Protocol of the Session on January 25, 2018

len Rechtsstaates gerecht zu werden, Integration zu ermöglichen und gleichzeitig zu gewährleisten, dass in einigen wenigen staatlich kontrollierten Bereichen Gesicht gezeigt wird. Im Hinblick auf Schulen scheint mir diese Klarstellung auch sinnvoll. Bereits heute kann die Schulleitung tätig werden, wenn durch das Tragen einer Vollverschleierung der Schulfrieden gestört wird. Bei Prüfungen ist schon heute durchsetzbar, dass eine Vollverschleierung abgenommen wird, um die Identifikation des zu Prüfenden zu ermöglichen.

Die rechtliche Regelung hat entsprechend klarstellenden Charakter. Sie schafft Rechtssicherheit auch für diejenigen, die das Recht im täglichen Leben anwenden müssen. Das Schulpersonal kann damit steuernd eingreifen, wenn das Thema Vollverschleierung einmal in Sachsen-Anhalts Schulen relevant werden sollte.

Gerade im Bereich der Schulen scheint es mir auch sinnvoll, eingreifen zu können; denn bei jungen Mädchen ist bei einer Vollverschleierung nicht auszuschließen, dass diese nicht dem freien Willen der Trägerinnen, sondern vor allem dem Zwang durch Mitglieder der eigenen Familie entspringt. In solchen Fällen wollen wir vorbeugen, nur in eng begrenzten Räumen, wie in der Schule oder bei der Stimmabgabe im Wahllokal.

In den vom Gesetz nicht erfassten Bereichen bleibt die Vollverschleierung erlaubt. Auch wenn mir persönlich eine solche Bekleidung nicht gefällt, ich diese ablehne, wird man sich in der Öffentlichkeit in Sachsen-Anhalt weiterhin verhüllen können. Der liberale Rechtsstaat und seine Bürgerinnen lassen dies ausdrücklich zu. Die Freiheit der Frau erkämpft man nicht, wenn man ihr öffentliche Bekleidungsvorschriften macht.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Es gibt eine Anfrage. Möchten Sie diese beantworten? - Herr Scheurell, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abg. Striegel, ich nehme zur Kenntnis, dass für Sie der Islam zu Deutschland gehört. Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis: Für mich nicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD - André Poggenburg, AfD: Jawohl!)

- Das ist jetzt der falsche Moment. Warten Sie doch erst einmal ab.

(Heiterkeit bei der AfD)

Wir haben jetzt 500 Jahre Reformation gefeiert. Martin Luther hat in einem ganz anderen Kontext

geschrieben: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.“

Ich bin in der Lutherstadt Wittenberg groß geworden und habe das jeden Tag vor Augen an unserer Schlosskirche. Wenn Sie sich mit diesem Kontext auseinandersetzen, nehme ich erschüttert zur Kenntnis, dass der Islam in Deutschland angekommen ist, aber nicht zu unserer abendländischen Kultur gehört. Ich hoffe, dass sich das irgendwann wieder sortiert.

(Beifall bei der AfD)

Herr Striegel, Sie können natürlich erwidern.

Frau Präsidentin, herzlichen Dank. - Herr Kollege Scheurell, ich will Ihnen erstens einmal mit Blick auf die Verfassung darauf antworten. Selbstverständlich wird das Recht auf Religionsfreiheit in diesem Land gewährleistet. Das schließt ausdrücklich auch ein, dass Menschen, die muslimischen Glauben haben, ihre Religionsfreiheit hier leben können, und insofern gehört der Islam zu Deutschland.

Zweitens. Ich will auch versuchen, Ihnen ideengeschichtlich darauf zu antworten, weil ich meine, dass Dr. Martin Luther viele kluge Dinge aufgeschrieben hat, an die wir uns 500 Jahre nach der Reformation dankbar erinnern,

(Frank Scheurell, CDU: Das gehört dazu!)

dass uns Martin Luther aber auch mit seiner feindlichen Abgrenzung gegenüber einer anderen abrahamitischen Religion, nämlich den Juden, gezeigt hat, wie Mechanismen der Ausgrenzung funktionieren. Das gehört genauso zu Luthers Erbe.

Ich empfinde es als deutlich schwierig, wenn Sie diese Mechanismen der Ausgrenzung nunmehr heute gegen Muslime in Stellung bringen.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Ich will deutlich sagen - darin mögen wir uns unterscheiden -: Für mich gehört der Islam zu Deutschland. Ich meine, dass Muslime hier mit allen Rechten leben können sollen und leben dürfen. Ich als Christ fühle mich verbunden sowohl den Jüdinnen und Juden als auch den muslimischen Geschwistern im Glauben. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Herr Scheurell hat noch eine Nachfrage. Sind Sie noch einmal bereit, zu antworten, Herr Striegel?

Herr Striegel, das sei mir an dieser Stelle gestattet. Ich habe nichts gegen das Judentum und die jüdisch-abendländische Kultur, die uns mit dem Judentum in Deutschland verbindet, gesagt. Dazu habe ich nichts Negatives gesagt.

