Protocol of the Session on October 27, 2017

Das ist die Fortsetzung der seit mehr als zwölf Jahren betriebenen Nichtaufklärung. Es ist eine weitere Spirale des Schweigens und des Vorenthaltens von Informationen und es ist auch eine Missachtung des Parlamentes und des Rechtes der Öffentlichkeit auf wahrheitsgemäße und vollständige Information. Denn, nein, der letzte Vorgang ist eben nicht der einzige fragwürdige; er setzt dem Ganzen nur die Krone auf.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Zehn Monate lang hat die Staatsanwaltschaft Dessau ein neues Brandgutachten geprüft. Zehn Monate lang blieben Fragen nach dem Inhalt unbeantwortet, Fragen der Nebenkläger ohne Nachricht. Dann wird im Juni dieses Jahres der Fall

nach Halle abgegeben. Trotz erheblichen medialen und öffentlichen Interesses geschah dies, ohne dass es eine aktive Information der Öffentlichkeit und der Nebenklage gegeben hätte.

Am 30. August 2017 - das ist ein wichtiges Datum, wie wir sehen werden - fragt laut Aussage der Nebenkläger eine Anwältin der Nebenklage telefonisch bei der Staatsanwaltschaft Halle an, wer in Halle mit dem Fall betraut sei. Sie erhält die Antwort, dass der Staatsanwaltschaft Halle kein Verfahren mit dem bisher verwendeten Aktenzeichen oder dem Namen Jalloh vorliegt. Die Staatsanwaltschaft Halle prüft dann in nicht einmal drei Monaten, wie wir jetzt wissen, gründlich und sorgfältig und kommt zu dem Ergebnis, die Justiz vermöge es nicht, hier für Aufklärung zu sorgen. Aber auch dazu gibt es keine aktive Informationspolitik des Justizministeriums oder der Staatsanwaltschaft.

(Zuruf von Eva Feußner, CDU)

Vielmehr erscheinen Zeitungsartikel, die über die Inhalte des noch immer nicht veröffentlichten Gutachtens berichten. Es gibt Kleine Anfragen im Landtag. Es gibt Selbstbefassungsanträge. Es gibt eine Debatte hier im Landtag. Die Ministerin weist jede Problematisierung als unbegründet zurück und stellt den Verfahrensausgang als offen dar. Und nur sieben Arbeitstage später erklärt die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens. Und nun stellt sich heraus, dass diese Entscheidung schon wesentlich eher festgestanden haben muss, nämlich am 30. August 2017.

(Jens Kolze, CDU: Hörensagen!)

Ich wiederhole mich: So agiert kein Ministerium, das erstens um Aufklärung bemüht ist und das sich zweitens der Symbolik und Signale dieses Falls bewusst ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein verheerendes Signal. Deswegen werbe ich um Zustimmung sowohl zu unserem in den Rechtsausschuss überwiesenen Antrag als auch zu unserem Antrag zur Missbilligung des Verhaltens der Ministerin für Justiz und Gleichstellung.

Meine Damen und Herren! Nun gab es einige Presseberichterstattungen dazu. Ich habe gelesen, dass der Kollege Striegel sagt, dass das, was wir hier tun, Effekthascherei sei.

(Zustimmung bei der CDU)

Sebastian, das halte ich gerade aus deinem Mund für einen bemerkenswerten Vorwurf. Ich wäre froh, wenn wir auf diesen Schritt hier hätten verzichten können.

(Zuruf von der AfD)

Der Effekt, um den es uns geht, ist es, den Vorgang hier im Plenum thematisieren und proble

matisieren zu können. Ein Missbilligungsantrag ist dafür der adäquate Weg. Wenn das Signal der Justiz ist, dass sie keine Aufklärung über das Schicksal Oury Jallohs leisten kann, dann braucht dieses Signal eine politische Antwort. Eine solche Antwort wäre eine Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir treten jetzt in die Dreiminutendebatte ein. Für die Landesregierung - -

(Markus Kurze, CDU, meldet sich)

- Es gab eine Nachfrage. Die habe ich nicht gesehen. - Frau Quade, es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Kurze.

(Henriette Quade, DIE LINKE: Ich reagiere nachher darauf!)

- Okay. - Dann können Sie jetzt Ihre Frage stellen. Frau Quade hat gesagt, sie reagiert am Ende der Debatte darauf.

Frau Quade, Sie haben sehr viel Engagement in diese Thematik hineingesteckt. Respekt! Mal eine Frage meinerseits: Es gibt ja in Wittenberg auch einen ganz aktuellen Fall, der auch nicht einfach zu erscheinen sei, zu erscheinen ist,

(Eva von Angern, DIE LINKE: Deutsch ist eine schwere Sprache!)

- deutsche Sprache, schwere Sprache - erscheint.

(Zuruf: Zu sein scheint!)

Würden Sie in dessen Begleitung auch so viel Engagement einbringen wie in diesem Fall oder würden Sie diesen Fall als nicht so ganz so problematisch ansehen hinsichtlich der Symbolik und der Signale, wie Sie sie soeben beschrieben haben?

(Henriette Quade, DIE LINKE: Wenn Sie den Fall mal näher erläutern würden!)

