Protocol of the Session on August 24, 2017

(Beifall bei der LINKEN)

Genau diese Entwicklung aber organisiert die Landesregierung mit ihrer fortgesetzten Verknappung der Personalkapazitäten. Ich erinnere an die Debatte zur Großen Anfrage zur Kinderarmut von heute Vormittag und unter anderem an die beiden dort erwähnten Studien. Ein anhaltender und sich verschärfender Mangel an Pädagogen wirkt selektiv auf den Bildungserfolg.

Die Landesregierung befördert damit im Rahmen ihrer originären Zuständigkeit für das Schulwesen das Vererben von schlechter Bildung und damit das Vererben von Armut, weil sie die Möglichkeiten der Schulen zur Kompensation ungünstiger Umfeldbedingungen beschneidet.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie entziehen gerade an den Grundschulen, an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen und an den Förderschulen genau jenen, die besondere Unterstützung brauchen, die Grundlagen für eine erfolgreiche Schulkarriere. Denn wenn Sie tatsächlich einmal genauer hinschauen, dann werden Sie schnell erkennen, wo das Schulversagen stattfindet.

Es betrifft die inzwischen bis zu 10 000 ausländischen Schülerinnen und Schüler, denen durch den Abzug der Sprachlehrer derzeit massenhaft ein zügiger und umfassender Spracherwerb und damit in der Folge eine erfolgreiche Teilnahme am Fachunterricht verweigert wird.

Es betrifft die bis zu 15 000 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, denen sowohl an den Förderschulen als auch im gemeinsamen Unterricht an Regelschulen vielfach keine ausreichende Unterstützung durch Förderschullehrer und pädagogische Mitarbeiterinnen gewährt wird.

Und es betrifft viele Schülerinnen und Schüler an Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen, de

ren Unterrichtsangebot mittlerweile mehrfach gekürzt wurde.

Nicht vergessen werden dürfen die fortlaufenden Kürzungen bei der Zahl an Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeiterinnen an den Grundschulen, die uns im aktuellen Schuljahr mit Sicherheit noch sehr intensiv beschäftigen werden. Denn die Grundlagen für den Erfolg in der Schule werden zu Beginn gelegt, die Grundlagen für den späteren Misserfolg aber eben auch. Auf den Anfang kommt es an, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung und wir alle hier im Hohen Haus werden uns also darauf einstellen müssen, dass in den nächsten Jahren der Anteil der Schüler ohne regulären Schulabschluss weiter steigen und nicht sinken wird und dass Sachsen-Anhalt bundesweit die rote Laterne fest in der Hand behält. Hierin liegt einer der wichtigen Hebel, um Kinderarmut in der Zukunft zu verringern.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Land kann sich nicht nur mehr Investitionen in die Bildung seiner Kinder leisten, es muss dies tun. Das verlangt auch die Bevölkerung inzwischen sehr nachdrücklich von uns allen im Hohen Haus. Denn noch vor unserer nächsten Sitzung werden wir erfahren, wie viele zehntausend Wähler die Forderungen der Volksinitiative nach mehr pädagogischem Personal unterstützen.

Mit unserem Sofortprogramm sprechen wir einen konkreten Teilbereich an, der sich speziell gegen das Schulversagen wendet. Schauen Sie es sich genau an und verweigern Sie den Schulen und den betroffenen Schülerinnen und Schülern nicht weiter die Unterstützung, die sie dringend brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können hier nicht sparen. Sie nehmen vielmehr eine Hypothek auf, an der wir alle schwer zu tragen haben. Setzen Sie die Zukunft dieser Kinder und Jugendlichen und die Zukunft des Landes nicht weiter aufs Spiel. Tun Sie wirklich etwas für Chancengleichheit durch bessere Bildung für alle Kinder und beginnen Sie hier und heute mit dem Kampf gegen Kinderarmut. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lippmann, es gibt eine Frage. - Herr Borgwardt, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Kollege Lippmann, neben den ganzen statistischen Zahlen wollte ich Sie gern noch

einmal zu der Mitverantwortung der Eltern fragen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Kinder aus sozial bessergestellten Verhältnissen - das sind ja im Regelfall die Familien, in denen beide Eltern arbeiten; deswegen sind die sozial bessergestellt - mehr Unterstützung erhalten als Kinder aus sozial prekären Verhältnissen, also aus Familien, in denen im Regelfall beide Eltern nicht arbeiten?

Das heißt, die Eltern, die arbeiten, kümmern sich also neben ihrer Arbeit so um ihre Kinder, dass sie mögliche Schwachstellen ausräumen. Habe ich Sie da richtig verstanden?

Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Das mag man bedauern oder interpretieren, aber das ist das, was uns jede sozialpädagogische Forschung sagt. Das ist der Zusammenhang zwischen dem Bildungserfolg und den Sozialstrukturen im Elternhaus.

