Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Tillschneider, mal ganz ehrlich: Ist dieser Antrag in einer burschenschaftlichen Bierlaune entstanden,
oder haben Sie eine Wette verloren und sich dazu verpflichtet, hier möglichst billige Polemik darzubieten? Oder stand ein Antrag zur Kita auf der Agenda der AfD und Sie mussten sich irgendetwas aus den Fingern saugen?
Ich habe selten so einen Schwachsinn gehört wie das, was ich eben hier ertragen musste, ganz ehrlich.
Ich befürchte nach Ihrer Einbringungsrede, dass Sie das alles sogar noch ernst meinen. Das ist das, was es richtig bitter macht.
Sie scheinen tatsächlich zu glauben, das Bildungsprogramm steht ein für einen Bildungsbegriff, der diesen als reine Selbstverwirklichung betrachtet. Dafür beziehen Sie sich auf ein kurzes Zitat, nämlich: Das Kind wird nicht gebildet, es bildet sich selbst. Ich habe noch dreimal darüber nachgedacht, aber im Grunde meint dieser Satz nicht viel anderes als das, was Sie selbst in Ihrer Begründung zwei Sätze später schreiben.
Dort schreiben Sie nämlich: „Bildung besteht in der Aneignung von Bildungsgegenständen, die zunächst fremd sind. Diese Aneignung ist Geistesarbeit.“ - Nichts anderes meint das Bildungsprogramm, genau so.
Bildung ist aktive Aneignung durch Geistesarbeit des Kindes. Es bildet sich also selbst. Im Grunde - das ist ja das Traurige
Aber wenn man Ihre heutige Rede hört, dann wird klar, dass Ihr Antrag nur in Bausch und Bogen abgelehnt werden kann.
Das zeigt auch der letzte Abschnitt Ihrer Begründung. Waren Sie schon einmal selbst in einer Kita hier im Land?
(Monika Hohmann, DIE LINKE: Bloß nicht! - Oh! bei der AfD - Sebastian Striegel, GRÜ- NE: Rechtsextremisten aus Kitas fernhal- ten!)
Ich bin regelmäßig in jedem Quartal einen ganzen Tag lang in der Kita und mache dort einen Praktikumstag. Ich kenne keine Kita, in der Kinder verwahrlosen. Ich kenne keine Kita, in der Kinder sich selbst überlassen werden, und schon gar nicht, weil die Erzieherinnen und Erzieher sich einem falschen Bildungsprogramm verpflichtet fühlen.
Und das Schlimme ist: Sie diskreditieren mit diesem Antrag und mit Ihrem Auftritt sämtliche Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land, die sich tagtäglich unter schwierigsten Bedingungen - wir arbeiten daran, dass es besser wird - für unsere Kinder einsetzen. Das ist sträflich.
Sie versuchen zudem, die Reputation der Verfasserinnen und Verfasser des Bildungsprogramms zu beschädigen. Aber ganz ehrlich: Mit einem Rückgriff auf das Ministerium für Volksbildung in der DDR und mit einem Rückgriff auf autoritäre Frontalerziehung werden Sie das nicht schaffen.
Lassen Sie mich zum Abschluss aus dem Bildungsprogramm zitieren; denn ich denke, das spricht für sich:
„Je reichhaltiger die Umwelt des Kindes ist, desto vielfältiger sind die Eindrücke und komplexer die Bildungsprozesse.
Kinder entwickeln Erkenntnisse und Deutungen von der Welt auch gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften. Diese orientieren sich dabei an den Themen und Interessen, Bedürfnissen und Fähigkeiten der Kinder. Pädagogische Fachkräfte teilen ihr Wissen mit den Kindern und stellen ihnen ihre Kompetenzen zur Verfügung.“
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Lüddemann für die Ausführungen. - Für die AfD hat noch einmal der Abg. Herr Dr. Tillschneider das - -
- Oh, das habe ich übersehen. Entschuldigung! Jetzt sehe ich es. Ich dachte, Sie wollen sich zu Wort melden.
(Dr. Verena Späthe, SPD: Nach Herrn Till- schneiders Meinung müssten Sie in die Bil- dung - elementar!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie wir eben hörten, möchte die AfD gern das Bildungsprogramm „Bildung: elementar“ in unseren Kitas einer eingehenden Prüfung unterziehen und es neu ausrichten; denn in ihrem Antrag unterstellt sie, das Programm „Bildung: elementar“ sei nur Selbstverwirklichung der Kinder. Sie fordert umfassende allgemeingültige Lehrpläne für das Vorschulalter.
Herr Dr. Tillschneider, mit Ihrem Antrag und noch mehr mit Ihrer Rede machen Sie deutlich, welche Art und Weise von Bildung Sie wollen: eine autoritäre.
Kinder dürfen und sollen bei Ihnen nicht sie selbst sein, sondern sie sollen von einer erwachsenen - wie es bei Ihnen heißt - Führung durch Autorität angeleitet werden und deren Anweisungen und Befehlen gehorchen. Die Wünsche und Bedürfnisse von Kindern spielen bei Ihnen keine Rolle; denn Sie denken bei der Erziehung von sich aus und eben nicht vom Kind aus.
Kinder haben ein Recht auf ihre Person, auf Mitbestimmung, auf Teilhabe und eine ihren Bedürfnissen entsprechende Erziehung und Bildung. Frühkindliche Bildung ist für alle Kinder die Grundlage der Erziehung zu mündigen, selbstbewussten und reflektierenden Bürgerinnen und Bürgern, die eben nicht nur sich selbst, sondern auch andere achten und respektieren.
nicht gebildet, sie bilden sich selbst.“ Das heißt, Bildungsprozesse sind individuell und nicht vorhersehbar. Kinder verarbeiten Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie in solchen Beziehungen gewonnen haben, auf ihre eigene Art. So greifen individuelle und gemeinsame Bildungsprozesse ineinander, regen sich gegenseitig an und sind nicht unabhängig voneinander zu denken.
Und ja, für und während dieser Bildungsprozesse brauchen die Kinder selbstverständlich Anleitung und Führung der pädagogischen Mitarbeiter in den Kitas, aber eben auch ihrer Eltern.
Herr Tillschneider, die Art der Erziehung, die Sie wollen, hatten wir in der deutschen Geschichte schon mehrfach, eine autoritäre Erziehung zu blindem Gehorsam. Wohin dieser führt, das wissen wir nur zu genau. Wir lehnen dies nicht nur ab, sondern wir werden es nicht zulassen,