Protocol of the Session on May 25, 2018

Gemäß § 43 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages erteile ich zuerst dem Fragesteller, der Fraktion der SPD, das Wort. Herr Abg. Dr. Grube, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Hohes Haus! Abfall ist ein Thema, mit dem sich die allermeisten nur sehr ungern beschäftigen. Er ist meistens schmutzig oder er stinkt, er klebt, er staubt und manchmal strahlt er auch. Dabei sind wir alle für den Abfall, der entsteht, verantwortlich, ohne Ausnahme.

Das ist Bestandteil unserer Lebensweise in den modernen Industrienationen. Jeder und jede produziert Abfall, zugegebenermaßen in unterschiedlicher Menge. Das passiert privat, zu Hause, durch Verpackungen, durch Abwasser, durch die

Energie, die jeder nutzt, und durch die Geräte und die Verbrauchsgüter, bei deren Herstellung Abfall anfällt.

(Unruhe)

Herr Dr. Grube, einen kleinen Moment bitte. - Ich bitte auch in der AfD-Fraktion um etwas mehr Disziplin. Man hört nichts und das ist auch etwas unhöflich gegenüber dem Redner.

(Zustimmung von Florian Philipp, CDU, und von Ronald Mormann, SPD)

- Danke. - Herr Dr. Grube, Sie haben wieder das Wort.

Dass man mich nicht hört, ist für mich eine neue Information. - Jeder produziert auch beruflich Abfall, im Job - durch Verpackungen, durch Abwasser, durch die Energie, die dort genutzt wird, durch die Geräte, bei deren Herstellung Abfall anfällt,

(Daniel Roi, AfD: Geistiger Abfall!)

- Ihr Stichwort - oder durch die Arbeit in der Industrie, gleich welcher Art, die nicht immer nur Produkte produziert, sondern eben auch Abfall. Das gilt übrigens auch für die Mitglieder des Hohen Hauses. Jeder, der sich heute Morgen dafür entschieden hat, nicht nackt hier im Plenarsaal zu erscheinen,

(Andreas Höppner, DIE LINKE, und Wolf- gang Aldag, GRÜNE, lachen)

hat Abfall produziert. Und: Nein, das war keine implizite Aufforderung. Bitte kommen Sie weiterhin bekleidet.

(Wolfgang Aldag, GRÜNE, lacht)

Zurück zum Thema. Jeder und jede nutzt Infrastruktur, bei deren Herstellung und Betrieb Abfall anfällt, privat etwa als Häuslebauer durch Abfall, der beim Abriss und beim Aushub anfällt. Und natürlich fällt auch bei der Herstellung öffentlicher Infrastruktur Abfall an, beim Bau jeder Kita, jeder Schule, jeder Sportanlage, jedes Fahrradweges und jeder Straße.

Dieser Abfall, meine Damen und Herren, muss weggeräumt und weggebracht werden. Zu Hause nennt man das häusliche Pflicht; sie ist besonders beliebt bei Jugendlichen jeden Alters. Im großen Stil nennt man das Abfallentsorgung.

Die Abfallentsorgung funktioniert in Deutschland und in Sachsen-Anhalt im Allgemeinen übrigens gut. Das gilt für die öffentlichen wie für die privaten Entsorgungsunternehmen. Wir haben funktionierende Entsorgungssysteme, wir haben funktionierende Verwertungskreisläufe, wir haben funk

tionierende Recyclingketten. Und wir haben, auch wenn dabei das eine oder andere noch vor uns liegt, in den letzten 20, 25 Jahren die Hinterlassenschaften von 40 Jahren Planwirtschaft beseitigt.

An dem Befund, dass die Abfallentsorgung im Allgemeinen gut funktioniert, ändert auch der Umstand nichts, dass es in der Branche schwarze Schafe gibt. Eines davon hat den Landtag in der letzten Wahlperiode in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschäftigt. Aber diese schwarzen Schafe sind die Ausnahme und nicht die Regel. In der Regel arbeiten die Unternehmen und ihre Beschäftigten vernünftig.

Was ich hier als Entree gebracht habe, klingt erst einmal ziemlich toll. Deshalb ist es zumindest erklärungsbedürftig, warum wir als SPD auf die Idee gekommen sind, diese Große Anfrage zu stellen, über deren Antwort wir heute debattieren.

Wir haben diese Anfrage gestellt, weil wir uns Sorgen machen, weil wir in verschiedenen Gesprächen mit Vertretern der öffentlichen Hand und der Bauwirtschaft, mit Unternehmen der Entsorgungswirtschaft und mit Vertretern der Wohnungswirtschaft Signale bekommen haben - wir haben das auch öffentlich kommuniziert -, dass es nicht gut aussieht mit den Entsorgungskapazitäten, dass sie für die nächsten Jahre eben nicht ausreichen könnten.