(Zustimmung bei der AfD)

Ich möchte das nur festhalten. Nicht, dass das irgendwie in einem falschen Kontext wiedergegeben wird. Ich habe lediglich gesagt, dass Martin Luther im Jahr 1523 gesagt hat und den Choral getextet hat: „Ein feste Burg ist unser Gott“. Daran halte ich fest, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Scheurell.

Herr Scheurell, ich bin Ihnen dankbar, dass ich noch einmal antworten kann. Ich wollte Sie auch nicht in die Nähe des Antisemitismus rücken. Ich wollte nur auf die Mechanismen der Ausgrenzung verweisen, die man auch bei Dr. Martin Luther studieren kann. Ich meine, dass diese Mechanismen der Ausgrenzung eine Gefahr für eine Gesellschaft darstellen, und meine deshalb, wir sollten uns im Zusammenleben der verschiedenen Religionen üben.

Vielen Dank. Es gibt noch eine weitere Anfrage. Möchten Sie diese auch beantworten? - Herr Dr. Tillschneider.

Ich muss jetzt einmal Luther in Schutz nehmen gegen diesen Instrumentalisierungsversuch Ihrerseits. Luthers Verhältnis zu den Juden hat überhaupt nichts damit zu tun, was Sie heute als Ausgrenzung deklarieren.

Luther war ein Theologe, der noch an die Wahrheit geglaubt hat, was heutzutage vielen verlorengegangen ist. Diese Wahrheit hat er verteidigt gegen die Katholiken, gegen den Papst, der aus seiner Sicht auch so etwas wie eine apokalyptische Figur war, gegen die Muslime, gegen die Juden. Das war eben der Geist der Zeit. Nun hören Sie doch auf, alles zu vermischen und Ihre Welt hemmungslos in alle vergangenen Epochen zu projizieren.

(Zustimmung bei der AfD - Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Sie können darauf erwidern.

Ich lege darauf wert, dass nicht ich es war, der Herrn Luther in die Diskussion einbrachte, sondern ein Kollege; ich habe darauf reagiert. Ich will aber an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen. Natürlich ist Luther ein Kind seiner Zeit; aber die Mechanismen der Ausgrenzung, die er gegenüber den Juden gebraucht hat, haben nichts von ihrer Gefährlichkeit verloren. Ich möchte, dass wir diese Mechanismen in einer toleranten Gesellschaft hinter uns lassen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE - Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Es gibt keine weiteren Anfragen. Somit kommen wir zum nächsten und letzten Redner, und zwar wird der Abg. Herr Schulenburg für die CDU-Fraktion sprechen. Sie haben das Wort, Herr Schulenburg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Wir wollen keine Gesichtsverhüllung bei Wahlen und an staatlichen Schulen,

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

und das aus gutem Grund. Unsere deutsche und europäische Gesellschaft und unser Rechtsstaat leben vom offenen Miteinander und von dem Austausch in der Bevölkerung. Dazu gehören verbale und nonverbale Kommunikation, vor allem Mimik, und der Blick auf das Gesicht des Gegenübers.

Bei Wahlen sowie beim Führen eines Pkw im öffentlichen Straßenverkehr oder bei Gericht ist das für die Identitätsfeststellung unerlässlich. An Schulen kommt hinzu, dass dort ein Bildungsauftrag erfüllt werden muss. Dieser beinhaltet die offene Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern. Zudem leisten Schulen einen wichtigen Beitrag zur Integration. Durch eine Verhüllung des Gesichts der Mädchen sehen wir zum einen den Bildungsauftrag in Gefahr. Zum anderen wird das gemeinsame Miteinander gerade erschwert, wenn nicht gar unterbunden, und eine Integration wird kaum stattfinden können.

Wie ich richtig und offen mit anderen kommuniziere und diskutiere, gehört eben auch zum Bildungsauftrag unseres Landes. Frauen und Mädchen sollen in allen Bereichen des wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Lebens teilnehmen, sichtbar und vor allem gleichberechtigt sein. Eine Gesichtsverhüllung

macht sie unsichtbar, anonym und widerspricht zutiefst unserem Menschen- und Frauenbild.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Ich möchte, dass Mädchen und Jungen in unserem Land, gleich welcher Herkunft, gleichberechtigt und in Frieden aufwachsen, dass sie gemeinsam lachen und sich dabei ins Gesicht schauen können.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Wir fördern die Gleichberechtigung der Frauen, diskutieren über Frauenquoten und paritätische Besetzungen von Gremien. Dann sollte es auch selbstverständlich sein, dass wir dafür sorgen, dass Frauen und Mädchen im wahrsten Sinne des Wortes mit offenen Augen und einem sichtbaren Lächeln durch die Welt gehen.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Deshalb bitte ich jetzt, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den federführenden Innenausschuss sowie in den Bildungsausschuss zu überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)