Allerdings können die beobachteten Rollen in der Familie und in der Gesellschaft, im Fernsehen, in der Werbung, in Büchern und in Religionen und die entsprechenden konformen und damit belohnten Verhaltensmuster dadurch nur sehr schwer durchbrochen werden. Wichtig ist, dass die Muster und deren Folgen aufgedeckt und erkannt werden, vor allem von Erwachsenen, denen die Mechanismen oft leider gar nicht klar sind. Das meiste passiert eben doch eher unbewusst.
Zudem wird der Zusammenhang zwischen den verinnerlichten Denkmodellen und struktureller Diskriminierung von Frauen auch von ihnen selbst häufig nicht erkannt. Hier kann nach unserer Ansicht die Landesregierung als Arbeitgeberin eine Vorbildfunktion einnehmen und Maßnahmen bei ihren Beschäftigten ergreifen, die helfen, diese Muster zu durchbrechen, zum Beispiel: Teilzeitangebote ganz offensiv für Männer, Teilzeit für Führungskräfte als Jobsharing, männliche Vorzimmer, mehr weibliche Führungskräfte oberhalb der Mitte.
eher mit erheblichem Ansehensverlust zu kämpfen haben. Die sogenannten Vätermonate und ihre Geschichte sind dafür ein gutes Beispiel. Aber sie sind eben auch ein Beispiel dafür, dass es sich lohnt, etwas ändern, und dass es eben doch manchmal der Nachhilfe dabei bedarf.
Für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz trägt die Landesregierung als Führungsebene der Exekutive, also der Verwaltung, eine klare Verantwortung. Sie ist persönlich gefragt, Leitbilder aufzustellen, Verhaltensvorschriften zu machen, die über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hinausgehen, zum Beispiel durch wertschätzende Kommunikation, und Verstöße ganz klar zu sanktionieren und deutlich zu machen: So nicht! Hierzu kann man konkrete Maßnahmen, Schulungen von
Führungskräften und Beschäftigten, auch die Einrichtung von Beschwerdestellen abfragen. Wir werden das auch gemeinsam mit Ihnen evaluieren.
Die von mir benannten Studien haben unter anderem untersucht, inwiefern Abhängigkeitsverhältnisse sexuelle Belästigung befördern. Ich gebe zu, ich war von dem Ergebnis überrascht. Gleich vorweg: Die Abschaffung von Abhängigkeitsverhältnissen würde derlei Verhaltensmuster nicht verhindern. Entscheidend ist das Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen am Arbeitsplatz, aber auch an Schulen und Universitäten; das führt zu sexueller Belästigung.
Wenn mir jemand im Bus an den Po grapscht, ist das sexuelle Belästigung, aber kein Abhängigkeitsverhältnis. Wenn mein gleichrangiger Kollege mich vor versammelter Mannschaft fragt, wie mein letztes sexuelles Erlebnis war, oder mich bittet, die Kaffeetassen zu holen, hat das nichts mit Abhängigkeit zu tun, sondern mit Macht. Macht ist eine wichtige Ursache. Macht in Form von sexueller Belästigung können auch Kollegen ausüben, die mit mir um selbige ringen.
Eine weitere entscheidende Ursache für sexuelle Belästigung ist ganz klar Sexismus, also abwertende Einstellungen gegenüber Personen aufgrund ihrer Geschlechtsgruppenzugehörigkeit.
Sexismus reicht von traditionell - Männer und Frauen sind nun mal unterschiedlich - über modern bis zu ambivalent. Wir erinnern uns an den Fall der Berliner Staatssekretärin, die auf ein männliches Podium gebeten wurde mit einem Kompliment für ihr Aussehen.
Sexismus ist meines Erachtens der Nährboden für sexuelle Belästigung beim Einzelnen. Woher dieser stammt, ist dann eine weitere Frage, die wir uns stellen müssen.
Die mit der Kampagne „#MeToo“ öffentlich gemachte Debatte zeigt vor allem die Spielarten von sexueller Belästigung, die Häufigkeit innerhalb der Gesellschaft und die Tatorte, also da, wo wir es nicht vermutet hätten, weswegen man weder von Einzelschicksalen sprechen kann, noch davon, dass irgendjemand davor sicher sein kann.
