Herr Poggenburg, mein Gehör ist so schlecht nicht. Sie haben gesagt: Die müssen sich selber schützen.
(André Poggenburg, AfD: Nein! - Oliver Kirchner, AfD: Ich saß daneben! - André Poggenburg, AfD: Er saß daneben! - Un- ruhe bei der AfD)
An der Stelle lasse ich Sie auch nicht aus der Verantwortung. Sie gerieren sich hier permanent als Opfer, tatsächlich sind Sie Täter.
(André Poggenburg, AfD: Ich muss mich selber schützen, habe ich gesagt! Ich muss mich selber schützen!)
So. Dann hätten wir das jetzt auch geklärt. - Wir könnten in der Debatte der Fraktionen fortfahren. Für die CDU-Fraktion spricht nunmehr Herr Kolze. Herr Kolze, Sie haben das Wort. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten bereits im JuniPlenum des vergangenen Jahres eine Debatte über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Der Antrag kam damals ebenfalls von der AfD-Fraktion. Das Gesetz war zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch gar nicht beschlossen. Der damalige Antrag, eine abstrakte Normenkontrolle gegen das Gesetz anzustreben, ging fehl, da das anzugreifende Gesetz zumindest förmlich verkündet, wenn nicht gar in Kraft getreten sein muss.
Nunmehr ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz umfänglich in Kraft, nachdem es der Bundestag kurz vor Ende der Wahlperiode beschlossen hat.
Ziel des Gesetzes ist es, Hasskriminalität, strafbare Falschnachrichten und andere strafbare Inhalte auf den Plattformen sozialer Netzwerke wirksamer zu bekämpfen und ein Instrument gegen Plattformanbieter zu schaffen, denen bisher nur schwer beizukommen war.
So froh wir damals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung waren, so ehrlich muss man jetzt sein, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Plattformanbieter wie Facebook sind nunmehr verpflichtet, innerhalb von 24 Stunden offensichtlich rechtswidrige Inhalte zu entfernen und bei weniger offensichtlichen Verstößen innerhalb von sieben Tagen zu reagieren, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Das heißt, Opfer von Straftaten im Netz können einfacher dagegen vorgehen; denn bislang war die Löschpraxis der Plattformbetreiber unzureichend.
Genau diese Löschpraxis steht aber nunmehr in der Kritik, da befürchtet wird, dass lieber einmal mehr als zu wenig gelöscht wird und dadurch die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden könnte.
Kritik an dem Gesetz kommt nicht nur von den Plattformbetreibern selbst, sondern auch von denen, die geneigt sind, Hass und Hetze im Netz zu verbreiten, oder von denen, die daraus ihren politischen Vorteil ziehen wollen. Sie kommt aber auch aus Brüssel.
Die Europäische Kommission hat darauf hingewiesen, dass der Vorstoß aus Deutschland wohl nicht mit der E-Commerce-Richtlinie übereinstimme.
Kommt das Gesetz vor den EuGH, darf davon ausgegangen werden, dass es in seiner jetzigen Form keinen Bestand haben wird.
Der EuGH hat schon früher eine Vorabkontrolle durch den Host-Provider als nicht rechtskonform angesehen.
Auch, ob das Gesetz einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe standhalten würde, ist fraglich, haben doch schon einige Verfassungsrichter öffentlich Bedenken angemeldet.
Trotz aller Kritik an dem Gesetz ist aber klar, dass Opfer von Straftaten im Netz nicht alleingelassen werden dürfen. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum werden.
Damit könnten wir zum Abschluss der Debatte kommen. Dieser wird gestaltet von Herrn Höse von der einbringenden Fraktion.
Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Frau Minister, ich schätze Sie wirklich sehr, allerdings muss ich sagen, die Antworten von Ihnen auf die Fragen von Herrn Büttner kann ich nicht ganz nachvollziehen. Aber das nur nebenbei.
Ich zitiere kurz: Die Freiheit ist auch immer die Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern. Diese 100 Jahre alten, überaus klugen Worte sind heute aktueller denn je. Ein Sozialdemokrat war es aber, der für den Tod des Verfassers dieser freiheitlichen Worte vergangener Tage verantwortlich war.
