Was können wir jetzt feststellen? - Es ist viel schlimmer geworden. Was ist denn nämlich passiert? - Es bilden sich Großrudel. Es gab immer schon mal Großrudel. Aber diese Anzahl von Großrudeln mit so einer hohen Stückzahl von Wild hat es vorher nicht gegeben.
Sie können im Schloss Ballenstedt - dort ist zur Geschichte des Waldes in Anhalt eine wunderbare Ausstellung - ein Video vom Frühjahr dieses Jahres sehen. Dann glauben Sie, das ist ein Film aus der Serengeti. Da haben Sie ein Angstrudel von Muffelwild mit mehr als 200 Stück. Wenn die ins Feld einfallen, dann können Sie als Landwirt umpflügen.
Was folgt denn daraus? - Sie haben im Wald einen höheren Verbiss. Das Wild steht heimlicher, sagt der Jäger. Das heißt, die Jäger, die einen Hegeauftrag haben, damit gesunde Wildbestände in einem bestimmten Alter auch vorhanden sind, können ihren Hegeauftrag gar nicht mehr erfüllen. Die heimlicher stehenden Wildbestände führen zu größeren Schäden im Wald. Das große Erschrecken auch in der Forstwirtschaft ist da gekommen.
Jetzt sage ich Ihnen, welche Schlussfolgerungen daraus folgen. Wenn Sie mit einem Jäger zu tun haben - er zahlt Jagdpacht; er hat eine Haftpflichtversicherung etc. -, dann kann man sagen, das ist Hobby; er macht das, weil sein Vater es schon gemacht hat. Dann kommt der Landwirt im dritten Jahr in Folge und will von mir eine Entschädigung in Höhe von 2 000 € haben. Wenn er sagt, ich schmeiße jetzt hin, dann ist die Frage: Wer hat dann diesen Hegeauftrag? Wer sorgt dann dafür? - Niemand. Der Wolf kann es nicht - nachgewiesenermaßen. Insofern haben wir eine Reihe von ungelösten Fragen, denen wir uns auch widmen müssen. Die Frage ist doch: Wie weit soll die Hochrüstung noch gehen?
Ich habe - Frau Ministerin, bei aller Wertschätzung - gehört, wir haben jetzt einen Modellzaun. Ich werde mir ihn einmal ansehen. Aber wenn wir unsere ganze Landschaft mit riesigen - ich hätte fast spöttisch „antifaschistischen Schutzwällen“ gesagt - Zäunen aufrüsten, dann sage ich: Wir müssen die Verhältnismäßigkeit der Kosten und des Ganzen immer im Auge behalten. Wir dürfen es nicht aus dem Auge verlieren. Ich freue mich, dass an Präventionsmaßnahmen gedacht wird und das vorangeht. Aber die Verhältnismäßigkeit muss immer im Blick bleiben.
Zum Abschluss sage ich noch zwei Dinge. Es ist nur eine Frage der Zeit, wenn das so weitergeht mit der Verbreitung des Wolfes, dass wir auch hier Menschenleben beklagen werden oder zumindest Menschen zu Schaden kommen. Bisher ist nichts passiert.
Sie können sich die Veröffentlichung von Nabu anschauen, in denen von der Anzahl der Menschen berichtet wird, die in Europa in den letzten 50 Jahren durch Wolfsattacken zu Schaden gekommen sind. Sie können sich die aktuellen Fälle ansehen. Den letzten Toten gab es nicht irgendwann vor 150 Jahren, sondern 1997. Es war ein siebenjähriger Junge am Stadtrand von Bremen. Alle dachten, das ist ein wildernder Hund, ein Hybride oder ein Wolfshund oder was auch immer. Es waren 15 Jäger beteiligt, eine Hubschrauberbesatzung, 40 Polizisten aus Bremen und Niedersachsen. Die haben das Tier dann gefangen, getötet. Zum Erschrecken aller: Es war ein durchreisender Wolf.
Man kann es nicht ausschließen. Es ist ein Raubtier. Aber wenn wir in diesem dicht besiedelten Land keine Grenze ziehen und einen Steuerungsverlust erleiden, dann Gnade uns Gott, wenn da etwas passiert.
Ich will jetzt nicht nur an Griechenland erinnern. In Israel gab es zehn Wolfsattacken auf Menschen seit Mai dieses Jahres.
Der Chef des Naturschutzparkes hat jetzt darauf hingewiesen, man muss die Sache ernst nehmen, und er weiß auch nicht, was er jetzt noch machen soll. Ich kann nur empfehlen, das einmal nachzulesen.
