Protocol of the Session on May 24, 2018

Ich gehöre nicht zu denen, die DDR-Vergleiche ziehen, und ich halte den LINKEN auch nicht eine SED-Vergangenheit vor. Aber angesichts der Tatsache, wie Sie jetzt hier über Umsiedlung gesprochen haben, und zu der Äußerung, es gebe ja nun heute auch irgendwie Entschädigung, kann ich Ihnen nur sagen: Gehen Sie einmal nach Großgrimma. Das ist nämlich der einzige Ort in Sachsen-Anhalt, der nach dem Jahr 1990 umgesiedelt worden ist.

Fragen Sie einmal die Leute, wie froh sie waren, dass sie nach 30 Jahren DDR-Bergbauschutzgebiet umgesiedelt wurden. Dort will niemand mehr in Großgrimma leben. Die Menschen leben heute noch an einer Stelle zusammen, und zwar nicht zusammengepfercht in einem Plattenbau,

sondern in neuen Einfamilienhäusern, nach denen sich vermutlich auch die meisten hier alle Finger lecken würden.

(Lydia Funke, AfD: Ach!)

Fahren Sie einmal nach Großgrimma und seien Sie nicht so ignorant.

Herr Farle, nun gleich wieder zu Ihnen. Die Entschädigungen, die nach Ihrem Antrag erteilt werden sollen, sollen angemessen sein. Es ist Gesetz, dass derjenige, der umgesiedelt wird, angemessen entschädigt wird. Das wird im Übrigen in diesem Land gemacht, und zwar seit vielen Jahren.

Noch einige Worte zum Thema Kohlekommission und Strukturwandel. Für mich hat Energiewende und Strukturwandel ein Gesicht. Das ist nicht abstrakt. Das ist nicht die Frage der Zahl der Arbeitsplätze oder Tonnen an CO2-Ausstoß, sondern das sind die Gesichter meiner Nachbarn, meiner Freunde und Bekannten, der Genossen im Ortsverein, in der IG-BCE-Ortsgruppe und andere. Es geht in dem Falle um Einzelschicksale.

Deswegen bin ich sehr froh, dass die Vorsitzenden der Braunkohlekommission auf der Bundesebene voraussichtlich von Leuten begleitet werden, die das wissen, die nämlich Ministerpräsidenten von Braunkohleländern waren. Sie wissen, dass es nicht einfach einen Ausstiegsbeschluss ohne Perspektive geben kann. Vielmehr muss erst eine Perspektive für die Menschen in den Bergbauregionen geschaffen werden und dann kann es einen Beschluss zum absoluten Ausstieg geben.

Schließlich und endlich der Strukturwandel. Das ist keine Erfindung aus diesen Tagen. Ich selbst bin stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender der Kulturstiftung Hohenmölsen. Das mag sich erst einmal stark nach Kultur anhören. Die Stiftung verwaltet die Umsiedlungsmillionen, die bei der Umsiedlung von Großgrimma übrig geblieben sind.

Wir führen seit 15 Jahren in jedem Jahr eine Sommerakademie mit jungen Menschen aus aller Welt durch, die sich mit Strukturwandel beschäftigt. Dort haben wir bereits seit Anfang der 2000er-Jahre jährlich Ideen eingesammelt, was kommt nach der Kohle. Denn wir wussten, dass die Rechnung von Herrn Raue nur aufgeht, wenn sie Leipzig wegbaggern.

Herr Erben, ich muss Sie bitten, zum Ende zu kommen. Ich habe Ihnen die Zeit vom Herrn Minister schon obendrauf gegeben.

Ich bin gleich fertig. - Wir wussten aber immer, dass es in unserer heutigen Gesellschaft absehbar ist, dass man nicht in Größenordnungen Siedlungen umsiedeln kann. Deswegen haben wir uns darüber Gedanken gemacht.

Ich halte es für ganz wichtig - das sage ich auch an die Adresse der Landesregierung, Herr Ministerpräsident, Herr Wirtschaftsminister -, dass Strukturwandel regional gesteuert wird. Wir brauchen in den Regionen, im Burgenlandkreis, im Saalekreis und im Südraum von Leipzig nicht nur gute Ideen aus Berlin und schon gar keine Vorgaben. Wir brauchen Geld, damit wir unsere Ideen zum Strukturwandel umsetzen können.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Darauf hoffe ich auch im Ergebnis der Kohlekommission. - Herzlichen Dank.

