Protocol of the Session on April 20, 2018

(Unruhe bei der CDU)

Frau Frederking, Sie haben sich gemeldet und haben nunmehr die Chance, ans Mikrofon zu gehen. Bitte sehr.

Frau Funke, Sie haben gesagt, dass ein Seeadler keine regionalen Entwicklungspläne kennt oder lesen kann. Wenn aber der Horst eines Seeadlers zwischen einer Windanlage und der Elbe liegt - was, glauben Sie, kennt der Seeadler? Wohin fliegt er, um sein Futter zu finden?

(Zuruf von der AfD)

Also, ich kann Ihnen nicht konkret sagen, wie weit ein Seeadler bei der Futtersuche fliegt. Aber ich kann mir vorstellen, dass er sicherlich die Elbe als

Grenze überfliegt und in das Gebiet des Windparks hineinfliegt.

(Zurufe von den GRÜNEN)

In Ordnung. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Wir können in der Debatte fortfahren. Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Barth. Herr Barth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Umsetzung von Natura 2000 ist ohne Zweifel eine enorme Herausforderung. Sie ist aber abhängig davon, dass es sich hierbei um die Erfüllung europäischer Vorgaben handelt; dies ist sehr wichtig für die Erhaltung unserer vielfältigen Kulturlandschaft. Wir alle wollen unseren Enkeln eine intakte Umwelt hinterlassen. Dafür müssen wir etwas tun.

(Zustimmung bei der SPD)

Umwelt- und Naturschutz können nicht gegen die Menschen, sondern nur mit den Menschen umgesetzt werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist also wichtig, die Menschen mitzunehmen. Dies setzt zum einen eine intensive Aufklärungsarbeit dazu voraus, warum bestimmte Ge- und Verbote notwendig sind. Zum anderen sollte die Kooperation dort, wo es möglich ist, im Vordergrund stehen.

Meine Damen und Herren! Die einzelnen Bundesländer haben offensichtlich eine unterschiedliche Herangehensweise an die Umsetzung von Natura 2000 entwickelt. Das Bundesland Niedersachsen hat die Verantwortung auf die Landkreise übertragen, welche die Sicherung durch die Ausweisung von Naturschutzgebieten und Landschaftsschutzgebieten vornehmen, was hinsichtlich möglicher Anlastungen aber durchaus kritisch gesehen werden kann. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat mit einem erheblichen personellen Aufwand für jedes einzelne Gebiet Naturschutzgebietsverordnungen erlassen.

In Sachsen und in Thüringen wird versucht, rein naturschutzfachliche Managementpläne zu erarbeiten, die aber weder rechtsverbindlich sind noch einem Abwägungsprozess unterlegen haben. Einen ähnlichen Weg geht Brandenburg mit der Übertragung der Managementplanung auf einen Naturschutzfonds. Bayern setzt auf eine abgespeckte Landesverordnung und auf Einzelverordnungen durch die Landräte. In Baden-Württemberg und in Mecklenburg-Vorpommern wird ähnlich wie bei uns eine Landesverordnung erlassen. Es gibt also durchaus eine gewisse Vielfalt an Lösungsansätzen zur Umsetzung von Natura 2000.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich in der vergangenen Wahlperiode im Jahr 2014 dafür entschieden, das Schutzgebietsnetz Natura 2000 durch eine Landesverordnung umzusetzen. Alternativen dazu hätte es, wie es andere Länder zeigen, durchaus gegeben. Ich denke aber, unter den Gesichtspunkten Zeitdruck, Rechtssicherheit und Aufwand war es eine gute Entscheidung, die Minister Dr. Onko Aeikens damals getroffen hat. Diese jetzt erfolgreich umzusetzen, ist ohne Zweifel eine Mammutaufgabe, die viel Fingerspitzengefühl verlangt.

Meine Damen und Herren! In der Sitzung des Umweltausschusses am 28. Februar 2018 wurde uns dargelegt, dass das Landesverwaltungsamt den intensiven Dialog mit den betroffenen Landwirten und Verbänden gesucht hat. So wurden 1 500 landwirtschaftliche Betriebe angeschrieben, von denen 600 offensichtlich der Einladung zu entsprechenden Gesprächen nachkamen. Auch wurden mit 75 Betrieben Einzelkonsultationen aufgrund der besonderen Betroffenheit durchgeführt, um Einzelvereinbarungen abzuschließen. Ich denke, dies lässt erkennen, dass es sehr umfangreiche Bemühungen gibt, die Umsetzung von Natura 2000 zum Erfolg zu führen.

