Protocol of the Session on March 8, 2018

Das war die Berichterstattung. Dazu sehe ich keine Nachfragen. - Für die Landesregierung hat der Minister Herr Stahlknecht das Wort. Ich erinnere daran, dass zu dem Tagesordnungspunkt eine Dreiminutendebatte vereinbart worden ist.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach neuester Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 6. Dezember des Jahres 2016 weist das ungarische Asylsystem derzeit systematische und systemische Schwachstellen auf.

Asylsuchende können in Ungarn keine materielle Überprüfung ihres Asylgesuches erreichen. Sie müssen vielmehr damit rechnen, ohne materielle Prüfung in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden.

Damit bestünde das reale Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der EU-Grundrechtscharta bzw. Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Am 28. März traten zudem nach Informationen des Bundes Änderungen des ungarischen Asylgesetzes in Kraft, die eine Unterbringung aller Asyl

bewerber in geschlossenen Einrichtungen in der Transitzone an der Staatsgrenze vorsehen.

Das Bundesministerium des Inneren hat deshalb das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angewiesen, dass für Neuverfahren ab dem 10. April letzten Jahres vor einer Überstellung nach Ungarn eine Zusicherung der ungarischen Stelle einzuholen ist, wonach die aus Deutschland zu überstellenden Personen im Dublin-Verfahren entsprechend den europarechtlichen Vorgaben der EUAufnahmerichtlinie untergebracht werden und das Asylverfahren gemäß der EU-Asylverfahrensrichtlinie bearbeitet wird.

Die Entscheidung, ob Überstellungen in einen anderen Mitgliedstaat der EU erfolgen dürfen, nimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor. Die Ausländerbehörden der Länder haben im Rahmen von Dublin-Überstellungen keine inhaltliche Prüfungskompetenz, sondern lediglich eine Vollzugsfunktion.

Faktisch führt die momentane Situation dazu, dass derzeit keine Überstellungen von SachsenAnhalt nach Ungarn mehr erfolgen können, weil die ungarische Seite die europarechtlichen Vorgaben nicht einhält bzw. entsprechende Zusicherungen nicht abgegeben hat. Insofern ist es Aufgabe des Bundes, über die EU direkt mit der ungarischen Seite zu klären, dass EU-Recht eingehalten wird und eine den rechtlichen Standards entsprechende Unterbringung sowie Bearbeitung der Asylverfahren vorzunehmen ist. Nur dadurch kann eine rechtskonforme und lastengerechte Verteilung von Asylsuchenden zwischen den EUStaaten gewährleistet werden. Hierfür werden wir uns einsetzen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Minister. Ich sehe keine Fragen. - Wir können in die Dreiminutendebatte der Fraktionen eintreten. Für die AfD-Fraktion hat der Abg. Herr Kirchner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Die Fraktion DIE LINKE beantragte, die Dublin-Überstellungen nach Ungarn auszusetzen und dem Aufruf von Filippo Grandi, seines Zeichens UN-Flüchtlingskommissar, zu folgen. So weit, so sinnlos.

Die Bundesregierung teilte der LINKEN-Abgeordneten Ulla Jelpke allerdings in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage bereits im April 2017 mit, Prüfungen hätten ergeben, dass Abschiebungen nur noch sehr eingeschränkt möglich seien. Spätestens seit dem 11. April 2017 ist kein Geflüchteter mehr von Deutschland aus nach Ungarn zurückgeschickt worden.

Ihr Antrag ist damit genauso überflüssig wie das Weltbild, welches sich hinter Ihrer volksabschaffenden Weltanschauung verbirgt.

(Beifall bei der AfD)

Mit Ihren Inszenierungsblasen und Ihren Mogelpackungsanträgen zeigen Sie, werte LINKE, in Reinkultur, wes Geistes Kind Sie sind. Und Aussagen von Wulf Gallert in diesem Hohen Haus hier, wie zum Beispiel, die Dublin-III-Verfahren schaffen eine Perspektive, die in ungarischen Konzentrationslagern enden kann oder in griechischen Lagern, deren Rahmenbedingungen keinen Deut besser sind, offenbaren die gesamte politische Verbohrtheit Ihrer Partei.

(Beifall bei der AfD)

Werte Abgeordnete, wir lernen also, in Ungarn, einem EU-Mitgliedsstaat, gibt es wieder Konzentrationslager, und in Griechenland gibt es Rahmenbedingungen, unter denen es auch fast wieder Konzentrationslager gibt.