Ich will zum Abschluss wirklich bei allen noch einmal dafür werben, dass wir, so wie wir es können, zur Versachlichung der Debatte beitragen und das Management so anpassen, dass wir einen Steuerungsverlust vermeiden.
Bekommen wir das hin, dann, glaube ich, bekommen wir auch eine Koexistenz von Spitzenprädatoren und Menschen im dicht besiedelten Deutschland hin und werden vielleicht auch die Akzeptanz erhalten können. Das wäre ein Wunsch der CDU-Fraktion. Doch bis dahin muss das Wolfsmanagement noch einmal angepasst werden, damit der Kontrollverlust uns nicht doch ereilt.
Verhältnismäßigkeit und Vernunft gegen Kostenexplosion und Liebhaberei müssen garantiert werden, damit hinreichende Akzeptanz auch zu diesem Thema in der Bevölkerung bestehen bleibt. Nehmen wir die Leute mit, die jetzt darunter leiden oder Sorgen haben, können wir sie gewinnen. Lassen wir sie allein und machen uns darüber
(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der AfD - Robert Farle, AfD: Kann ich noch eine Frage stellen?)
Herr Farle hat eine Frage an Herrn Gürth. - Dann haben Sie jetzt die Chance dazu, Herr Farle, und Herr Gürth die Möglichkeit, Ihnen zu antworten.
Nur kurz. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte Sie eigentlich nur fragen: Wie erklären Sie es sich, dass Sie so fundiert und in einem überzeugenden Beitrag insbesondere jetzt zum Schluss die ganzen Probleme aufgezeigt haben, während in der Regierung eine Ministerin von den GRÜNEN sitzt, die offensichtlich nicht den Schimmer einer Ahnung von den Problemen hat? - Vielen Dank.
Kollege Farle, das ist eine sehr polemische Frage. Jeder Minister hat ein breites Aufgabengebiet, eine großes Spektrum. Dafür gibt es die Fachleute in jedem Ministerium. Ein Minister, eine Ministerin muss ein Haus führen und die Richtlinien vorgeben. Das macht die Ministerin auch.
Das ist ein sehr spezielles Thema. Wir sind sicherlich als CDU-Fraktion in vielen Punkten auch anderer Auffassung, auch im Detail. Das muss man in einer Demokratie aushalten. Unsere Aufgabe ist es, auch in dieser Koalition dafür zu werben, dass möglichst viele unsere Auffassung teilen und Punkte, die wir auch belegen und wissenschaftlich untermauern können, in einem modernen Wolfsmanagement Raum greifen. Ich bin sicher und guter Dinge, dass uns das gelingt. Ein heftiger, pointierter Diskurs ist vielleicht auch ein guter Anstoß für eine Debatte, die zu guten Ergebnissen führt. Wir sind dazu bereit.
Herr Roi hat noch eine Nachfrage, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Herr Roi, bitte, Sie haben das Wort.
Herr Gürth, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Sie waren wirklich interessant. Nur zu einer Stelle habe ich eine Nachfrage, und zwar haben Sie von
Akzeptanzverlust usw. geredet, davon, dass es nicht einfach ist, die Akzeptanz zu erhalten, weil die Leute natürlich Ängste haben, wenn die Probleme nicht gelöst werden.
Meine Frage ist aber: Das korrespondiert eigentlich nicht mit dem, was ich in den letzten Monaten in der Zeitung lesen konnte. Beispielsweise hat der umweltpolitische Sprecher Ihrer Fraktion, Herr Radke, ganz klar gesagt, dass der Wolf zum Abschluss freigegeben werden soll, und zwar nachdem ein Wolf in Magdeburg gefunden wurde.
Wenn ich jetzt Ihre Rede höre, dann ist da zwar viel von Sachlichkeit die Rede, klar. Aber am Ende geht es um die Frage, was Sie nun wollen und was die Regierung will.
(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE - André Poggenburg, AfD: Das machen doch eher die Linken - schießen -, Herr Striegel!)
Deswegen habe ich die Nachfrage: Wollen Sie den Wolf nun zum Abschuss freigeben, so wie Ihr umweltpolitischer Sprecher, oder wollen Sie es nicht?
