Protocol of the Session on March 9, 2018

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 7/2402

Einbringer für die Landesregierung ist Innenminister Herr Stahlknecht. Bevor er seine Rede beginnt, begrüßen wir ganz herzlich Damen und Herren der Kreishandwerkerschaft des Landkreises Wittenberg auf unserer Besuchertribüne.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, herzlichen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Ihnen vorliegenden Gesetzesänderung soll zunächst das polizeiliche Instrument der Meldeauflage zu einer ausdrücklich geregelten polizeilichen Standardmaßnahme weiterentwickelt werden.

Bislang wurde dieses häufig insbesondere im Vorfeld von Fußballspielen angewandt und wurde auf

die polizeiliche Befugnisgeneralklausel gestützt. Daher konnten Zuwiderhandlungen gegen Meldeauflagen auch nicht als Ordnungswidrigkeit verfolgt und geahndet werden. Dies ist unsystematisch; denn die Zuwiderhandlung gegen einen Platzverweis als vergleichbare polizeiliche Maßnahme ist mit einem Bußgeld bewehrt.

Da eine längerfristige Meldeauflage einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellt, sieht der Gesetzentwurf hierfür einen Richtervorbehalt vor. Mit dieser scheinbar kleinen Anpassung wird nach einer ausgiebigen Praxiserprobung wieder ein Schritt hin zur Entwicklung eines modernen Gefahrenabwehrgesetzes getan; denn eine bestehende polizeiliche Befugnis wird konsequenter nutzbar.

In der Anhörung im Rahmen der Kabinettsbefassung wurde die mögliche Anordnungsdauer von bis zu einem Monat ohne Beteiligung eines Richters von einer Berufsinteressenvertretung als zu kurz angesehen, von dem Landesbeauftragten für den Datenschutz hingegen als zu weitgehend.

Aus meiner Sicht berücksichtigt der vorliegende Regelungsvorbehalt sehr ausgewogen das verfolgte Ziel, die Verhütung von Straftaten, und ermöglicht die dafür notwendigen Eingriffe in die Grundrechte auf allgemeine Handlungsfreiheit und Freizügigkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Darüber hinaus soll mit dem Gesetzentwurf das polizeiliche Instrument des Aufenthaltsverbots zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten weiterentwickelt werden.

Zur Verhütung von terroristischen Straftaten sollen eine Aufenthaltsanordnung sowie ein Kontaktverbot eingeführt werden. Hiermit wird eine Lücke geschlossen. Zurzeit können solche Straftaten nur dann auf der Grundlage des Bundesrechts mit geeigneten Mitteln wirksam bekämpft werden, wenn das Bundeskriminalamt oder eine Ausländerbehörde tätig werden oder eine Weisung zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung im Rahmen der Führungsaufsicht in Betracht kommt. Das Bundeskriminalamt kann aber nur tätig werden, wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht.

Der von Maßnahmen der Ausländerbehörde betroffene Personenkreis ist auf ausreisepflichtige Ausländer beschränkt. Die entsprechenden maßregelrechtlichen Regelungen finden nur dann Anwendung, wenn die letzte Anlasstat nach dem 30. Juni 2017 begangen worden ist.

Aufenthaltsgebote und -verbote sowie Kontaktverbote zur vorbeugenden Bekämpfung von terro

ristischen Straftaten müssen jedoch auch hinreichend überwachbar sein. Deshalb soll die Polizei ermächtigt werden, einen Handlungsstörer zu verpflichten, eine sogenannte Fußfessel zur Standortermittlung und Datenübertragung an die Polizei in einem ständig betriebsbereiten Zustand zu führen.

Die im Polizeirecht bereits vorhandenen und vom Landesverfassungsgericht überprüften Befugnisse zur verdeckten Erhebung von Telekommunikations- oder Telemedienbestandsdaten oder Telekommunikationsinhalten oder -umständen sollen zudem zukünftig auch zur offenen Überwachung von Aufenthaltsgeboten und -verboten sowie Kontaktverboten eingesetzt werden dürfen.