Das, werte Abgeordnete, ist eine Verharmlosung der NS-Zeit in Reinkultur durch LINKE-Ideologie. Damit tritt man auf den Seelen der Opfer dieser Zeit herum und macht sich außenpolitisch wirklich lächerlich.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Dass die Unterbringung in ungarischen Flüchtlingsunterkünften in ihrer Qualität den meisten Flüchtlingscamps oder den Wohnstätten einiger Herkunftsländer voraus ist, verschweigen LINKE wie immer sehr gerne, vermutlich aus dem Grund, sich von der Wirklichkeit keines Besseren belehren lassen zu müssen.

Ihr Problem als Linkspartei ist auch nicht das vorgebliche Ringen um humanitäre Unterbringung von sogenannten Asylbewerbern. Sie wünschen die Abschaffung der Nationalstaaten an sich. Darum ziehen Sie gegen jeden Staat ins Feld, der seine eigenen Interessen oder die Interessen seiner Bürger verteidigt. Der selbstbestimmte demokratische Rechtsstaat ist Ihnen ein Dorn im Auge. Die Auflösung des Staates und die Auflösung unseres Volkes sind Ihr perfides Ziel.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass sich diejenigen Personen, die sich aufgrund des Dublin-Abkommens in Deutschland aufhalten, es widerrechtlich tun. Die Maßnahmen in Ungarn sind durchaus geeignet und geboten, der Krise, in die uns die Kanzlerin der Raute im Einverständnis mit linken Fantasten und Asylprofiteuren gestürzt hat, zu begegnen.

Anstatt den rechtsstaatlichen Umgang der Ungarn mit der Asylkrise zu diffamieren, sollten wir uns ein Beispiel daran nehmen und diesen Schaufensterantrag der LINKEN ablehnen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Nachfragen dazu. Deswegen spricht nun für die SPD-Fraktion der Abg. Herr Erben.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werbe an dieser Stelle für die Annahme der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport, die mit sehr breiter Mehrheit, bei Ablehnung der AfD-Fraktion, gefasst worden ist. Denn sie stellt klar fest, dass es zurzeit in Ungarn kein EU-rechtskonformes Asylsystem gibt und deswegen auch eine DublinÜberstellung von Flüchtlingen dorthin nicht möglich ist. Sie formuliert klar die Erwartung, dass die Bundesregierung darauf drängt, dass es in Ungarn eben ein solches EU-rechtskonformes Asylverfahren gibt. Das ist Inhalt unserer Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss, für deren Annahme ich werbe. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Quade.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nichts, aber auch gar nichts an der Situation in Ungarn ist, seitdem ich unseren Ursprungseintrag einbrachte, besser geworden. Asylsuchende, die Rechte haben, werden interniert und an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert. Sie werden inhaftiert, obwohl sie keine Straftaten begingen. Schutzbedürftige erhalten keinen Schutz.

Das war vor einem Jahr so. Das ist heute so. Es war so, als Sie den Antrag in den Ausschuss überweisen wollten, um ihn dort in Ruhe und gründlich zu beraten. Das war so, als Sie den Antrag liegen ließen und nichts taten. Und es ist heute so.

Dass wir eine Beschlussempfehlung haben, die die Intention unseres Antrags in wesentlichen Punkten bestätigt, vor allem aber die Zustandsbeschreibung bestätigt, zeigt, dass es ein erhebliches Problem in Ungarn gibt. Ich begrüße die Tatsache, dass wir heute eine Beschlussempfehlung haben, die zumindest von vier Fraktionen hier im Haus getragen wird. Meine Fraktion wird, wie auch im Innenausschuss, zustimmen. Allerdings, auch dieser Entscheidungsvorschlag wirft ein bezeichnendes Licht auf die politische Verfasstheit hier in diesem Hause. Denn statt einer ernsthaften Debatte im Ausschuss zogen Sie es vor, zu warten.

Tatsächlich - das haben wir gehört - sind Überstellungen nach Ungarn mittlerweile ausgesetzt. Es ist eine der letzten Entscheidungen der mittlerweile alten Bundesregierung im August gewesen. Meine Damen und Herren! Es hätte Sachsen-Anhalt wirklich gut getan, hierbei initiativ zu sein. Diese Chance haben Sie verstreichen lassen.

So sehr ich begrüße, dass wir jetzt eine Beschlussempfehlung haben, so sehr ist klar, dass eine Entscheidung in Sachsen-Anhalt nicht unmittelbar Auswirkungen auf die Geschehnisse in Ungarn hat. So klar ist aber auch, wie wichtig der Impuls vor einem Jahr gewesen wäre.