Ich hoffe, Frau Quade hat die Frage verstanden. Sie hat aber gesagt, dass sie sie nachher beantworten wird, wenn sie noch mal reagiert. - Dann können wir jetzt in die Dreiminutendebatte einsteigen. Für die Landesregierung spricht der Ministerpräsident Herr Haseloff. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zu dem Tagesordnungspunkt einleitend Frau Ministerin für Justiz und Gleichstellung

mit ihren hier am 28. September 2017 gesprochenen Worten zitieren:

„Ein Mensch wurde in Gewahrsam genommen und kam in der Obhut der Polizei ums Leben. Es versteht sich von selbst, dass die rückhaltlose Aufklärung aller Umstände, die zu diesem furchtbaren Geschehen führten, von Anfang an Ziel aller Anstrengungen der Strafverfolgungsbehörde sein musste.

Stirbt ein Mensch im Zusammenhang mit Feuer, noch dazu in einem öffentlichen Gebäude, so ist die Aufklärung der Ursachen besonders wichtig. Denn es gilt dann nicht nur etwa bestehende persönliche Verantwortlichkeiten aufzuklären, sondern auch mögliche technische Ursachen zu ermitteln, um weitere Personen in gleicher Lage zukünftig vor einem ähnlich grausamen Schicksal zu bewahren.

Die Regeln, nach denen diese Aufklärung zu erfolgen hat, sind in einem Rechtsstaat vorgegeben. Maßstab für jegliches Handeln der Strafverfolgungsbehörde ist die Strafprozessordnung.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Strafprozessordnung ist befolgt worden. Sie verbietet spekulative Äußerungen zu laufenden Ermittlungsverfahren. Ihre Regeln gelten für das Handeln aller Beteiligten, auch für die Landesregierung.

Die Staatsanwaltschaft Halle hat das Ermittlungsverfahren im Fall Oury Jalloh am 12. Oktober 2017 eingestellt. Vorher konnte und durfte dementsprechend auch die Ministerin für Justiz und Gleichstellung keine Aussage zum etwaigen Ausgang des Verfahrens treffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Einzelnen stellte sich das Verfahren so dar: Der sachbearbeitende Dezernent der Staatsanwaltschaft Halle erwog die Einstellung des Verfahrens nach § 172 der Strafprozessordnung, weil die Ermittlungen nach seiner Einschätzung keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten begründeten. Er sah darüber hinaus keine Ansatzpunkte mehr, anhand derer das Verfahren mit weiteren Ermittlungen hätte fortgesetzt werden können.

Mit Verfügung vom 30. August 2017 legte der sachbearbeitende Dezernent seine Einschätzung verwaltungsintern der Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft Halle mit der Bitte um Billigung vor. Diese in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vorläufige Einschätzung des zuständigen Dezernenten stand demnach noch unter dem Vorbehalt des Einverständnisses durch die erfahrene Behördenleiterin.

Die leidende Oberstaatsanwältin in Halle war damit aufgefordert, nach eigener gründlicher Prü

fung die abschließende Entscheidung zu treffen. Sie hat sich dafür Zeit genommen bis zum 12. Oktober 2017, was angesichts des Umfangs der Akten und der Brisanz des Verfahrens überhaupt nicht außergewöhnlich ist, sondern, ganz im Gegenteil, bei einem Umfang von mehreren Umzugskartons voll Akten erforderlich gewesen sein dürfte.

Am selben Tag ist auf dem Dienstweg über den Generalstaatsanwalt Naumburg dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung die Einstellung des Verfahrens berichtet worden. Ebenfalls am 12. Oktober 2017 ist der Initiative „In Gedenken an Oury Jalloh e. V.“ und den Rechtsanwältinnen des Vaters und des Bruders des Verstorbenen mitgeteilt worden, dass das Verfahren eingestellt worden ist.

In den Einstellungsbescheiden an die Rechtsanwältinnen hat die leitende Oberstaatsanwältin auf die Erwägungen in dem Vermerk des zuständigen Dezernenten vom 30. August 2017 jeweils Bezug genommen. Der Vermerk wird nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Halle mit weiteren Ablichtungen aus der Ermittlungsakte den beiden Vertreterinnen übersandt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte fest, der Bericht über die Einstellung des Verfahrens vom 12. Oktober 2017 erreichte das Ministerium für Justiz und Gleichstellung am selben Tag. Zuvor hatte Frau Ministerin für Justiz und Gleichstellung keine Kenntnis von der Verfahrenseinstellung.

Die Ausführungen in der am 21. September 2017 als Landtagsdrucksache 7/1901 ausgegebenen Antwort der Landesregierung waren damit ebenso zutreffend und rechtlich geboten wie die Rede vom 28. September 2017. Ich kann deshalb ein zu missbilligendes Verhalten von Frau Ministerin Keding nicht feststellen. Sie hat mein volles Vertrauen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und von der Regie- rungsbank - Zustimmung von Andreas Mro- sek, AfD)

Ich sehe keine Nachfragen. Deswegen spricht jetzt für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Frage- und Auskunftsrecht der Mitglieder des Landtages ist ein hohes Gut. Genau deshalb ist es in Artikel 53 unserer Landesverfassung geregelt. Dort heißt es eindeutig, dass die Mitglieder der Landesregierung Anfragen von Mitgliedern des Landtages nach bestem Wissen und Ge

wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten haben.

Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob die Ministerin gegen diese Regelung verstoßenen hat. Und nur darum geht es auch in dem heute vorliegenden Antrag auf Missbilligung. Oder es geht, wie DIE LINKE es in ihrem Antrag sagt, um die Frage, ob die Ministerin wider besseres Wissen dem Parlament Informationen vorenthalten hat. - Ich meine, vor dem genannten Hintergrund läuft die Missbilligung ins Leere.