Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! In einer lebendigen Demokratie bedarf es einer möglichst umfassenden Beteiligung von Frauen und Männern gleichermaßen sowohl in politischen als auch in wirtschaftlichen und sozialen Belangen. Wo also liegt das Problem?
Ich bin der Meinung, ein Grundproblem liegt in der Perspektive, mit der wir uns jeweils als Frauen und Männer dem Anspruch auf Geschlechtergerechtigkeit in der Politik nähern. Gerade meine Partei, die CDU, ist sehr gespalten in dieser Diskussion, und dies betrifft sowohl Frauen als auch Männer, das möchte ich ausdrücklich sagen. Von der strikten Forderung nach einer Quote bei allen Wahllisten von der kommunalen Ebene an bis zu der Forderung „Wenn Frauen ein Mandat wollen, müssen sie sich eben bewerben, und wenn sie gut genug sind, haben sie alle Chancen“ reicht die inhaltliche Palette. Parité-Gesetz, Quoren, Selbstverpflichtung sowie das Ignorieren ergänzen das Spektrum. Es herrscht hierzu innerhalb der einzelnen Gremien - noch - keine Einigkeit, unabhängig von der von Frau Ministerin Keding aufgezeigten offiziellen Linie des Koalitionsvertrages.
Zum Problem gehört, dass viele gestandene Frauen ausdrücklich keine Quotenfrauen sein wollen - ich auch nicht -, sondern sich gleichberechtigt mit Männern messen wollen und nicht mit dem Makel herumlaufen wollen, allein ihr Geschlecht hätte den Ausschlag gegeben und sonst gar nischt - wie man hier bei uns in SachsenAnhalt sagt. Dazu würde aber gehören, dass diese Frauen dann bei Wahlen aufgrund ihrer Kompetenz oder ihrer Persönlichkeit - oder beidem - auch gleichberechtigte Chancen haben sollten, gewählt zu werden, und zwar von Frauen und Männern.
Ob die derzeitigen Strukturen im politischen Geschäft - so will ich es einmal nennen -, wo es nicht zuletzt um Macht und Einfluss geht, die freiwillige und selbstverständliche Wahl von Frauen ohne Weiteres zulassen, möchte ich bezweifeln. Spielen sich diese Prozesse im gleißenden Licht der Öffentlichkeit ab, wie derzeit bei der Regierungsbildung in Berlin, ist das Bewusstsein für eine positive Entwicklung im Sinne von gleichberech
Lassen Sie uns also weiter hoffen und vor allem daran arbeiten, dass wir im Land Sachsen-Anhalt durch intensive Diskussionen Lösungswege
gegen die Benachteiligung von Frauen entwickeln, die dann hoffentlich auch gesellschaftliche Akzeptanz finden. Ein sichtbares Zeichen wären deutlich mehr Frauen im Parlament der achten Wahlperiode; Frau Präsidentin Brakebusch sagte es bereits.
Zum Ende meiner Rede möchte ich daher an Frauen jeden Alters appellieren: Trauen Sie sich etwas zu und kämpfen Sie für Ihre Rechte; denn - da halte ich es mit der bayerischen Abg. Käthe Strobel - Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte. Im Übrigen, sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, wünsche ich mir, dass beim nächsten Männerthema auch eine solche Heiterkeit herrscht wie heute hier. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abg. Gorr. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages in Bezug auf die Aktuelle Debatte nicht gefasst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir den angekündigten Wechsel durchgeführt haben, rufe ich das dritte Thema auf:
Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: GRÜNE, DIE LINKE, AfD, SPD und CDU. Zunächst hat die Antragstellerin BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Diese Aktuelle Debatte ist natürlich kaum von dem zu trennen, was wir im ersten Tagesordnungspunkt unter dem Stichwort Dieselfahrverbote debattiert haben; denn systemimmanent ist, dass wir in Deutschland viel zu lange auf die völlig falschen Pferde gesetzt haben,
nämlich zunehmende PS-Zahlen in immer mehr und immer größeren Autos. Mit den Folgen wollen und können viele Menschen in diesem Land nicht mehr leben: verstopfte und luftverschmutzte Städte, Parkplatzprobleme, zu wenig Geld für ÖPNV und desolate Radinfrastruktur. Dass der ziemlich offensichtliche Versuch der geschäftsführenden Bundesregierung, völlig substanz- und planlos den ticketfreien ÖPNV ins Spiel zu bringen, nur von eigenen Verfehlungen und eigener Untätigkeit ablenken sollte, dürfte klar sein. Wir GRÜNEN wollen aber die dadurch ausgelöste bundesweit geführte Debatte über den Wert des ÖPNV, über Möglichkeiten, ihn kundenfreundlicher zu gestalten, auch für Sachsen-Anhalt nutzen.