Lassen Sie mich noch einen ganz konkreten Vorschlag heute in die Debatte einführen, welcher uns bei diesem Thema im Rahmen der momentanen Novellierung des Schulgesetzes voranbringen könnte. Wir haben als Landesgesetzgeber im Schulgesetz die Möglichkeit, den Schutz vor sexueller Belästigung analog dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu regeln.
Das Problem hierbei ist Folgendes: Während Lehrkräfte vor sexueller Belästigung durch andere Lehrkräfte, aber auch durch Schülerinnen oder Eltern oder weitere Dritte durch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz geschützt sind, genießen Schülerinnen diesen Schutz nicht. Sie sind nicht vom personellen Geltungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasst. Ihr Schutz ergibt sich lediglich aus der allgemeinen Obhutspflicht. Es gibt aber kein vorgeschriebenes und nachprüfbares Verfahren zur Behandlung solcher Fälle, geschweige denn eine unabhängige Beschwerdestelle, die nicht Partei ergreift zugunsten beispielsweise des doch allseits beliebten Sportlehrers.
Die Regelungen eröffnen den Betroffenen und den Eltern nicht die Möglichkeit zu prüfen, welche Verhaltenskonsequenzen gezogen werden, welche Verfahren einzuhalten sind und in welcher Weise ihr Fall geprüft oder beschieden worden ist. Auch gibt es kein Maßregelungsverbot gegenüber Schülerinnen, die einen Fall angezeigt haben.
Selbst bei „#MeToo“ konnte man nachlesen, dass viele betroffene Mädchen irgendwie die Schulzeit hinter sich gebracht haben, weil sie Angst hatten, dass gerade die Anzeige ihre Chancen auf gute Noten verschlechtert und dieser Umstand irgendwie Auswirkungen auf ihre Berufswahlmöglichkeiten und somit auf das ganze Leben haben könnte.
Bremen hat vor einigen Jahren eine Expertinnenkommission gebildet und ein Verfahren verbindlich festgelegt. Es ist zwar leider nicht dort im Schulgesetz verankert worden, aber die Dienstanweisungen gegenüber den Schulen sind sehr umfangreich; sie lehnen sich an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz an.
Ich bin der Ansicht, wir sollten offensiv mit dem Thema umgehen und eine entsprechende Regelung im Schulgesetz beschließen. Genau dieses offensive Agieren erwarte ich bei diesem Thema von uns allen, natürlich auch von der Landesregierung. Wir reden hier nicht über ein Thema, das durch die Gleichstellungsbeauftragten der Ressorts bearbeitet werden soll. Diese können gern zurate gezogen werden. Aber die eigentliche Arbeit obliegt den eigentlichen Fachabteilungen. Uns interessiert natürlich - deswegen auch der Antrag auf Berichterstattung -, wie das realisiert wird.
Mich hat kürzlich ein Mitglied der Landesregierung gefragt, woran man denn eigentlich sexuelle Belästigung erkenne. Entscheidend ist dabei immer der Empfängerhorizont. Was möglicherweise bewundernd gemeint ist, kann eben belästigend verstanden werden.
Meines Erachtens steht hierbei nicht eine Sanktion an erster Stelle; aber eine Nachhilfe und eine kritische Reflexion sind meines Erachtens der Einstieg in einen Bewusstseinswechsel.
nicht das Ende des Flirts, der in einer glücklichen Beziehung enden kann. All jenen, die die vorgenannten Probleme in dieser banalen Art und Weise herunterspielen, sei gesagt, dass sie damit den Menschen, die belästigt werden, nicht gerecht werden, sondern in unzulässiger Weise verharmlosen.
Ich danke den Koalitionsfraktionen für ihren Alternativantrag und rege an, dass wir unseren Antrag um diesen Alternativantrag erweitern; denn ich glaube, in Gänze sind es weitere Puzzlesteine, die wir als Landtag in der Debatte zu diesem Thema leisten können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau von Angern für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Drei Minuten Redezeit je Fraktion sind vorgesehen.
