die wir zugunsten unserer Kommunen gut gebrauchen könnten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ungedeckte Schecks nützen weder den Kommunen noch dem Land und sie werden mit mir nicht zu machen sein.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU)

Lassen Sie mich auf einen, wie ich finde, sehr wichtigen Aspekt im Zusammenhang mit einer Steuernachzahlung eingehen, den sie vielleicht in den Medien als „Lützen-Effekt“ kennengelernt haben. Da zahlt ein Unternehmen 150 Millionen € Gewerbesteuer nach. Das sollte eigentlich wie ein Lottogewinn klingen. Allerdings sind die Konsequenzen für die Kommunen und das Land höchst unterschiedlich. Die Stadt Lützen darf nach Abgaben über die Gewerbesteuer-, Finanzkraft- und die Kreisumlage etwa 37 Millionen € behalten. Das ist gut, das ist schön, vielleicht hilft es sogar, das geplante Museum zur Schlacht von Lützen noch schneller zu verwirklichen.

(Zustimmung von Staatsminister Rainer Ro- bra)

Aber es sind 37 Millionen €.

Der Burgenlandkreis freut sich über eine Kreisumlage von etwa 67 Millionen €. Und alle anderen Landkreise freuen sich darüber, dass nun der Burgenlandkreis wegen der Kreisumlage keine Zuwendungen mehr über das Finanzausgleichsgesetz erhält und deswegen die anderen Landkreise 17 Millionen € mehr aus dem Topf erhalten. Alle kreisangehörigen Kommunen freuen sich darüber, dass die vermögende Stadt Lützen etwa 19 Millionen € in den entsprechenden FAG-Topf einzahlt, denn das kommt allen zugute. Meine sehr verehrten Damen und Herren: eine Kommunalentlastung von 36 Millionen €.

Nur einer freut sich nicht: das Land bzw. der Finanzminister. Denn während die kommunale Familie insgesamt durch den Lützen-Effekt im kommenden Jahr über Umlagen die besagten 36 Millionen € mehr bekommt - das ist eine stattliche Summe, über die bisher noch keiner geredet hat -, kehrt sich der Effekt für den Landeshaushalt um.

Aus den 150 Millionen € mehr für Lützen werden plötzlich 200 Millionen € weniger für das Land Sachsen-Anhalt. Und das kommt so: Der Bundesfinanzminister rechnet mit einem Hebesatz von 395. Das ist exakt der Durchschnitt der deutschen Hebesätze. In Lützen, zumindest in dem Ortsteil,

gilt ein Hebesatz von 200. Damit wird aus den 150 Millionen € Gewerbesteuern eine rein virtuelle Landeseinnahme von etwa 300 Millionen €.

Diese unterstellte Gewerbesteuereinnahme wird zu 64 % in den Länderfinanzausgleich hineingerechnet. Das heißt, am Ende der virtuellen Rechnung: Das Land nimmt vermeintlich 200 Millionen € mehr ein und diese werden uns im Länderfinanzausgleich einfach abgezogen.

Fazit: Sachsen-Anhalt verliert wegen des LützenEffekts im Jahr 2017 erhebliche Einnahmen. Während die Steuerschätzung für Mai für das kommende Jahr noch von 54 Millionen € plus ausging, werden es durch die Einrechnung des oben beschriebenen Sondereffekts 140 Millionen € minus sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben, wie ich, die Forderungen des Landkreistages vom Montag wahrgenommen. Die Vertreter der Kommunen kennen dieses Plus von 36 Millionen €, diesen Lützen-Effekt. Deswegen werbe ich an dieser Stelle noch einmal dafür, mehr miteinander als gegeneinander. Miteinander haben wir schon geredet, auch in dieser Woche. Mit „wir“ meine ich die Präsidenten und die Geschäftsführer von Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden das fortsetzen.

Ich kündige an - das haben wir gemeinsam mit dem Minister für Inneres und Sport des Landes besprochen -, dass wir die Finanzstrukturkommission des Landes Sachsen-Anhalt aufleben lassen. Diese Idee kommt aus einer Konsultationsvereinbarung des Ministerpräsidenten a. D. Prof. Dr. Wolfang Böhmer mit den Kommunen. Wir werden diese Finanzstrukturkommission wieder aufleben lassen. Das letzte gemeinsame Treffen dieser Art hat vor gut einem Jahr stattgefunden. Ich denke, es ist Zeit, dass wir die Kommission wieder revitalisieren und aufleben lassen.

(Marco Tullner, CDU: Das wird ja Zeit! - Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Finanzbedarf des Landes mit dem Finanzbedarf der Kommunen neu auszubalancieren wird weit über diese Sonderzuweisung, über die wir heute reden, hinaus unsere Aufgabe sein.