Mittlerweile hat Ungarn die Gangart gegenüber Geflüchteten sogar noch verschärft. Jetzt wird den NGO, die die Hilfsarbeit leisten, die der ungarische Staat nicht leisten will, noch zusätzlich das Leben schwer gemacht mit der antisemitischen und an die Grundfesten der Demokratie rührenden Kampagne gegen den angeblichen SorosPlan, gegen die NGO und die Menschenrechte. Jetzt sollen - beklatscht, wie wir heute gehört haben, von der AfD und rechten Gruppen europaweit - die NGO de facto ausgeschaltet werden, indem ihnen zusätzliche Steuern auferlegt werden, indem sie Aufenthaltsverbote bekommen und ihnen Lizenzen verweigert werden.

Was sich in Ungarn abspielt, meine Damen und Herren, ist für viele Menschen eine persönliche Tragödie. Es ist mit Blick auf rechtsstaatliche Prinzipien und Menschenrechte beängstigend. Es ist aber auch ein Versagen Europas. Genau das ist die Dimension, um die es geht.

Deswegen wäre es politisch sehr, sehr wichtig gewesen, eben auch einen solchen Impuls aus Sachsen-Anhalt zu haben, und zwar im letzten Jahr und nicht erst heute. Das bedauere ich. Wir werden der Beschlussempfehlung zustimmen, meine Damen und Herren.

Noch ein Wort zu Herrn Kirchner. Herr Kirchner, Sie haben wirklich deutlich gemacht, was von der inhaltlichen Distanzierung, die Ihre Fraktion hier angeblich von ihrem Chef-Rassisten Poggenburg geleistet hat, zu halten ist - nichts!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe auch hierzu keine Nachfragen. - Deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Herr Schulenburg hat für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Das Bundesinnenministerium gab gegenüber dem BAMF die Anweisung, Dublin-Überstellungen nach Ungarn nur noch dann anzuweisen, wenn die ungarische Regierung bei Übernah

meersuchen eine Zusicherung gibt, dass die zu überstellenden Personen entsprechend den Normen der europäischen Aufnahmerichtlinie untergebracht werden und ihr Asylantrag nach Maßgabe der Asylverfahrensrichtlinie bearbeitet wird. Ohne eine solche Zusicherung sollen vorerst keine Überstellungen mehr nach Ungarn erfolgen, so das Bundesinnenministerium.

Es ist und bleibt Aufgabe des Bundes, genau solche Entscheidungen zu treffen. Das ist nicht Aufgabe des Landes Sachsen-Anhalt. Im Umkehrschluss wird der Bund in regelmäßigen Abständen prüfen, ob die Voraussetzungen generell wieder vorliegen und Überstellungen nach Ungarn, nicht nur in Einzelfällen, sondern in allen Fällen, wieder konsequent durchgeführt werden können.

Gerichtlich wurden systematische Schwachstellen im ungarischen Asylverfahren bestätigt, weil mit Wahrscheinlichkeit eine inhaltliche Prüfung der Asylgesuche nicht erreicht werden kann und eine unmittelbare Abschiebung zu befürchten ist.

Das ungarische Asylsystem mag theoretisch sachgerecht konzipiert sein. In der Praxis erfolgt die Bearbeitung von Asylanträgen offenbar derzeit nicht in allen Fällen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und damit nicht EU-rechtskonform. Der designierte Bundesinnenminister Horst Seehofer hat ja gute Kontakte nach Ungarn. Deshalb gehen wir davon aus, dass er sich die bestehenden Regelungen regelmäßig anschauen bzw. bilaterale Lösungen finden wird, damit auch in Zukunft Überstellungen nach Ungarn vollzogen werden können.

Ich denke, wir haben im Innenausschuss eine ordentliche Beschlussempfehlung erarbeitet und haben uns darauf geeinigt. Diese widerspiegelt letztlich auch nur die rechtliche und humanitäre Würdigung der Gesamtumstände, die der Bund angestellt hat. Deshalb bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Zum Abschluss der Debatte spricht der Abg. Herr Striegel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Niemand“ - Zitat - „darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ Niemand. Kein Deutscher, kein Ungar, kein hier Geborener und kein Geflüchteter. Niemand. Das garantieren Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Deshalb haben Gerichte entschieden, dass Abschiebungen nach Ungarn seit April letzten Jahres ausgesetzt werden müssen. Deshalb werden wir GRÜNE darauf hinwirken, dass diese auch in Zukunft ausgesetzt bleiben.