Aber wissen Sie, das Gute an einer Demokratie ist, dass die, die Sie als ehrlos bezeichnen, wenigstens nicht wehrlos sind.
Ich habe nur die Sorge, wenn ich so Ihren Duktus und Ihre Diktion höre, dass Sie ganz gerne diejenigen, die Sie als ehrlos betrachten, auch noch wehrlos stellen möchten.
Vielleicht sollten Sie sich hier einfach mal etwas zurückhaltender in Ihrem Sprachgebrauch aufführen. Ich sage Ihnen das, weil es immer wieder gewisse Anklänge an ein Vokabular längst vergangener Zeiten gibt und dieser Eindruck hier entsteht.
Man kann sich trefflich über Sachen streiten, aber bekanntlich macht der Ton die Musik. Wir haben auch Journalisten dort oben sitzen. Ich frage mich eigentlich, warum die Journalisten insbesondere meiner Partei und mir ernsthaft die Frage stellen, ob wir mit Ihnen jemals koalieren würden. Ich glaube, jedem Journalisten muss sich doch nach dem, was Sie hier auftun, erklären, dass solche Fragen nicht ernst gemeint sein können.
Solange Sie sich hier so aufführen, haben Sie einen gewissen Aufregungs- und Unterhaltungswert, aber Sie verschieben die politische Debattenkultur, was am Ende auch dazu führt, dass sich die Kultur des Miteinanders unter uns verändert. Deshalb würde ich Sie bitten, sich vielleicht zukünftig auch bei solchen Themen eines anderen Sprachgebrauchs zu bedienen.
Die Zahl der Neuzugänge ist im Übrigen, Herr Poggenburg, erheblich zurückgegangen. Sie können sich gerne von meinem Ministerium mal die Zahlen zuarbeiten lassen. Aber die große Zahl von bereits aufgenommen Schutzbedürftigen und die Notwendigkeit von deren Integration sind ja unstreitig. Das ist eine Riesenaufgabe, welche Land und Kommunen weiterhin vor erhebliche Herausforderungen stellt.
Es lässt sich eben nicht valide prognostizieren, wie viele Familienangehörige bei einem ersatzlosen Auslaufen der Aussetzung - wenn man es ungestört machen würde - tatsächlich nachziehen würden.
Es bedarf einer Anschlussregelung, die für die Akteure vor Ort, die Gemeinden, die Bürgermeister, die Landräte, Planungssicherheit schafft und eine Überlastung ausschließt. Auch Vertreter der Kommunen haben eine solche Anschlussregelung auf Bundesebene völlig zu Recht gefordert.
Ich begrüße es deshalb, dass in den Sondierungsgesprächen zur Regierungsbildung in Berlin eine entsprechende Regelung vereinbart wurde. Es soll zweistufig vorgegangen werden. Zunächst soll die Aussetzung des Familiennachzugs noch mal bis Ende Juli 2018 verlängert werden. Das ist erst einmal eine gewisse Phase des Innehaltens. Dann soll ein Familiennachzug in Zukunft gestaffelt und nur aus humanitären Gründen möglich sein.
Eine Begrenzung auf 1 000 nachzugsberechtigte Personen im Monat gewährleistet, dass die Kommunen durch den Familiennachzug nicht überfordert werden. Straftäter und Gefährder sind vom Familiennachzug ausgeschlossen.
Es bleibt abzuwarten, wie die nähere Ausgestaltung der Regelung erfolgt. Dafür brauchen wir eine Bundesregierung, die hoffentlich irgendwann einmal zusammenkommt, weil Deutschland eine stabile Regierung nötig hat und braucht. Das, was dort vereinbart worden ist, berücksichtigt aber eben auch legitime Interessen der Familien, soweit es humanitär erforderlich ist.
Gesellschaft Rechnung und setzt das Zeichen, dass Familiennachzug nur solchen Personen erlaubt wird, die unser Rechts- und Gesellschaftssystem respektieren und nicht kurzfristig ausreisepflichtig werden. Eine Umgehung und zweckwidrige Ausnutzung der Vorschrift soll verhindert werden.
Natürlich ist es so, dass es ein subsidiärer Schutz ist. Soweit in der Begründung suggeriert wird, den subsidiären Schutzberechtigten, vornehmlich Syrern und deren Familien, werde durch die Wiedereröffnung des privilegierten Familiennachzugs eine dauerhafte Bleibeperspektive eröffnet und würden Rückkehrbestrebungen konterkariert, teile ich diese Einschätzung nicht.
