Protocol of the Session on May 25, 2018

Ich will Ihnen den Fall einer 36-jährigen Iranerin aus Magdeburg schildern, die vor nicht einmal einem Jahr in Magdeburg nachts auf dem Nachhauseweg von einer Party im Nachtbus plötzlich

von drei Unbekannten homo- und transphob beleidigt wurde. Als die Männer zudem drohten, sie an der nächsten Haltestelle anzugreifen, fotografierte sie die Unbekannten. Daraufhin forderte sie einer der Männer auf, das Foto zu löschen, und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Erst als ein Zeuge sich schützend vor die 36-Jährige stellte, konnte diese die Polizei verständigen. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt in der Folge wegen Beleidigung und einfacher Körperverletzung gegen drei Beschuldigte.

Das ist leider kein Einzelfall. Die Zahl solcher homo- und transfeindlichen Gewalttaten ist in den letzten Jahren auch in Sachsen-Anhalt gestiegen.

Es bleibt die Frage nach dem Warum solcher Taten. Menschen werden angegriffen, weil sie homo- oder transsexuell sind. „Scheiß Schwuchteln“, wie sich die Täter dann ausdrücken.

Der Angriff war in Magdeburg medial kein Thema, öffentliches Interesse kaum vorhanden. Menschen müssen sich davor fürchten, sie selbst zu sein oder öffentlich zu ihrer Sexualität oder zu ihrer sexuellen Identität zu stehen. Auch in Reaktion auf solche Taten steht deshalb für mich fest: Wir müssen uns für eine Gesellschaft starkmachen, in der Vielfalt, Toleranz und Selbstbestimmung überall und jederzeit gelebt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Für die gesellschaftliche Anerkennung von homo-, bi- oder transsexuellen Menschen von unterschiedlichsten Geschlechtern, von unterschiedlichster sexueller Orientierung ist auch die rechtliche Anerkennung ein entscheidender Schritt. Für Sachsen-Anhalt haben wir uns als Koalitionspartner darauf verständigt, den Schutz der sexuellen Identität in der Landesverfassung zu verankern. Es gibt deshalb gute Gründe, eine entsprechende Initiative auch für unser bewährtes, aber immer weiter zu entwickelndes Grundgesetz zu unterstützen.

Wir wollen deshalb über alle Möglichkeiten des Einsatzes für Toleranz, Vielfalt und Selbstbestimmung und auch über Ihre Initiative, meine Damen und Herren von der LINKEN, im Rechtsausschuss beraten. Ich spreche mich deutlich dafür aus, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu unterstützen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Es gibt eine Anfrage von Herrn Jan Wenzel Schmidt. Möchten Sie diese beantworten? - Bitte.

Vielen Dank. - Herr Striegel, Sie haben vorhin dazwischengerufen, dass es, glaube ich, 41 Geschlechter gibt. Mich würde einmal interessieren - anscheinend kann man sich sein Geschlecht ja nach Stimmungslage aussuchen -, welches Geschlecht tragen Sie denn heute.

(Heiterkeit bei der AfD - Oh! bei der LIN- KEN)

Ich denke, Herr Striegel, darauf werden Sie nicht antworten müssen. Solche Fragen möchte ich hier auch gern unterbinden.

Ich möchte Ihnen nicht die Frage beantworten, sondern ich möchte Ihnen sagen, dass die Antwort auf alle Ihre Fragen 42 ist.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Hendrik Lange, DIE LINKE: Der war gut! - Daniel Roi, AfD: Sehr gut! - Zuruf von Ulrich Siegmund, AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sollten hier wieder zur Vernunft kommen und ordnungsgemäß über die Themen beraten und uns wirklich ein großes Stück zurücknehmen, statt zu versuchen, dem anderen beleidigend gegenüberzutreten. Das werde ich immer wieder vertreten, egal, aus welcher Fraktion so etwas kommt. Deswegen bitte ich Sie, wieder ein paar Gänge zurückzuschrauben. Lassen Sie uns wieder zur Sacharbeit kommen.

Der nächste Debattenredner wird für die CDUFraktion der Abg. Herr Kolze sein. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, verbietet Artikel 3 Abs. 3 unseres Grundgesetzes eine Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund der Merkmale Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glaube, religiöse oder politische Anschauung und Behinderung.

Mit dieser Aufzählung ist der Katalog von Diskriminierungsverboten in Artikel 3 Abs. 3 abschließend. Das bedeutet, dass andere Kriterien, die einen ähnlich engen Bezug zur Persönlichkeit des Merkmalsträgers haben, nicht einfach im Wege der Analogie hinzugefügt werden können. Allerdings gewinnen die abschließenden Merkmale dann an Bedeutung, wenn eine Ungleichbehandlung an Kriterien anknüpft, die den genannten

sehr nahekommen, also in ähnlicher Weise personengebunden sind.