Herr Erben, einen Moment bitte. Frau Frederking hat sich zu Wort gemeldet. - Frau Frederking, Sie haben das Wort.

Herr Erben, ich würde gern mehr zu diesen Ideen hören, die Sie erarbeitet haben. Was sind denn aus Ihrer Sicht die Zukunftsbranchen für das mitteldeutsche Revier?

Ich kann Ihnen natürlich jetzt umfangreich vortragen, was in 15 Jahren, also 15 mal eine Woche lang, besprochen worden ist. Ich würde Ihnen die Tagungsbände zur Verfügung stellen. Im Übrigen lade ich Sie, Frau Kollegin Frederking, für den 25. September - das ist ein Sonntag - um 18 Uhr nach Hohenmölsen ins Bürgerhaus ein. Dann begrüßen wir die jungen Leute. Dort können Sie sich einen Überblick verschaffen. Sie sind herzlich willkommen. Ich glaube, das darf man auch als stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender, Sie dazu einzuladen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Herrn Erben für die Ausführungen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Frederking. Frau Frederking, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich halten wir am Koali

tionsvertrag fest. Die energetische Nutzung der Braunkohle wird spätestens mit der Auskohlung des Braunkohletagebaus Profen beendet sein.

Für uns, für die Koalition, hat der Klimaschutz Priorität. Wir müssen den Strukturwandel für eine Zukunft ohne Braunkohle aktiv gestalten. Wenn wir uns rechtzeitig auf den Ausstieg aus der energetischen Nutzung vorbereiten und diesen schrittweise, planbar und sozialverträglich beginnen, dann eröffnet das auch große Chancen für die Industriestandorte in der sachsen-anhaltischen Braunkohleregion.

Ein Hinauszögern ist nicht nur Gift für das Klima, sondern man würde Zukunftsperspektiven verspielen. Deshalb: Wer vorangeht, der kann nur gewinnen. Ein großes Potenzial bietet die Kopplung zwischen Chemieindustrie und Energieerzeugung. Statt Öl und Gas - oder wie neuerdings wieder angedacht, Braunkohle - als Primärrohstoffe bzw. Kohlenstoffquelle in der chemischen Industrie einzusetzen, können Kunststoffabfälle und Biomasse genutzt werden, um zusammen mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff chemische Produkte CO2-arm herzustellen.

Wind- und Solaranlegen liefern also nicht nur Energie, aus ihnen werden vielmehr auch Chemierohstoffe. Das eröffnet neue Geschäftsfelder, zum Beispiel für den Verkauf von Kunststoffprodukten mit kleinem CO2-Rucksack. Außerdem profiliert sich der Chemiestandort Mitteldeutschland und er wird auch zugleich transformiert in die Zeit der Energiewende.

Beispielgebend ist die Fraunhofer-Pilotanage Carbontrans, die in Leuna errichtet werden soll. Kunststoffabfälle sollen dort in einer Vergasungsanlage behandelt werden, um daraus anschließend mit Wasserstoff erneut Kunststoffe zu synthetisieren. Diese zirkuläre Wirtschaft schafft hochwertige Arbeitsplätze in der Industrie. Das ist also eine Möglichkeit, wie Strukturwandel organisiert werden kann.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Sachsen-Anhalt hat mit der starken Chemieindustrie und dem Projekt Hypos, das unter anderem eine Wasserstoffspeicherung in einer Großkaverne in Bad Lauchstädt vorsieht, enorme Standortvorteile. Das ist auch zugleich eine der Lösungen für die Langzeitspeicherung.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Diese Bausteine fügen sich nahtlos und ganz wunderbar ineinander, sodass nichts gegen eine Transformation in eine Erneuerbare-Energien-Welt spricht. Braunkohle ist als Rohstoff für Basis

chemikalien nicht erforderlich. Sehr wohl stehen wir GRÜNEN zur Montanwachsherstellung aus Braunkohle für Spezialprodukte.