Wie generell in Fällen des Familiennachzugs ist auch das Schicksal der Aufenthaltserlaubnis einer im Rahmen des Familiennachzugs zu einem subsidiär Schutzberechtigten nachgereisten Person abhängig vom Schicksal der Aufenthaltserlaubnis des Stammberechtigten, also des Ausländers, zu dem der Familiennachzug erfolgt.
Dabei bedeutet schon die Zuerkennung von subsidiärem Schutz, dass der Schutz nur so lange gewährt wird, wie der schutzberechtigten Person in ihrem Heimatland ernsthafter Schaden droht.
Wann diese Situation in Syrien nicht mehr gegeben ist, bleibt abzuwarten. Die Innenministerkonferenz hat in ihrer letzten Sitzung in Leipzig die Bundesregierung um eine Neubewertung der Sicherheitslage in Syrien gebeten. Solange nicht festgestellt ist, dass Syrien in Gänze oder in Teilen sicher ist, können Sie aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und einer dementsprechenden Richtlinie nicht in ein nicht sicheres Land zurückführen.
Das heißt, auch diesbezüglich erwecken Sie in Ihrer Rede den Eindruck, dass diejenigen rechtskonform in ihr Heimatland zurückkehren könnten, um es wiederaufzubauen. Das ginge nur freiwillig. Die Rechtsgrundlagen dafür sind einfach nicht gegeben.
Es ist ein Thema, das man mit Augenmaß behandeln muss, bei dem man auf der einen Seite die humanitären Gründe berücksichtigen muss und auf der anderen Seite auch die Integrationsfähigkeit und -grenzen unseres Staates im Auge haben muss.
Über dieses Spannungsverhältnis kann man sich trefflich streiten. Ich sage nochmals: Tun wir das aber bitte mit dem gebotenen Anstand und Respekt. Denn am Ende reden wir über Menschen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt zwei Fragen. Einigen Sie sich bitte, wer sie nimmt. Herr Poggenburg als Erster, dann habe ich als nächste Wortmeldung die von Herrn Kirchner gesehen. Ich würde die Zahl der Fragesteller je Fraktion heute auf zwei begrenzen. - Bitte, Herr Poggenburg.
Sehr geehrter und geschätzter Herr Innenminister Stahlknecht, Sie haben - es klang zumindest so - suggeriert: Ja, die AfD müsse sich im Ton vielleicht etwas zurücknehmen,
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nicht nur suggeriert! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das klang nicht nur so!)
um der CDU zu gefallen. Ich sage Ihnen ganz klar: Die AfD wird sich nicht zurücknehmen. Sie wird die Dinge klar beim Namen nennen und dies auch weiterhin tun. Vielleicht kommt eine CDU umgekehrt eines Tages mal damit klar, aus ihrer Deckung hervorzukommen und ebenfalls die Dinge beim Namen zu nennen.
Wenn jemand, eine Person, eine Personengruppe, ganz klar ehrlos ist, dann sagen wir das. Wir trauen uns das und werden das auch in Zukunft tun. Bitte nehmen Sie das so zur Kenntnis. - Danke schön.
Herr Stahlknecht, möchten Sie darauf erwidern? - Nein. Okay. - Dann habe ich jetzt Herrn Kirchner als nächsten Fragesteller.
Sehr geehrter Herr Innenminister, ich habe vernommen, dass Sie sagten, Journalisten meiner Partei. Journalisten Ihrer Partei, dazu frage ich Sie einmal - -
(Dr. Katja Pähle, SPD: Nicht zugehört! - Wulf Gallert, DIE LINKE: Sie haben in Ihrer Partei ein semantisches Problem, Herr Kirchner! - Unruhe)
Gehen wir weiter zu der Aussage, auf Ihr Ministerium hören, was Zahlen betrifft. Das haben Sie vorhin auch gesagt. Ich frage Sie natürlich, weil Sie sagten, nachdem Sie im Jahr 2016 ungefähr 800 Personen abgeschoben haben, dass Sie die Zahl im Jahr 2017 erhöhen wollten. Wenn ich dann aber lese, dass im ersten Halbjahr 2017
ganze 132 abgeschoben wurden, dann ist meine Frage, wie Sie das erhöhen wollen, wenn sie bis zur Hälfte des Jahres nur 130 abgeschoben haben.