Wir fahren jetzt in der Debatte fort. Fünf Minuten Redezeit je Fraktion sind vorgesehen. Für die Landesregierung spricht der Minister Herr Webel. Herr Webel, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! In der Vergangenheit haben auch in Sachsen-Anhalt Unwetterlagen immer wieder zu schweren Verkehrsbehinderungen geführt. Davon war der Verkehr auf der Straße und auf der Schiene gleichermaßen betroffen.
Ich denke, wir sind uns hier alle einig - deshalb auch vielen Dank für diesen Antrag -, dass es im Fall des öffentlichen Verkehrs ein besonderes Informationsinteresse gibt, dem die Verkehrsunternehmen zu entsprechen haben. Deshalb ist die Landesregierung seit langem darum bemüht, sicherzustellen, dass Fahrgäste bei Großstörungen nicht nur gut geschützt sind, sondern auch angemessen betreut und informiert werden. Eigentlich, Frau Lüddemann, reden wir hier heute über etwas Selbstverständliches.
Auch in der Vergangenheit haben größere Unwetter dem Land immer wieder Anlass zur Kritik am Informationsverhalten von Eisenbahnverkehrs
Die entsprechenden Regelungen in den Verkehrsverträgen wurden zielgerichtet verschärft. Das betrifft einerseits die Meldepflicht gegenüber dem Land und der Nasa und andererseits die Weitergabe von Informationen an die Passagiere. Ich sage es hier ganz deutlich: Offensichtlich haben diese Maßnahmen bislang noch nicht ausreichend gefruchtet.
Vielmehr hat die Nasa auch in der jüngeren Vergangenheit feststellen müssen, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Infrastrukturbetreiber derzeit nicht imstande sind, eine akzeptable Fahrgastinformation in Krisensituationen zu gewährleisten. Sie scheinen derzeit organisatorisch, personell und teilweise auch telefonisch überfordert zu sein. Das ist nicht zufriedenstellend und inakzeptabel.
Die Verantwortlichen in den Unternehmen unterschätzen augenscheinlich noch immer die Bedeutung von aussagekräftigen Fahrgastinformationen bei Großstörungen. Gerade in solchen Ernstfällen wollen die Passagiere doch besonders genau wissen, ob Züge überhaupt fahren und mit welchen Verspätungen zu rechnen ist.
Stattdessen haben viele hunderttausend Reisenden bei dem Orkan „Xavier“ einen sehr spärlichen Informationsfluss erleben müssen. Es tröstet offenbar auch nicht allzu doll, dass es ein bundesweites Problem ist. Das ist wirklich ein Thema
Die Landesregierung ist jedenfalls entschlossen, die Situation in Sachsen-Anhalt nachhaltig zu ändern. Das Anliegen des Antrags der Koalitionsfraktionen wird auch von der Landesregierung voll und ganz geteilt.
Fahrgäste können bei Unwettern wie „Xavier“ keine detaillierten Prognosen erwarten. Aber was sie zu Recht erwarten können, ist ein verlässlicher Überblick über die Lage: Welche Strecken sind gesperrt? Wo fahren noch Züge? Gibt es einen Notverkehr? Lohnt es sich überhaupt, am Bahnhof zu warten, oder muss eine Alternative gesucht werden? Wo sind verlässliche Informationen und Ansprechpartner zu finden?
Um alle diese Fragen zu beantworten und die Fahrgäste möglichst aktuell zu informieren, müssen alle relevanten Informationen schnellstens zusammengetragen, digital aufbereitet und auf verschiedenen Kanälen dem Fahrgast zur Verfügung gestellt werden, und zwar in den Stationen, in den Fahrzeugen sowie über das Internet. Dazu müssen alle betroffenen Verkehrsunternehmen zusammenarbeiten.
Gleichzeitig müssen veraltete Informationen entfernt werden, sodass in der Fahrplanauskunft Züge nicht weiterhin als pünktlich angezeigt werden, obwohl die Strecken längst gesperrt sind.
Das alles sind zugegebenermaßen sehr komplexe Aufgaben. Ich denke aber, dass hier keine unerfüllbaren Forderungen formuliert werden. Vielmehr ist es das Mindestmaß an angemessenem Kundendienst, gerade auch angesichts der Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet und die jeder Einzelne von uns heutzutage auf seinem Smartphone gewohnt ist.
Im Zeitalter der Digitalisierung ist es kaum verständlich, wenn man ziemlich genau das Wetter in einer Woche vorhergesagt bekommt, aber nicht weiß, ob der Zug, in dem man gerade sitzt, in den nächsten zwei Stunden ankommen wird. Offenbar fehlt es den Unternehmen an Personal, abgestimmten Konzepten und standardisierten Prozessen, um diesem Informationsbedürfnis gerecht zu werden.
Auch fehlende Kommunikation untereinander oder ungeeignete Datenschnittstellen werden immer wieder als Problem genannt. Doch für mich ist klar, dass die Fahrgäste heutzutage einen guten Überblick über die Verkehrslage bekommen wollen und sollen; das insbesondere bei solchen Problemen wie mit „Xavier“.
Deshalb werden die Landesregierung und die Nasa „Xavier“ zum Anlass nehmen, die aufgetretenen Informationsmängel zusammen mit Eisenbahnunternehmen und den Infrastrukturbetreibern sehr kritisch auszuwerten und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu vereinbaren.