Heute debattieren wir über die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage. Ich muss Ihnen sagen: Unsere Sorgen sind nicht eben kleiner geworden.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU, und von Rüdiger Erben, SPD)

Warum ist das so? - Die Landesregierung, namentlich das federführende Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, kommt in der Beantwortung der Frage 2 im Abschnitt I zu dem Ergebnis, dass die Entsorgungssicherheit in Sachsen-Anhalt für den Prognosezeitraum bis 2025 gewährleistet ist.

Zudem gibt die Landesregierung an: Im Rahmen der Beteiligung im Verfahren der Fortschreibung des Abfallwirtschaftsplans wurde die Entsorgungswirtschaft umfassend beteiligt, dabei wurden auch das von der Wirtschaft vorgebrachte Zahlenmaterial und die vorgetragenen Argumente eingehend erörtert. - Beteiligt, ja, erörtert, ja, aber eingearbeitet wurden die Argumente nicht. Und wir, meine Damen und Herren, halten das für einen Fehler.

(Zustimmung von Silke Schindler, SPD, und von Rüdiger Erben, SPD)

Denn die Argumente des Kompetenznetzwerks „Mitteldeutsche Entsorgungswirtschaft“ sind in ichrer Abwägung stichhaltiger. Ich möchte Ihnen das

begründen. Warum die Landesregierung die Argumente zwar zur Kenntnis genommen, sie aber nicht anerkannt hat, legt sie in der Antwort auf die Frage 4 im Abschnitt II offen - Zitat -:

„Als Berechnungsgröße für die ‚verfügbare Deponiekapazität‘ wird das in den jeweiligen Zulassungsentscheidungen genehmigte Deponievolumen herangezogen.

Nach Einschätzung der Entsorgungswirtschaft ist dieser Ansatz nicht gerechtfertigt. Es wäre das tatsächlich ausgebaute Deponievolumen heranzuziehen und die Jahreskapazitäten der einzelnen Deponiestandorte in die Betrachtungen einzustellen.“

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

„Aus Sicht der Landesregierung steht eine andere belastbare Orientierungsgröße als das zugelassene Deponievolumen nicht zur Verfügung, da insbesondere die zeitliche und räumliche Ausnutzung der genehmigten Deponiekapazität grundsätzlich der betriebswirtschaftlichen Entscheidungskompetenz des Deponiebetreibers obliegt.“

Das, sehr geehrte Frau Ministerin, trifft nicht unsere Einschätzung. Das, sehr geehrte Frau Ministerin, ist mindestens eine logische Fehlleistung. Sie kennen aus dem Fußball den schönen Spruch: Grau ist alle Theorie; was gilt, ist auf dem Platz. Das gilt auch für die Abfallentsorgung.

Wichtig ist nicht die Planzahl auf dem Papier, wichtig ist, was tatsächlich noch in die Deponie hineinpasst. Und was in die Deponie hineinpasst, wie die jährlich durchschnittlich verfügbare Deponiekapazität aussieht, das ist in den Anträgen zu dem jeweiligen Planfeststellungsbescheid festgeschrieben. Das muss dann sinnhafterweise natürlich auch die Planungsgrundlage im Abfallwirtschaftsplan sein.

Zu den Zahlen. Der Abfallwirtschaftsplan 2017 weist ein genehmigtes Deponievolumen von 23,9 Millionen m³ aus für Deponien der Klasse DK 0. Diese sollen bis 2025 reichen. Dafür sind sie, meine Damen und Herren, allerdings gar nicht genehmigt. Berücksichtigt man die vorgesehene Laufzeit der jeweiligen Deponie und die Genehmigungsauflagen, die bei den einzelnen Deponien noch hinzukommen, dann kommt man auf andere Volumina.

Ein paar Beispiele: Die Deponie Walbeck ist für eine Laufzeit von 25 Jahren genehmigt worden. Damit verringert sich das jährlich zur Verfügung stehende Volumen der Deponie von 6,3 Millionen m³ auf 250 000 m³ im Jahr. Das sind bis zum Jahr 2025 nicht 6 Millionen m³, sondern 2 Millionen m³.

Die Deponie Reesen ist für eine Laufzeit genehmigt, nach der sich das jährlich zur Verfügung

stehende Volumen der Deponie von 3,9 Millionen m³ auf ca. 200 000 bis 300 000 m³ jährlich verringert. Das sind 1,6 Millionen bis 2,4 Millionen m³ bis zum Jahr 2025.

