Protocol of the Session on January 25, 2018

Frau Quade, was Sie hier gehalten haben, das war eine Hassrede gegen die deutsche Zivilbevölkerung.

(Henriette Quade, DIE LINKE: Oh!)

Sie sagen immer, man darf nicht relativieren. Man kann relativieren, wenn eine Relation besteht. Man darf nicht relativieren, wenn keine besteht. Sie haben einen Bezug hergestellt, wo keiner besteht. Denn weil deutsche Verbrecher im Osten, wie wir alle wissen, Gräueltaten in den Lagern begangen haben,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Nicht nur da!)

deshalb darf niemand unschuldige deutsche Männer, Frauen und Kinder gezielt mit Bombenangriffen töten. Das haben Sie nicht verstanden. Uns geht es überhaupt nicht um dieses öde Kriegsverbrechen-Pingpong, bei dem ein Vorwurf mit einem Gegenvorwurf beantwortet wird, und so geht es weiter. Uns geht es nur um das Gedenken an unsere Leute, die damals unschuldig gestorben sind bei dieser Tragödie, und mehr nicht.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe auch hier keinen Bedarf einer Reaktion. - Bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüßen wir ganz herzlich Damen und Herren der Akademie Überlingen aus Wernigerode. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Auf beiden Tribünenseiten sitzen zahlreiche Initiatoren der Meile der Demokratie. Ebenfalls herzlich willkommen!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Krull das Wort.

Sehr geehrter Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Seh ich das Bild von Magdeborch; denn zittern mich de Beene. Denn jeht mich das so durch un durch; denn denk ich an Magdeborch, an Magdeborch un weene.“

Diesen Text nach Magdeburger Mundart konnten wir in der vergangenen Woche auf vielen Seiten eines sozialen Netzwerks im Internet sehen. An

lass war der 73. Jahrestag der schweren alliierten Bombenangriffe auf Magdeburg am 16. Januar 1945.

Über 1 000 t Bombenlast verwandelte die Stadt in weniger als einer Stunde in eine Trümmerlandschaft. Wahrscheinlich starben 2 000 bis 2 500 Menschen, Tausende wurden verletzt, Tausende verloren ihr Dach über dem Kopf. Es war der schwerste und zerstörerischste Bombenangriff auf die Stadt von rund 40, denen Magdeburg im Zweiten Weltkrieg unterlag.

Noch heute sind die städtebaulichen Narben im Stadtbild zu erkennen und die psychologischen Folgen bei den Betroffenen zu erleben. Doch man darf bei dem wichtigen Gedenken an die Opfer nicht vergessen, warum der Krieg nach Magdeburg kam.

Es ist eine historische Tatsache - das haben auch meine Vorredner nicht bestritten -, dass unsägliche Verbrechen durch die NS-Diktatur begangen worden sind und dass Hitler den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat. Daran hat niemand Zweifel. Den militärischen Sinn solcher Bombardierungen gar in Anbetracht des Zeitpunktes darf man doch sehr in Zweifel ziehen.

(André Poggenburg, AfD: Richtig!)

Es ging wohl mehr oder weniger nicht darum, militärische Ziele zu treffen, sondern die Zivilbevölkerung zu demoralisieren und so ein schnelleres Kriegsende herbeizuführen.

(Zustimmung von Jens Kolze, CDU)

Die Opfer in der Zivilbevölkerung in vergangenen, in gegenwärtigen und leider wohl auch in zukünftigen Konflikten sind die Leidtragenden, die unser Gedenken, unser Mitgefühl und unsere Hilfe brauchen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Die Bombardierung von Städten war keine Erfindung der Royal oder der US Air Force, weil die deutsche Luftwaffe - das klang bereits an - zum Beispiel Warschau, Rotterdam und die zentralenglische Stadt Coventry bombardierte. Mir liegt es mehr als fern, irgendwelche Opferzahlen miteinander zu vergleichen. Es geht mir darum, den historischen Kontext der damaligen Angriffe zu erklären.

(André Poggenburg, AfD: Richtig!)

Bereits zu DDR-Zeiten gab es den Versuch, das Gedenken an diesen traurigen Jahrestag für die eigenen politischen Ziele einzusetzen. Da wurden die Opferzahlen hochgeschrieben bis auf die hier schon mehrfach genannte Zahl von 16 000 und Großdemonstrationen organisiert.

Die friedliche Revolution in Magdeburg hat die Gedenkkultur an diesen Tag verändert. Neben, zum Beispiel, dem traditionellen Konzert am 16. Januar im Theater wurde auch ein neues Denkmal auf dem Magdeburg Westfriedhof eingeweiht. Dies sollte nicht mehr politische Botschaften vermitteln, sondern ein Ort sein, an dem man der Opfer gedenken und sich selbst Gedanken machen konnte, wie es dazu kommen konnte.

Seit 1996 versuchen Rechtsextremisten, den Jahrestag zu missbrauchen und die Opfer für ihre politischen Zwecke einzuspannen. Entsprechende Versuche wurden durch verschiedene Akteure mit Gegenveranstaltungen und anderen Maßnahmen versucht zu unterbinden.