In diesen Prozess werden die Fahrgastbeiräte und Fahrgastverbände einbezogen. Unser Ziel ist es, ein Fahrgastinformationskonzept für Großstörungen zu entwickeln, in dem die Verantwortlichen in solchen Ausnahmesituationen klar geregelt sind.
Es muss klar geregelt sein, welche technischen Systeme zum Einsatz kommen und welchen Anforderungen sie genügen müssen. Wir haben den Anspruch, dass die Fahrgäste in solchen Situationen nicht alleingelassen und ihnen die nötigen Informationen gegeben werden; und zwar über hochwertige, zeitgemäße und krisenfeste Kommunikationskanäle. Diesen Anspruch wird die Landesregierung im Sinne aller Fahrgäste gegenüber den Eisenbahnunternehmen mit Nachdruck durchsetzen. - Herzlichen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Minister Webel für seine Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die AfD spricht der Abg. Herr Büttner. Herr Büttner, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen wird nicht mehr bringen als eine Linderung der Symptome. Denn er beseitigt leider nicht die Ursache für vermeidbare Zugausfälle und Verspätungen. Die Diktion des Tagesordnungspunkts ist irreführend. Denn sie vermittelt den Eindruck, dass die angesprochene mangelhafte Bahnkundeninformation oder -betreuung nur bei Störfällen als Folge von Extremwetterlagen vorgekommen wäre.
Die Antragsteller behaupten, dass sich Extremwetterlagen - ich vermute, sie meinen damit in Sachsen-Anhalt - zunehmend häufen würden. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte, wenn man offensichtlich nicht nur die Windstärke und -häufigkeit betrachtet.
die vier Feinde der Deutschen Bahn sind immer noch die gleichen wie schon vor 50 Jahren: nämlich Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Denn die Bahn kommt das ganze Jahr zu spät, meine Damen und Herren.
Die Mehrzahl der Störfälle, Zugausfälle und Verspätungen geht nicht auf die wenige Extremwetterlagen im Jahr zurück, sondern auf die technischen und organisatorischen Missstände des Bahnbetriebs und bei der Netzplanung. Noch immer hat im statistischen Mittel mehr als jeder zwanzigste Zug der DB AG eine Verspätung bis zu sechs Minuten in der Ankunft, meine Damen und Herren.
Diese organisatorischen Missstände sowie die parallel durchgeführte Deindustrialisierung Sachsen-Anhalts haben Sie in den letzten 27 Jahren mit zu verantworten, meine Damen und Herren.
Sie haben es zugelassen, dass die Deutsche Bahn AG auch in Sachsen-Anhalt massive Streckenstilllegungen durchgeführt hat, die am Ende zu Netzengpässen führten.
Seit 1990 wurde der Betrieb beim Personenschienenverkehr in Sachsen-Anhalt auf mehr als 50 Streckenabschnitten eingestellt. Die für den Güterverkehr hervorragend nutzbare durchgehende Entlastungsstrecke der Kanonenbahn von Metz bis Berlin wurde mutwillig und ohne Grund aufgegeben. Ein langer Abschnitt dieser Strecke in Sachsen-Anhalt von Sangerhausen bis weit hinter Barby profitierte vom Windschatten des Harzes und war daher daher weniger anfällig gegen die häufigsten Sturmereignisse aus südwestlicher bis nordwestlicher Richtung.
Die kürzeste Verbindungsstrecke der beiden Landeshauptstädte Magdeburg und Erfurt über Güsten - Sangerhausen ist an vielen Abschnitten noch immer im Nachkriegsdemontagezustand, nämlich eingleisig. Der wichtige Bahnknotenpunkt Güsten im Windschatten des Harzes wurde sinnlos in
seiner Umleitungsfunktionalität rückgebaut. Dabei haben im Übrigen sehr viele Güstener ihren Job verloren. Damit haben Sie Güsten am Ende zu einem strukturschwachen Gebiet gemacht.
Durch die Bündelung von Personen- und Güterschienenverkehr auf diesen wenigen verbleibenden Streckenabschnitten und den Wegfall von potenziellen Ausweich- und Umleitungsstrecken wurden von den Bundesregierungen und der Deutschen Bahn AG einzelne Punkte des Versagens geschaffen, die bei einem einzelnen Extremwetterereignis an den für den Bahnverkehr empfindlichsten Stellen zwangsläufig zu einem Totalausfall vieler Fernverbindungen im Personen- und Güterverkehr führen müssen.
Die speziell von CDU und SPD verschuldete Verkehrspolitik beim Schienenverkehr ist neben Missmanagement der Deutschen Bahn AG die Hauptursache für die noch immer zu große Anzahl von Störfällen und Verspätungen im Bahnverkehr.
Meine Damen und Herren! Ich sagte es Ihnen schon: Dieser Antrag ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber er lindert eben nur die Symptome. Die Ursachen bleiben unberührt.
Darum fordere ich Sie auf: Beseitigen Sie die Ursachen! Ansonsten haben wir hier jedes Jahr mit demselben Problem zu tun und müssen jedes Jahr über das reden, was wir eigentlich längst hätten abstellen sollen. - Ich danke Ihnen.
Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Daher danke ich dem Abg. Büttner für die Ausführungen. - Für die SPD spricht der Abg. Herr Dr. Grube. Herr Dr. Grube, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Büttner, Sie haben gefordert, dass wir die Ursachen bekämpfen. Die Ursache für Extremwetterlagen ist der Klimawandel.