Ein Sozialdemokrat ist es auch heute wieder, der für den Mundtod von freiheitlichen Worten verantwortlich ist. Das Bedenkliche daran ist jedoch nur, dass er zwar dafür verantwortlich ist, sich aber galant aus der Verantwortung winden kann; denn für die Durchführung seiner eigentlich grundgesetzwidrigen Fantasien, die er in ein Gesetz gegossen hat, bemächtigt er sich des vorauseilenden Gehorsams, der subjektiven Wahrnehmung und auch der Angst der Mediendienstleister und ihrer privaten Mitarbeiter vor drakonischen staatlichen Strafen. Das ist jedoch nur die eine Seite.
Ich wollte noch erwähnen, dass Straftaten, wie es vorhin schon einmal angeklungen ist, eigentlich sowieso oder auch schon bisher strafbar oder strafverfolgungswürdig sind.
Die andere Ungeheuerlichkeit ist allerdings, wie vorhin schon angesprochen, das Vorgehen bei der Abstimmung über das NetzDG. Laut § 45 Abs. 1 der Geschäftsordnung - das wissen die meisten, haben es nachgelesen oder auch gesehen -, ist der Bundestag erst beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Er ist aber so lange beschlussfähig, bis die Beschluss- fähigkeit angezweifelt wird!)
Direkt nach der Abstimmung über das Lieblingsthema der linken Parteien, Herr Striegel, der Ehe für alle, an der immerhin noch 623 Abgeordnete teilnahmen, verließen fast alle Volksvertreter schlagartig den Saal.
Circa 55 verpassten aber irgendwie diesen Auszug aus dem Plenarsaal. Meine Damen und Herren! 55 von 631, das sind 8,72 %. In SachsenAnhalt würden damit rein rechnerisch sieben oder acht Parlamentarier hier in diesem Saal sitzen. Nur ein Narr würde denken, dass diese Abstimmung demokratisch wäre. Zumindest wir bezeichnen es nicht so.
Es entlarvt aber auch - für jeden sichtbar, der es sehen wollte; im Video gut zu sehen - die sich selbst so bezeichnenden Demokraten. Aus Verantwortung gerade für die Demokratie hätte jeder Anständige der ca. 55 sich noch im Saal Befindlichen die Beschlussfähigkeit des Parlaments anzweifeln - müssen sogar. Doch so viel Anstand und Ehre hatte scheinbar niemand der Volksvertreter.
Das ist nicht nur eine Ignoranz gegenüber dem Volk, das ist auch ganz nebenbei eine Geringschätzung des Hohen Hauses oder zuletzt einfach Arbeitsverweigerung. Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll.
So wissen wir wenigstens, warum Deutschland unlängst auf Platz 20 des Welt-DemokratieRankings oder -Vergleiches abgerutscht ist.
Meine Damen und Herren! Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung in Wort, Schrift und Bild.
Ja, Herr Höse, aber trotzdem haben wir Redezeitregelungen, und die Redezeit haben Sie jetzt deutlich überschritten.
Ich dachte eigentlich, ich bekomme die Zeit von Herrn Poggenburg noch; denn er hat sie bei Weitem unterschritten.
Das ist richtig, aber das hätten Sie ansagen müssen, wenigstens das. Normalerweise gibt es das nicht.
Also, Sie hätten, um das klar zu sagen, bei der Einbringung von Herrn Poggenburg diese Redezeit natürlich noch in Anspruch nehmen können.
Das Problem ist, wir sind jetzt in der Fraktionsdebatte, und die Fraktionsdebatte dauert drei Minuten pro Fraktion. Deswegen kann man die nicht verbrauchte Redezeit der Einbringung nicht einfach auf die Fraktionsdebatte übertragen.
(Hendrik Lange, DIE LINKE: So ist die Ge- schäftsordnung! - Dr. Falko Grube, SPD: Sie lesen doch so gern die Geschäftsord- nung! Machen Sie sich doch mal eine eige- ne!)