Im Jahr 2001 wurde erstmals ein sogenannter Trauermarsch durchgeführt. Verschiedene Personen und Organisationen aus dem rechtsextremistischen und rechtsradikalen Milieu riefen dazu auf. Zu Hochzeiten folgten diesem Aufruf 1 200 Menschen aus diesem Spektrum aus dem gesamten Bundesgebiet und reisten in die Landeshauptstadt. Infolgedessen entwickelten sich hier verschiedene Protestformen. Neben dem friedlichen Protest und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den dort vorgetragenen kruden Thesen des Trauermarsches gab es auch andere Gruppierungen, die diesen Aufmarsch für sich nutzen wollten.

So gab es Gegendemonstrationen auch von Linksautonomen. Sowohl vonseiten der Rechtsextremisten und Rechtsradikalen als auch aus den Reihen der Linksautonomen gab es dabei Gewalt und Straftaten. Diese waren und sind natürlich nicht zu entschuldigen und zu tolerieren.

(Zustimmung bei der CDU - Beifall bei der AfD)

Viele Verbände, Vereine, Initiativen, die Stadt Magdeburg, der Stadtrat der Landeshauptstadt, Kirchen und auch einzelne Bürger suchten nach Möglichkeiten, durch friedlichen Protest gegen den Missbrauch der Opfer durch den Extremismus zu kämpfen. Gleichzeitig sollte die Innenstadt vor entsprechenden rechtsextremistischen Aufmärschen geschützt werden.

Die Idee zur Meile der Demokratie wurde geboren und mit viel Engagement umgesetzt, und später um die Meilensteine erweitert, um auch Orte außerhalb der Innenstadt mit einzubeziehen.

Ich sage es mit Stolz: Ich war bei jeder Meile mit dabei, auch bei der zehnten Meile am vergangenen Samstag. Erneut waren mehr als 100 Organisationen, Fraktionen, Parteien und Verbände mit verschiedenen Aktionen vor Ort präsent. Unsere Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch und

auch unser Landtagskollege Andreas Schumann in seiner Rolle als Vorsitzender des Magdeburger Stadtrats haben dort auf der Bühne die richtigen Worte gefunden.

In der Rückschau auf die Meile kann ich eine positive Entwicklung feststellen. Von der anfänglichen Diskussion, ob man das Gedenken an den 16. Januar 1945 mit einem solchen Fest der Demokratie in Einklang bringen kann, ist nicht viel übrig geblieben.

Denn es ist tatsächlich gelungen, beides miteinander zu verbinden: eine würdige Erinnerung an die Opfer der Zerstörung der Stadt auf der einen Seite und auf der anderen Seite das aktive Werben für ein demokratisches, weltoffenes und tolerantes Magdeburg.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass auch die Mitglieder des Magdeburger Stadtrates ein ganz handfestes Zeichen setzten, indem sie eine der Bühnen der Meile aus persönlichen Finanzmitteln mitfinanzierten.

An dieser Stelle einmal ein ganz herzlicher Dank an die vielen, vor allem auch ehrenamtlich Tätigen, die diese Meile und diese Meilensteine mit Leben erfüllen und zum Erfolg gebracht haben.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade die Schulmeile habe ich dabei als ein wachsendes und positives Element wahrgenommen. Die tausende Besucherinnen und Besucher erwartet jedes Jahr ein vielfältiges Programm für die ganze Familie, und zwar nicht nur an diesem Tag. Beispielgebend auch die Putzaktion der Stolpersteine, die im Vorfeld der Meile durch die Schulen durchgeführt wird.

Im Vorfeld der aktuellen Meile wurden die Absagen verschiedener Teilnehmer intensiv diskutiert, gerade weil diese die Meile in den vergangenen Jahren mit geprägt haben. Jeder dieser Verbände oder Organisationen wird sich die Entscheidung sicherlich nicht leicht gemacht haben.

Als CDU empfinden wir diesen Ansatz für den Umgang mit den aktuellen Entwicklungen aber als nicht den richtigen. Vielmehr geht es darum, durch Präsenz und Aktivität für die eigenen Ziele einzutreten. Jeder, egal ob Verein, Fraktion, Partei oder Verband, der den Aufruf mit unterzeichnet hat, muss sich durch eigene Worte und Taten jetzt auch daran messen lassen. So heißt es in dem Aufruf:

„Die Erinnerung an den 16. Januar 1945 mahnt uns zu Frieden und Verständigung,

Respekt und Wertschätzung und zur Achtung der Menschenrechte für alle Menschen in unserer Stadt.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden alle, die hier im Plenum sitzen, daran erinnern, wenn es zu weiteren Diskussionen kommt.

(Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD)

Zum anderen ist jeder Standbetreiber gefragt gewesen, deutlich zu machen, was für ihn demokratische Prozesse, Toleranz und die Akzeptanz von Unterschieden in der Gesellschaft zu akzeptieren und sich dafür einzusetzen, bedeutet. Das heißt, sich der Debatte zu stellen und die eigene Meinung öffentlich darzustellen. Das kann auch ausdrücklich in Abgrenzung zu anderen Teilnehmern der Meile passieren.

Die Erfolgsgeschichte der Meile wurde von vielen geschrieben, die gezeigt haben, was für sie ein demokratisches und tolerantes Miteinander ausmacht. Das ist einer der Erfolge der Meile, dass wir zum wiederholten Male keinen rechtsextremistischen Aufmarsch in Magdeburg zum 16. Januar hatten.