Sie haben den Schutzstatus in vielen Abkommen verankert. In der Antwort auf die Große Anfrage wurde auf die Berner Konvention und andere Artenschutzabkommen verwiesen. Aber wichtig für uns ist die FFH-Richtlinie, auf die man sich beruft, und zwar Anhang II und Anhang IV. Dabei ist es wichtig, dass wir uns erst einmal in einem Punkt einig werden, in dem wir in Deutschland leider noch keinen Konsens haben. Wenn das Bundesministerium und alle Länderministerien noch ein Stück weiterkommen, müssen wir uns unbedingt in der Frage der Definitionen einigen: Was ist ein Erhaltungszustand? - Gehen wir auf die Wildtierbiologen, gehen wir in die Wissenschaft in die Begründung rein, wie sie in elf EUMitgliedstaaten als Grundlage dient, wo auch eine Steuerung der Wolfsbestände stattfindet. Elf EUMitgliedsländer! Ich kann Ihnen alle aufzählen.
Dann bekommen wir eine Definition des günstigen Erhaltungszustands hin. Das ist unser Ziel. Wir vertreten gemeinsam mit vielen, auch Wissenschaftlern, die Auffassung, dass dieser günstige Erhaltungszustand erreicht ist. Wir hinterfragen die Definition der mitteleuropäischen Flachlandpopulation. Man kann auf Linnell zurückgehen: Metapopulation, Subpopulation etc. Das ist alles begründbar.
Dann kann man auf der Grundlage dieser Fakten und Annahmen zu dem Schluss kommen - das hat auch der Kollege Radke sicherlich gemacht -,
dass wir als Deutschland - das kann nicht ein Bundesland tun -, nämlich der Bundesumweltminister im Auftrag der deutschen Länder, in Brüssel einen Antrag stellen muss, dass der Wolf von Anhang IV in Anhang V kommt. Das ist eine wesentliche Grundlage, damit eine Aufnahme in das Jagdrecht überhaupt Sinn macht; denn das, was in Sachsen passiert ist, macht leider wenig Sinn. Das nützt nichts.
Das ist unsere Position: Anhang V, weil der günstige Erhaltungszustand gegeben ist. Das Wolfsmanagement muss auch angepasst werden. Gegenüber der EU muss man auch nachweisen, wie man den Artenschutz des Wolfes vernünftig steuert. Sie können einen verschiedenen Schutzstatus haben. Sie können auch sagen: Wir haben wolfsfreie Gebiete, meinetwegen den Harz und die Göhrde in Niedersachsen wegen des Muffelwildes. Das kann man gut begründen, auch wissenschaftlich.
Herr Gürth, ich habe keinen Zweifel dran, dass Sie das sehr gut begründen können. Aber wenn Sie jetzt mit der Begründung zum Ende kämen, dann wäre das gut.
Okay. Ich komme zum Ende. - Also zusammengefasst: Wir brauchen vernünftige Definitionen, auf die wir uns alle einigen.
(Zustimmung bei der CDU - Eva Feußner, CDU: Abschuss! - Markus Kurze, CDU: Wenn es zu viele sind, wird abgeschossen!)
Herr Gürth, warten Sie. Meine Intervention kam zu früh, weil Frau Frederking jetzt auch noch eine Frage hat.
Herr Gürth, Sie sprachen die Ängste der Bevölkerung an. Die Ministerin hat ausgeführt, dass das Kompetenzzentrum auch berät und auch für die
Menschen zur Verfügung steht, die Angst haben, in den Wald zu gehen. Sie sind ja auch schon in den Kindergärten gewesen und haben dort aufgeklärt.
Wie bewerten Sie das? Ist das Kompetenzzentrum nicht die geeignete Stelle, um den Menschen, die Ängste haben, mit Sachinformationen diese Ängste zu nehmen und mit Informationen darüber zu versorgen, wie sie sich zu verhalten haben?
Kollegin Frederking, was Sie aufgezählt haben, gehört zum Aufgabenkatalog, der bei der Gründung des Wolfskompetenzzentrums definiert wurde. Dieses Aufgabenspektrum sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abarbeiten. Sie werden es aber allein nicht schaffen. Wir brauchen insgesamt ein überzeugendes, in sich schlüssiges und wissenschaftlich - nicht ideologisch - begründetes Wolfsmanagement. Bekommen wir es hin, die offenen Fragen, die ich angesprochen habe, so zu beantworten, dass sie in der Bevölkerung glaubwürdig und nachvollziehbar sind, dann haben die Kolleginnen und Kollegen im Wolfskompetenzzentrum eine bessere Möglichkeit, diesen Auftrag zu erfüllen. Bekommen wir das nicht hin, werden die Kolleginnen und Kollegen nur bemitleidenswert überall angefeindet werden. Das kann doch nicht unser Ziel sein.
Ich denke, sie können einen guten Beitrag leisten. Sie arbeiten sich gerade ein. Ich baue auch darauf, dass sie das schaffen, was man ihnen auferlegt. Alles werden sie nicht hinbekommen können.