Eine Kurzintervention. - Ich will nur festhalten, welche Absurdität hier soeben geäußert wurde. Sie haben gesagt, einzig und allein der Empfängerhorizont soll ausschlaggebend dafür sein, wann etwas sexuelle Belästigung ist.
Sie haben sogar, als unser lieber Kollege Farle seinen Gürtel enger schnallen musste, gleich geschrien - das habe ich gesehen -: Ich fühle mich sexuell belästigt!
Entschuldigung, wenn ich einen Schluck Hustensaft nehme, sagen Sie auch: Ich fühle mich sexuell belästigt! Sie könnten sich bei allem für sexuell belästigt erklären. Das heißt, wenn es so ist, dass nur der Empfängerhorizont ausschlaggebend ist,
dann geben Sie Frauen die Möglichkeit, ihre Umwelt zu terrorisieren, indem Sie erklären, sie seien von allem Möglichen sexuell belästigt. - Das ist die erste Bemerkung.
Frau von Angern, möchten Sie antworten? Herr Dr. Tillschneider hat noch eine Frage gestellt? - Frau von Angern, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident. - Vielleicht eine kurze Richtigstellung. Sie haben das Protokoll nicht gelesen. Ich habe bei dem Vorfall in der letzten Sitzung gesagt, dass wir uns belästigt gefühlt haben. Ich hoffe, dass wir uns darin einig sind, dass man sich hier vorne nicht den Gürtel hochzieht. Das ist einfach respektlos.
Aber, Herr Kollege Tillschneider, Ihr Redebeitrag hat mir deutlich gemacht: Sie haben nicht verstanden, was ich gesagt habe.
Wir fahren nun in der Debatte fort. Es ist eine Rededauer von drei Minuten je Fraktion vereinbart worden. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Keding. - Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt rücken am Vortrag des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen besonders ins Blickfeld. Das Thema berührt alle Bereiche der Gesellschaft. Aber sexuelle Belästigung wird vielfach noch immer tabuisiert und nicht ernst genommen, teilweise auch als Kavaliersdelikt oder als Prüderie abgetan. Die Dunkelziffer ist hoch, da Ängste und Schamgefühl die Betroffenen oft über das Erlebte schweigen lassen.
Dabei hat die sexuelle Belästigung viele Facetten. Sie reicht von scheinbar harmlosen Witzen, plumper Anmache, unsittlichen Berührungen bis zur sexuellen Nötigung.
Frauen sind dabei aufgrund ihres Geschlechts häufiger von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, aber auch in anderen Lebensbereichen betroffen. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist durch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aus dem Jahr 2006 ausdrücklich verboten worden. Viele Frauen wissen jedoch oftmals nicht, wie sie sich dagegen wehren können, und fragen sich, ob sie Gehör finden oder vielleicht lächerlich gemacht werden, wenn sie sich beschweren.
Also, an wen wendet man sich? Gleichstellungsbeauftragte, Personalrat, Vorgesetzte sind Ansprechpartner. Aber es gibt auch das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, auf das ich an dieser Stelle gern ausdrücklich hinweisen möchte. Die Telefonnummer lautet: (0 80 00) 11 60 16. Das Hilfetelefon ist eine kostenlose und bundesweit erreichbare Einrichtung, die durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben installiert wurde.
Bei Belästigungen am Arbeitsplatz sind die Vorgesetzten gefordert und verpflichtet, in ihren Zuständigkeiten Verantwortung zu übernehmen und die Opfer zu unterstützen. Das gilt auch für die Fälle, in denen die Opfer Strafanzeigen gestellt haben oder dies zumindest erwägen.
Wir sollten aber auch den Bereich der sexualisierten Gewalt einschließlich des sexuellen Kindesmissbrauchs in den Blick nehmen. Auch die Bereiche LSBTTI und Prävention verdienen Aufmerksamkeit.
Um sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt wirksam begegnen zu können, dürfen wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Dazu zählen Angebote für Betroffene ebenso wie Präventionsmaßnahmen, aber auch eine Rechtstatsachenforschung. Ich bitte deshalb darum, dem Alternativantrag der Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zuzustimmen. - Vielen Dank.
Es gibt keine Fragen. Ich danke der Ministerin für die Ausführungen. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. Sie haben das Wort.