Der Standort von Romonta in Amsdorf sollte auch über das Jahr 2030 hinaus erhalten bleiben. Hier könnte die Kohle aus dem bestehenden Tagebau Profen helfen. Auch das ist Strukturwandel.

Die Landesregierung ist gefordert, sich umfangreich in die vielfältigen Strukturwandelaktivitäten und die Kohlekommission auf der Bundesebene einzubringen und auch Strukturwandelgelder zu organisieren, damit die erforderlichen Investitionen dann auch getätigt werden können. Es ist eine riesige Chance für neue Impulse und Wertschöpfungspotenziale.

Herr Schellnhuber vom Potsdam-Institut sieht in dem rasant voranschreitenden menschengemachten Klimawandel einen kollektiven Suizidversuch, weil wir in einem Irrsinnstempo auf eine unbeherrschbare globale Situation zusteuern.

Deshalb jetzt handeln. Das heißt auch für uns weniger Autofahren, weniger Fleisch, weniger Fliegen. Das heißt eben neben dem individuellen Handeln und dem Handeln auf Landesebene durch ein Herunterfahren der fossilen Energien, pflicht- und verantwortungsbewusst zu handeln und alle Investitionen am Klimaschutz zuorientieren. Ein Kohleland kann kein Energiewendeland sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich lade Sie ein in eine grüne Zukunft mit großartiger Technik und annähernd geschlossenen CO2-Kreisläufen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Frederking für die Ausführungen. - Für die AfD hat noch einmal Herr Farle das Wort. Herr Farle, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch auf einige Fragen eingehen.

Erstens zum Begriff Strukturwandel. Ich hatte das Vergnügen, an zwei Wirtschaftskonferenzen teilzunehmen; eine in meinem Wahlkreis, also in Mansfeld-Südharz, und eine im Burgenlandkreis. Dort hat der Chef der Mibrag gesprochen und er hat sich definitiv gegen den Begriff Strukturwandel ausgesprochen, weil dieser Strukturwandel schon das Aus für die Braunkohle vorwegnimmt.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

- Wenn Sie nicht zugehört haben, dann wissen Sie es auch nicht.

Er hat gesagt: Der richtige Weg ist, dass die Braunkohle in unserem Land langfristig genutzt wird, dass die stoffliche Verwertung stattfindet und darum herum neue Industriebetriebe angesiedelt werden, wie der, der schon mehrfach in der Diskussion erwähnt worden ist. Das muss dazu kommen.

Aber die Förderung müssen wir aufrechterhalten für die Versorgungssicherheit bei der Verstromung und für das billigere Produzieren unseres Stroms. Denn wir können die Bevölkerung nicht weiter so zur Kasse bitten für eine Energiepolitik, die keine Zukunft hat. Diese Zukunft haben diese Windmühlenräder nicht mehr. In unserem Land stehen schon zu viele davon.

(Beifall bei der AfD)

Zweitens. Deutschland allein wird die ganze Welt nicht retten können. Weltweit werden derzeit 1 600 Kohlekraftwerke geplant und in den nächsten Jahren gebaut, etliche davon in Polen. Wir machen unsere Braunkohlekraftwerke in Deutschland dicht, damit wir in fünf oder in zehn Jahren Braunkohlestrom aus Polen holen, wo es nicht so moderne Filteranlagen wie bei uns gibt. Begründen Sie das einmal einem normal und nüchtern denkenden Menschen. Das können Sie niemandem begründen; das ist einfach Irrsinn.

(Beifall bei der AfD)

Drittens. Sie halten an dem Klimaziel fest, die CO2-Emissionen um 60 % zu reduzieren. Wir hatten das schon als Thema. Es gibt überhaupt keine wissenschaftliche Begründung dafür, den CO2-Ausstoß zu verringern, damit sich das Klima der Welt irgendwie ändert; denn die Klimaveränderung, die wir in der ganzen Welt haben, haben wir schon seit Jahrtausenden, ja, seitdem die Welt existiert. Es gab noch nie einen menschengemachten Klimawandel.

(Dr. Falko Grube, SPD, lacht)

Das ist eine Erfindung, die die GRÜNEN und die LINKE überall verbreiten,