Neben bundeseinheitlichen Regelungen - Stichwort: blaue bzw. hellblaue, wie es jetzt ins Spiel gebracht wurde, Plakette - müssen Dieselfahrzeuge technisch nachgerüstet werden, keine Frage, und selbstverständlich auf Kosten der Hersteller. Hierbei gilt ganz klar das Verursacherprinzip: Wer sich vielleicht erst vor kurzer Zeit ein Dieselfahrzeug gekauft hat - im guten Glauben an die Versprechen der hochheiligen Autoindustrie -, darf auf keinen Fall dafür bestraft werden.
schnell und auf Kosten der Autoindustrie - auf wessen Kosten auch sonst, wie Herr Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, so treffend formulierte.
Die Allgemeinheit soll nicht ausbaden, was im Bundesverkehrsministerium über Jahre verbockt bzw. ignoriert wurde. Jahrelang war man auf Bundesebene untätig in Sachen Luftreinhaltung und
Noch einmal zur Begriffsklärung: Es geht uns nicht um fahrscheinlosen ÖPNV. Diesen haben wir auch in Sachsen-Anhalt schon: Handytickets und anderes. Das ist auch begrüßenswert. Ticketfrei meint an dieser Stelle kostenfrei. Ich halte den ticketfreien Nahverkehr unter diesem Punkt für eines der spannendsten politischen Vorhaben aktuell, weil er neben dem ökologischen Aspekt auch klar sozialpolitische Implikationen hat. Damit steht der ticketfreie Nahverkehr wie keine andere Idee für eine sozialökologische Wende und ist Inbegriff für einen grünen Strukturwandel.
Zum Sozialaspekt des ticketfreien Nahverkehrs reicht eigentlich die Gegenüberstellung der Kosten für ein Monatsticket und den Mobilitätsanteil im Hartz-IV-Satz. Dort sind nämlich aktuell für Mobilität 34,66 € vorgesehen. Sie werden wissen - oder möglicherweise auch nicht -, dass eine Monatskarte in Magdeburg 41 oder 47 € kostet, in Dessau-Roßlau 48 €, in Anhalt-Bitterfeld in der ersten Zone 41,90 €, im MDV-Grundtarif 61,70 € - und das dürfte vermutlich im Bundesvergleich noch günstig sein.
Dass der ÖPNV für Menschen in Armutslagen zu teuer ist, davon künden aber auch die hohen Zahlen an Gefängnisinsassen wegen Schwarzfahrens. Bundesweit sitzen nach Angaben der Landesregierung von NRW rund 5 000 Menschen deshalb im Gefängnis; das sind 8 %.
Auch für Familien würde der ticketfreie Nahverkehr diesen wieder attraktiv machen. Zurzeit zahlt eine fünfköpfige Familie in Magdeburg für eine einfache Fahrt im Stadtgebiet 14 €. Dagegen ist der Einstieg ins Familienauto deutlich günstiger. So kann es mit dem ÖPNV nicht funktionieren.