Derartige Merkmale sind auch die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität. In solchen Fällen ist dann eine besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung im Lichte von Artikel 3 des Grundgesetzes durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich bekennen wir uns zu einer Gleichstellung der lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen und interidenten Menschen in Sachsen-Anhalt. Selbstverständlich darf es keine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität geben. Aber einer Ergänzung der Verfassung bedarf es aus meiner Sicht dafür nicht, da unser Grundgesetz bereits umfassende Regelungen enthält, die jede Benachteiligung in diesem Bereich verbieten.

So schützt Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes unmittelbar den persönlichen Lebensbereich, zudem auch die sexuelle Selbstbestimmung und Identität eines Menschen gehören. Artikel 3 Abs. 1 schützt vor Ungleichbehandlung.

Darüber hinaus gibt es zusätzlich einfachgesetzliche Vorschriften beispielsweise im Arbeits- und Beamtenrecht, die eine Diskriminierung wegen der sexuellen Identität ausdrücklich verbieten.

Das Grundgesetz regelt die rechtliche und politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Es muss für den Einzelfall ausgelegt und verhältnismäßig angewendet werden. Es muss aber nicht jeden Einzelfall regeln. Vielmehr konzentriert sich das Grundgesetz auf das Wesentliche.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich halte das Thema für wichtig und bin froh darüber, dass sich die Gesellschaft immer mehr öffnet, aber aus den genannten Gründen hätte eine Änderung der Verfassung meines Erachtens nur Symbolwert.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU - Hen- drik Lange, DIE LINKE: Nein!)

Eine echte Auswirkung auf die noch bestehenden gesellschaftlichen Probleme hätte eine Änderung nicht.

Bevor ich gleich von den Kollegen der AfD gefragt werde, ob ich denn wisse, wie viele Geschlechter es gibt, will ich gleich sagen: Ich weiß es nicht.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Du weißt aber, was du bist!)

Es ist für diese Debatte aber auch nicht von Relevanz.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Kollege, formulieren Sie bitte Ihren letzten Satz.

Ja, es ist tatsächlich der letzte Satz. - Wir als CDU hätten den Antrag auch ablehnen können. Da es in einer Koalition aber auch gilt, Kompromisse zu schließen, bitte ich um Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. Ich sehe keine Anfragen. - Somit kommen wir zur letzten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau von Angern. Sie haben das Wort.

Herr Kolze, vielleicht nur ganz kurz als Erwiderung: Ich erinnere an Ihren Koalitionsvertrag. Ich hoffe, dass Sie sich auch daran erinnern und entsprechend agieren, wenn es um die Änderungen in der Verfassung geht, wenn Sie jetzt schon Bauchschmerzen dabei haben, diesen Antrag zu überweisen.

Nichtsdestotrotz sehe ich das Signal sehr positiv, dass wir gemeinsam diesen Antrag überweisen. Wir werden dem auch zustimmen und über den Antrag gemeinsam mit Ihnen im Ausschuss beraten.

Ich möchte noch einmal punktuell ein vermeintlich wichtiges Thema aufklären: die Frage der Anzahl der Geschlechter. Ich gehe davon aus, dass wir uns zumindest darin einig sind, dass es mindestens zwei Geschlechter gibt,

(Zustimmung bei der AfD)

nämlich das weibliche und das männliche. Ich hoffe, Sie haben auch das Wort „mindestens“ in meinem Satz gehört.

(Zuruf von der AfD: Nein! - Heiterkeit bei der AfD)

Das Entscheidende ist, dass diese binäre Feststellung etwas kulturell Konstruiertes ist und dass wir lange genug darüber hinweggesehen haben, es als absolute Norm, als natürliche Absolutheit zu sehen.

Wir reden hier über soziale Zuschreibungen, die wir hinterfragen und die zugleich auch gesellschaftliche Normen enttarnen, die Diskriminierungen enthalten können.

Ziel unseres Antrages und auch Ziel dieser Initiative ist es, jeden Menschen individuell und gleichberechtigt zu behandeln. Das geschieht momentan noch nicht.

Ziel ist es auch, dass ein Kind auf die Welt kommt und frei und ohne Angst vor Diskriminierung seine eigene Identität finden kann. Ich gebe Ihnen recht,

Herr Kolze, es kommt eben nicht auf die Anzahl der Geschlechter an, sondern darauf - das ist das Ziel dieses Antrages -, diese freie Entfaltungsmöglichkeit tatsächlich zu haben. Wir haben als Staat die Pflicht, die Grundlage dafür zu schaffen, um dies ermöglichen zu können.

Ich möchte aber noch auf eines eingehen, das der Debattenredner der AfD-Fraktion hier gesagt hat.

(Ulrich Siegmund, AfD: Herr Poggenburg!)

Sie haben unseren Antrag mit dem Begriff der „Dekadenz“ in Bezug gesetzt.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ja!)