Nach Ansicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz sollte die Telekommunikationsüberwachung jedoch ausschließlich auf die Überwachung von Kontaktverboten beschränkt sein. Ich denke, dass die Telekommunikationsüberwachung neben anderen polizeilichen Maßnahmen einen nicht unerheblichen Beitrag auch zur Überwachung von Aufenthaltsanordnungen leisten kann und daher unverzichtbar ist.

Die sogenannte Fußfessel ist im Rahmen der Führungsaufsicht hinreichend erprobt. Ob die dort gewonnenen Erkenntnisse auf den Bereich der Verhütung terroristischer Straftaten übertragbar sind, wird kontrovers diskutiert. In der Anhörung zu dem Gesetzentwurf wurden hiergegen die meisten Bedenken geltend gemacht.

Aus diesem Grund enthält der Gesetzentwurf für diese Überwachungstechnik und den erstmals in das Polizeirecht des Landes aufgenommenen Straftatbestand eine Befristung. Eine dreijährige Erprobungszeit dürfte genügen, um praktische Erfahrungen für eine umfassende Überprüfung zu liefern.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie, diesen Gesetzentwurf in die von Ihnen ausgewählten Ausschüsse zu überweisen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke. Ich sehe keine Fragen. - Damit können wir in die Fünfminutendebatte einsteigen. Für die Fraktion der AfD spricht der Abg. Herr Kohl. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur vorbeugenden Bekämpfung von terroristischen Straftaten soll die Polizei mit einer Änderung des SOG unter anderem er

mächtigt werden, einen Handlungsstörer zum Tragen einer sogenannten Fußfessel zu verpflichten.

Wenn eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr ergriffen wird, dann muss diese natürlich auch dazu geeignet sein. Natürlich ist es richtig, dass der deutsche Staat Gefährder wie etwa Rückkehrer aus den IS-Kampfgebieten überwacht. Die entscheidende Frage ist nur, auf welche Weise die Überwachung erfolgen soll. Reicht eine Fußfessel aus, um einen potenziellen Terroristen davon abzuhalten, in eine Menschenmenge zu fahren oder einen Messer-Dschihad zu begehen?

Da es sich bei der Fußfessel nur um einen GPSSender handelt, der lediglich die Standortdaten übermittelt, sind Zweifel an dessen Geeignetheit mehr als berechtigt und werden im Übrigen auch von Vertretern aus dem Lager der Regierungsparteien, der CDU, der SPD und der GRÜNEN, geteilt.

Es wurde nachweislich schon eine Reihe von Verbrechen von Fußfesselträgern begangen; diese kann ich hier aus Zeitgründen nicht aufzählen. Ich möchte aber einen Vorgang erwähnen, der die völlige Wirkungslosigkeit der Fußfessel bei Gefährdern verdeutlicht.

Oktober 2017 in Hamburg. Ein als besonders gefährlich eingestufter Islamist ging mit einer elektronischen Fußfessel durch die Sicherheitskontrollen im Hamburger Flughafen und flog nach Athen, von wo er sich vermutlich ins syrisch-türkische Grenzgebiet bewegte. Da eine Kontrolle mittels Fußfessel im Ausland nicht gestattet ist, wurde das Signal jedoch abgestellt. Inzwischen ist der Gefährder nicht mehr auffindbar.

Nun könnte man natürlich sagen: Na, ist doch schön, wir haben einen Gefährder weniger. Aber man muss sich das einmal vorstellen: Da geht also ein als äußerst gefährlich eingestufter Mensch mit einer Fußfessel durch die Sicherheitsschleuse im Flughafen und steigt in eine Passagiermaschine. Was solche Personen in bzw. mit einem Flugzeug anrichten können, wissen wir seit dem 11. September 2001.

Das zeigt in erschreckender Weise, wie wirkungslos die Fußfessel als Instrument der Gefahrenabwehr ist. Auch ein entlassener Straftäter kann, wenn er rückfällig wird, eine Straftat begehen, und die Fußfessel kann das nicht verhindern. Ein radikalisierter Extremist, der fest entschlossen ist, eine schwere Straftat zu verüben, wird sich durch einen Sender am Fuß nicht davon abhalten lassen. Selbst wenn man dann noch eine Auflage draufpackt und sagt, er dürfe sich keinem Bahnhof oder Flughafen nähern, würde das nicht helfen; denn dann würde er sich ein anderes weiches Ziel aussuchen, zum Beispiel ein Einkaufszentrum, und dort zuschlagen.