Klar ist natürlich auch, dass neben der Ticket- und damit Kostenfreiheit der ÖPNV - das ist Entscheidende - so nachfrageorientiert sowie kunden- und nutzerfreundlich sein muss, dass es tatsächlich attraktiv ist, noch mehr Menschen als bisher den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV nahezubringen.
Wir brauchen ganz klar eine enge und verlässliche Taktung, Tag und Nacht, sichere und auch flexiblere Haltestellen, zum Beispiel unter Nutzung von On-Demand-Systemen; wir brauchen ferner einfache Bezahlsysteme, mehr Verkehrsverbünde und natürlich auch hier den Umstieg auf abgasfreie Busse oder Bahnen.
Egal, was kommt: Quasi aus Versehen ist eine Debatte über die Finanzierung des ÖPNV angestoßen worden, aber auch - dies ist fast noch wichtiger; denn nur mit mehr Qualität werden wir auch mehr Menschen in den ÖPNV bekommen - über den Wert und die Wirkung von ÖPNV. Das
wird nicht rückholbar sein, und es sind auch zahlreiche praktikable oder zumindest interessante Vorschläge in die Debatte eingebracht worden.
Ich kann berichten, dass sich auch meine Fraktion hieran aktiv beteiligt: In Zusammenarbeit mit anderen bündnisgrünen Fraktionen und der bündnisgrünen Bundestagsfraktion haben wir eine Studie auf den Weg gebracht, die untersuchen wird, wie der ÖPNV durch den Einsatz autonomer Fahrzeuge gestärkt werden kann.
Auf meine Initiative hin wird dort insbesondere der ländliche Raum in den Blick genommen. Wir wollen untersuchen, ob man durch autonome Fahrzeuge den Weg von der eigenen Häuslichkeit bis zur Schnittstelle des ÖPNV erleichtern kann, sodass die Menschen gar nicht erst ins Auto steigen; denn es ist wohl nachvollziehbar, dass man, wenn man erst einmal im Auto sitzt, auch gerne bis zum Endpunkt fährt.
Wir müssen als Politik, damit wir das viele Geld, das wir ja jetzt schon in den ÖPNV investieren, sinnvoll investieren, noch mehr Menschen in diese öffentlich subventionierten Fahrzeuge bekommen.
In den Städten liegt das Potenzial des ticketfreien Nahverkehrs und eines besseren ÖPNV natürlich neben der steigenden Nachfrage auch in der Reduzierung des Individualverkehrs und somit in der Senkung der Schadstoffbelastung. Zu Recht wird auf die Erfahrungen in anderen Ländern verwiesen. Eine schlagartige Erhöhung der Nachfrage in Stoßzeiten wird nicht funktionieren - natürlich betrifft dies bei uns ehrlicherweise hauptsächlich Magdeburg und Halle -, schon aus Kostengründen. Das Angebot muss schrittweise erweitert werden; ich sprach schon eine klare und häufige Taktung und die sichere Abdeckung von Randverkehrszeiten an.
Beliebt ist auch das Beispiel der Stadt Wien, wo der Nahverkehr seit Jahrzehnten konsequent ausgebaut wird und eine Jahreskarte einen Euro pro Tag kostet. Im Internet finden sich bereits zahlreiche Petitionen, die Ähnliches für deutsche Städte fordern. Das ist ein weiteres Beispiel, wie leidenschaftlich und kreativ die aktuelle Debatte zur Gestaltung von Nahverkehr und zu Bussen und Bahnen geführt wird.
Um ticketfreien Nahverkehr abzulehnen oder den ÖPNV-Ausbau infrage zu stellen, wird am häufigsten das Kostenargument bemüht. Das verfängt vor allem deswegen, weil die durch die öffentliche Hand für den ÖPNV zu erbringenden Kosten sehr klar zu beziffern und im Haushalt sehr klar abgegrenzt sind. Die Ausgaben für den Autoverkehr sind dagegen in vielen Töpfen versteckt und zum Teil, beispielsweise bei den Gesundheitskosten,