Das Volumen der Deponie Roitzsch von 2,8 Millionen m³ ist ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses für eine Laufzeit von 28 Jahren ausreichend. Und das Volumen der Deponie ProfenNord ist für eine Laufzeit von ganzen 30 Jahren vorgesehen.

(Ulrich Thomas, CDU: Noch nicht mal ge- nehmigt!)

- Danke für den Vorgriff. - Aus dem Puffer von 5 Millionen m³ in Profen-Nord werden damit ca. 170 000 m³ jährlich oder 1,3 Millionen m³ bis zum Jahr 2025. Dabei ist nicht einmal sicher, ob der Planfeststellungsbeschluss in Profen-Nord Bestand hat. Er wird noch immer beklagt, und es ist mehr als zweifelhaft, ob er am Ende das Gerichtsverfahren überlebt.

Nun könnte man sagen: Gut, man erhöht die jährliche Menge und alles ist in Butter. Aber abgesehen davon, dass man so keine vernünftige Planung machen kann, hat auch das seine Grenzen. So ist es zum Beispiel in der Deponie Walbeck gar nicht möglich, willkürlich und unendlich die Einlagerungsmenge zu erhöhen, weil dort eben nur so viel Deponiegut eingelagert werden kann, wie man vorher an Kalkstein herausgeholt hat. Und auch das ist nicht beliebig steigerbar.

In den anderen Deponien hängt die Genehmigung an der durchschnittlichen Jahresmenge. Die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Gutachten für die TA Luft und für die TA Lärm, für das Verkehrsaufkommen und für die weiteren Parameter - all das beruht auf den jährlichen Einlagerungs- und Annahmemengen. Das heißt, es ist meistens allein technisch schon nicht möglich, deutlich mehr als diese Menge pro Jahr einzulagern. Darüber hinaus würde eine Erhöhung dauerhaft gegen die Grundlagen der jeweiligen Planfeststellung verstoßen und wäre somit rechtswidrig.

Ich möchte denjenigen sehen, der den Leuten vor Ort erklärt, dass nach jahrelangen Beteiligungsverfahren auf einmal doppelt so viele Lkw durch das Dorf fahren.

Was heißt das eigentlich für die Gesamtsituation? - Der Abfallwirtschaftsplan weist ein tatsächlich nutzbares Deponievolumen in DK 1 und DK 2 von 23,9 Millionen m³ aus; das sagte ich bereits. Die Zahlen, auf denen das beruht, stammen aber leider zum Teil aus dem Jahr 2014.

Zieht man davon noch die Verfüllmengen ab, die seitdem eingelagert wurden, bleibt ein Volumen von ungefähr 19,7 Millionen m³. Das beruht auf den Berechnungen des Kompetenznetzwerkes.

Nach Abfallwirtschaftsplan ergibt das eine Laufzeit von 12,7 Jahren. Nach Ermittlung der Abfallwirtschaft ergibt sich eine Laufzeit von 9,8 Jahren.

Diese Berechnung unterstellt im Übrigen, dass nach dem Auslaufen der Hochhalde Schkopau ca. im Jahr 2021 die übrigen Deponien die dort jährlich mit einberechneten 850 000 t im Jahr aufnehmen können. Diese Deponien müssten dann die dreifache Menge ihrer genehmigten Jahreskapazität aufnehmen. Dass das nicht geht, habe ich gerade ausgeführt.

Für uns, meine Damen und Herren, ergeben sich daraus ein paar Fragen und ein klarer Handlungsbedarf. Die Fragen, die wir noch einmal schriftlich im Rahmen einer Kleinen Anfrage nachreichen werden, lauten: Wie schätzt die Landesregierung die Lage ein, wenn sie die aktuellen Zahlen aus den Jahren 2017 und 2018 zugrunde legt? Wie schätzt die Landesregierung die Lage ein, wenn sie die Grenzen der durch die Genehmigung verursachten Auflagen zugrunde legt? Wie schätzt die Landesregierung die Lage ein, wenn sie die Großbauvorhaben im Zeitraum des Abfallwirtschaftsplanes bis 2025 einbezieht?

Wir durften heute in der „Volksstimme“ lesen, dass wir ab 1. Juni vielleicht einen gültigen Planfeststellungsbeschluss für den Bau der A 143 haben werden; der BUND wird nicht klagen. Die Kosten belaufen sich nach heutiger Planung auf ca. 350 Millionen €.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Warte mal ab!)