Derzeit arbeiten im Landesverwaltungsamt 23 Mitarbeiter intensiv daran, dass die Landesverordnung noch in diesem Jahr dem Kabinett vorgestellt werden kann. Die im Rahmen des Beteiligungsverfahrens eingegangenen 3 500 Stellungnahmen sind gewiss kein Pappenstiel. Wir hoffen, dass die mit der Bearbeitung betrauten Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes die erforderliche Weitsicht haben, um im Rahmen der Abwägungen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mich mit Landwirten unterhalte, höre ich, dass die angestrebten Regelungen vor allem im Grünlandbereich mit großer Besorgnis gesehen werden. Die Bereitschaft, auf Lebensräume und Arten Rücksicht zu nehmen, war und ist bei den Landwirten gegeben. Bewirtschaftungsbeschränkungen mit der Landesverordnung weiter zu verschärfen, sollte das letzte Mittel sein, um die Umsetzung von Natura 2000 zu gewährleisten. Kooperationsvereinbarungen mit den Landwirten sollten Vorrang haben.

Die Landesverordnung muss berücksichtigen, dass die Bewirtschaftung der Flächen oftmals die Voraussetzung dafür ist, den Lebensraumtyp überhaupt zu erhalten. Bewirtschaftungsbe

schränkungen und Verbote dürfen nicht dazu führen, dass die landwirtschaftliche Nutzung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit aufgegeben wird. Dies schließt insbesondere die notwendige Förderung über die Agrarumweltmaßnahmen ein.

Der Natura-2000-Ausgleich darf in diesem Sinne nicht hinter den Agrarumweltmaßnahmen zurück

bleiben bzw. Agrarumweltmaßnahmen müssen auch weiterhin in Natura-2000-Gebieten möglich sein. In diesem Sinne sollen Verbote auf ein naturschutzfachlich vertretbares Niveau reduziert werden.

Meine Damen und Herren! In der Stellungnahme des Bauernverbandes wird deutlich, dass die Regelungen der Landesverordnung die Zunahme von Extremwetterereignissen nur unzureichend berücksichtigen. So muss zum Beispiel gewährleistet sein, dass bei Gewässern der ordnungsgemäße Abfluss Vorrang vor Einschränkungen der Gewässerunterhaltung hat.

Auch das generelle Verbot des Einsatzes von Schlegelmulchern in den Vogelschutzgebieten wird sehr kritisch gesehen. Der damit erreichte Schutz führt zu einer erheblichen Kostensteigerung, welche zumindest außerhalb der Brutzeit als unverhältnismäßig angesehen wird.

Das Belassungsverbot von Schnitt- und Räumgut bei der Gewässerunterhaltung ist ebenfalls mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Die Argumentation, dass die Vegetation ohnehin im Winter absterben und vor Ort bleiben würde, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Bauernverband schlägt deshalb vor, statt des Belassungsverbotes einen dem Lebenstyp gerecht werdenden differenzierten Ökoschlegelmulcher-Einsatz zu ermöglichen.

Das generelle Verbot in Natura 2000, Lagerplätze in der Qualität baulicher Anlagen, zum Beispiel für Futtermittel und Ernteprodukte, anzulegen, ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel das Vogelschutzgebiet Zerbster Land eine Fläche von 6 300 ha umfasst. Sie können sich vorstellen, dass der dortige betroffene Landwirt dann Probleme bekommt.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Lösungen maßgeschneidert sein müssen, betrifft die Stadt Magdeburg. Für die FFH-Gebiete ist im Außenbereich ein Schutzstreifen von 10 m vorgesehen. Der Stadtpark und die Flächen auf der westlichen Elbeseite, welche als geschützter Park unter Naturschutz im Sinne des Erholungsraumes stehen, gelten nach § 35 des Baugesetzbuches als Außenbereich. Der Schutzstreifen führt nun dazu, dass jegliche Veränderungen der strengeren FFHPrüfung der Naturschutzbehörde unterzogen werden müssten. Für den Stadtbereich von Magdeburg dürfte dies einen unverhältnismäßig hohen Aufwand und zugleich einen Eingriff in die Nutzungsrechte bedeuten. Es wäre sinnvoll festzulegen, dass der Schutzstreifen im Stadtgebiet von Magdeburg nicht zur Anwendung kommt.

Meine Damen und Herren! Die Liste an kritischen Punkten ist ohne Zweifel lang. Die Anzahl und auch die Tiefgründigkeit der Stellungnahmen verdeutlichen, dass hieran intensiv gearbeitet werden

muss. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es kaum möglich, Bewertungen vorzunehmen, da wir die Abwägung aus dem Beteiligungsverfahren noch nicht kennen. Auch hierbei muss gelten, dass Qualität vor Schnelligkeit geht und dass die Verwaltung für die Abarbeitung entsprechend viel Zeit hat.