Die Fußfessel ersetzt die Polizeiarbeit nicht. Sie könnte theoretisch Sinn machen - theoretisch! -, wenn es jemanden gäbe, der die GPS-Daten zeitnah und sinnvoll auswertet und im Notfall unmittelbar eingreift. In der Praxis ist das aber nicht leistbar.

Die Fußfessel könnte unter Umständen sogar für weniger Sicherheit sorgen; denn die Polizei wird lieber einmal mehr das Tragen der Fußfessel anordnen, um sich im Falle eines Falles kein Versagen vorwerfen lassen zu müssen. Dann wird möglicherweise im Einzelfall auf eine verdeckte Ermittlung verzichtet, obwohl diese vielleicht zielführender oder erfolgversprechender wäre.

Die Fußfessel suggeriert Sicherheit, macht aber keinen Eindruck auf potenzielle Attentäter. Eine wirklich wirksame Maßnahme gegen die Terrorbedrohung wäre die konsequente und sofortige Abschiebehaft für ausländische Gefährder. Das würde unser Land schon ein gutes Stück sicherer machen.

(Beifall bei der AfD)

Trotz aller Skepsis freue ich mich schon auf die Beratung im Innenausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Für die Fraktion der SPD spricht der Abg. Herr Erben.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor Kurzem las ich den Beitrag eines erfahrenen Terrorismusbekämpfers aus Belgien. Er hat seine Aufgabe auf den Punkt gebracht mit den Worten: Ein Terrorist braucht nur einmal Glück zu haben, wir brauchen es immer. Was meint er damit in Bezug auf die Verhinderung von Terroranschlägen? - Wir müssen natürlich den Richtigen im Blick haben, und wir müssen wissen, was er tut und was er vorhat.

An einer Stelle möchte ich meinem Vorredner ausdrücklich widersprechen: Es gibt nicht das eine Instrument. Wenn es die eine Befugnis gäbe, mit der wir Terroranschläge in diesem Lande sicher verhindern könnten, dann hätten wir sie längst in unser Polizeirecht geschrieben und dann wäre sie erfolgreich.

Aber es gibt natürlich den Instrumentenkasten und den brauchen wir. In diesen Instrumentenkasten gehört als eine wirksame Maßnahme auch die elektronische Aufenthaltsermittlung, gemeinhin elektronische Fußfessel genannt.

Wir haben die - so möchte ich das einmal sagen - verrückte Situation, dass wir im BKA-Gesetz seit einiger Zeit eine solche Regelung haben. Man

stelle sich die Situation vor, dass am Ende ein Handeln nicht möglich ist, weil das BKA-Gesetz nicht anwendbar ist, weil das BKA für diesen Gefährder nicht zuständig ist, wir aber diese Gesetzesnorm als Befugnisnorm nicht in unserem Polizeirecht haben. Und allein deswegen, nämlich um das in den Instrumentenkasten zu legen, brauchen wir die Änderung des SOG. Mir ist völlig klar, dass das - ich habe es bereits betont - eben kein Allheilmittel ist, sondern ein wichtiger Baustein.

Daneben begrüßen wir ausdrücklich für die polizeiliche Praxis die gesetzliche Normierung der Meldeauflage. Wir wissen, dass die polizeiliche Generalklausel allein vermutlich nicht ausreicht, um das rechtssicher zu tun. Deswegen ist es konsequent, unser Polizeirecht an dieser Stelle nachzuschärfen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Innenausschuss und, da elektronische Fußfesseln auch Geld kosten, auch im Finanzausschuss. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Dr. Kat- ja Pähle, SPD)

Herr Erben, es gibt eine Nachfrage oder eine Intervention von Herrn Roi.

(Rüdiger Erben, SPD, begibt sich auf sei- nen Platz in den Abgeordnetenbänken)

Herr Roi, haben Sie eine Frage oder einer Intervention?

(Daniel Roi, AfD: Eine Frage!)

- Eine Frage. - Herr Erben, Herr Roi hat eine Frage.

(Rüdiger Erben, SPD, begibt sich zum Red- nerpult)