Appellieren möchte ich noch einmal dahin gehend, dass Verbote nur greifen sollten, wenn keine andere Möglichkeit besteht, die Schutzziele zu erreichen, und dass dafür ein angemessener Ausgleich vorzusehen ist.

Meine Damen und Herren! Sicherlich wird uns die Natura-2000-Verordnung noch mehrfach im Parlament beschäftigen. Wir werden uns im Umweltausschuss regelmäßig über den Stand berichten lassen und darauf hinwirken, dass Natura 2000 in Sachsen-Anhalt mit der Landesverordnung erfolgreich umgesetzt wird.

Ich habe noch eine Minute Zeit. Deshalb werde ich mich in dieser Minute Frau Funke widmen - Frau Funke, wenn Sie bitte zuhören würden! 3 500 Stellungnahmen sind, denke ich, ein Zeichen für eine rege Bürgerbeteiligung und nicht so negativ, wie Sie es geäußert haben.

Was ich gar nicht verstehen kann, ist, dass Sie Ihre Merkel-muss-weg-Diskussion in diesen Zusammenhang bringen. Das ist total daneben.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der AfD)

- Hören Sie einmal zu, Frau Funke! - Einzelvereinbarungen sind kein Geschenk für die Landwirte vor Ort, sondern sie bewegen sich im Rahmen der Natura-2000-Vorgaben und im Rahmen des naturschutzrechtlichen Status. Da werden nicht irgendwelche Sonderlösungen ausgehandelt. Das haben Sie anscheinend nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der AfD)

Dann müssen Sie sich langsam darüber einig werden, was Sie wollen. Wollen Sie Naturschutz, oder wollen Sie andere Dinge, die Sie hier dargelegt haben? Ich weiß es nicht. So richtig schlau bin ich aus Ihrem Beitrag nicht geworden. Aber das muss ich wohl auch nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Barth, es gibt eine Wortmeldung von Herrn Loth. Sie können sie abwarten, müssen das aber nicht. Herr Loth hat jetzt die Chance.

Herrn Loth antworte ich immer wieder gern.

(Hannes Loth, AfD: Na ja, das wird sich zeigen!)

So, Herr Loth, bitte, wenn Ihnen der Präsident das Wort erteilt.

Das hat er jetzt getan.

Das hat er getan, wunderbar.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Umweltausschusses! Ich habe eine kurze Frage und eine Bemerkung, und zwar zu der letzten Bemerkung von Frau Funke zu der Äußerung von Frau Merkel. Natürlich ist Frau Merkel daran schuld; sie war Umweltministerin, sie hat es verschleppt, sie hat uns dahin gebracht, wo wir heute sind: in Zugzwang. Das war in Frau Funkes Rede klar und deutlich zu hören. Hören Sie bitte Frau Funke beim nächsten Mal einfach zu, dann wissen Sie auch, worum es geht.

Aber ich frage Sie als Vorsitzenden des Umweltausschusses hier auch ganz deutlich: Wie bewerten Sie die Arbeit der Verbände und der Freiwilligen, die bisher die Landschaft gepflegt haben und die Landschaft so gebaut und renaturiert haben, dass wir nach der Wende wieder wunderbare Landschaften haben, wo Erhaltungszustände auch gegeben sind? Sehen Sie sich die Antwort auf meine Kleine Anfrage zu dem Fledermausquartier im Keller der Schlossruine in Zerbst an; da wird eindeutig gesagt, dass sich dabei nicht viel ändert. Die Zahl der Fledermäuse bleibt ungefähr gleich. Aber trotzdem ist es ein FFH-Gebiet, das geschützt werden muss. Das verstehe ich einfach nicht.

Können Sie mir erklären, wie Sie die Arbeit der Verbände einschätzen?

Bitte, Herr Loth, ich bin ja schon ein paar Jahre länger in diesem Parlament. Und ich habe mich auch mit den Verbänden unterhalten, schon vor Jahren. Die Arbeit der Verbände ist sehr hoch einzuschätzen. Ich schätze sie auch sehr hoch ein. Sie werden auch nach wie vor eine große Rolle bei uns in Sachsen-Anhalt spielen.

Die Einwände, die die Verbände vorbringen, werden auch berücksichtigt. Wenn Sie sich die neuen Regeln anschauen, die es jetzt für die Errichtung von Windkraftanlagen gibt, dann finden sich die Verbände darin wieder. - Danke.

In Ordnung. - Damit ist dieser Debattenbeitrag beendet. Für die Fraktion DIE LINKE hat nunmehr der Abg. Herr Lange das Wort.