Es ist in der Tat so, dass akademisch gebildete Eltern - jetzt unabhängig von der Frage, ob und wie viel die arbeiten - in die Bildung ihrer Kinder viel mehr einbringen, von dem die Gesellschaft insgesamt natürlich auch profitiert, als es in sogenannten bildungsfernen Schichten - wir kennen ja den Begriff - der Fall ist. Es ist schlichtweg so; das kann man bedauern.

Jetzt ist die Frage, welche Kompensationsleistungen der Staat über seine Schulen bringt oder nicht bringt. Deswegen sage ich noch einmal ausdrücklich: Mangelnde Lehrkräfteversorgung ist auch für gute Schüler nicht gut, aber die sind über ihre Umfeldstrukturen - das sind ja nicht nur die Eltern, das sind auch andere Strukturen, Vereinsstrukturen usw. - ganz anders in der Lage, sich trotzdem zu bilden, während das bei den Sozialschwachen schlichtweg nicht der Fall ist. Wenn die in der Schule nichts mitbekommen, dann bleiben die auf der Strecke.

Ich sage noch einmal ganz ausdrücklich: Dadurch, dass wir die Ressourcen verknappen, sorgen wir dafür, dass es genau den Schulen, deren Schüler Unterstützung brauchen, richtig schlecht geht. Ich wollte es nicht herumdrehen. Aber wenn Sie der Aufzählung folgen, dann kommt eine Schulform nicht vor. Das soll keine Neiddiskussion sein; denn den Gymnasien geht es auch nicht besonders gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lippmann, Herr Raue hat noch eine Frage.

Herr Lippmann, wie setzen Sie sich denn eigentlich mit dem Vorwurf Ihrer Kollegen auseinander, dass insbesondere bildungsunwillige junge Ausländer den Unterricht an den Schulen massiv stören und es dann auch zu Vorwürfen der Eltern deutscher Kinder kommt, dass gerade dadurch der Bildungserfolg der ganzen Klasse konterkariert wird?

Das ist ein Phänomen, das jetzt in letzter Zeit erheblich zunimmt. Wie viel Geld wollen Sie da investieren? Wie verhalten Sie sich dazu? Was sagen Sie den Lehrern, wie die damit umgehen sollen? - Denn das führt meines Erachtens auch zu einem erhöhten Krankenstand.

Sie wissen, dass ich aus dem Bereich komme und dort lange und intensiv gearbeitet habe. Wir sind auch heute dort unterwegs. Ich kann einfach Ihren Befund nicht bestätigen. Wir fragen intensiv nach.

(Beifall bei der LINKEN - Ach! bei der AfD)

Dann legen Sie was Belastbares auf den Tisch. Es sind natürlich erst einmal Kinder und Jugendliche, wie alle anderen auch. Kinder und Jugendliche haben natürlich Entwicklungsprobleme und Bildungsprobleme, sonst bräuchten wir die Institution Schule nicht. Aber es spricht überhaupt nichts dafür, nein, es spricht überhaupt nichts dafür.

(Markus Kurze, CDU: Ach!)

Und wir reden mit Schulen, die haben einen Anteil zwischen 50 % und 60 % ausländischer Kinder.

(Markus Kurze, CDU: Halle-Neustadt, Mag- deburg! Das steht doch in der Zeitung!)

- Ja, wenn die Schulen das entsprechende Personal haben, was sie auch für bildungsschwierige deutsche Kinder brauchen, dann sind die Probleme nicht nur nicht unterschiedlich, dann sind sie tendenziell geringer als mit den bildungsschwierigen deutschen Kindern.

Die Probleme entstehen in den Schulen immer dann, wenn für die Probleme, die die Schule bearbeiten soll - da ist es völlig egal, und den Schulen ist das auch völlig egal, ob das deutsche oder ausländische Kinder sind -, das Personal fehlt, um den Aufgaben gerecht zu werden. Tendenziell sind die Probleme bei den deutschen Kindern eher größer als bei den ausländischen; aber es gibt natürlich welche.

(Beifall bei der LINKEN - André Poggen- burg, AfD: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Herr Lippmann, Herr Raue hat noch eine Nachfrage. - Herr Raue, Sie haben das Wort.

Herr Lippmann, da muss ich Ihnen ganz klar widersprechen. Das zeigen nicht nur Studien der Zeitschrift Ihrer eigenen Gewerkschaft „Bildung und Erziehung“, sondern das zeigt auch die polizeiliche Kriminalstatistik. Gerade junge Ausländer, und auch die jüngsten, sind mindestens dreimal gewalttätiger und fallen dreimal mehr im Unterricht störend auf als deutsche Kinder. Das können Sie hier nicht wegdiskutieren.

Auch Ihre eigenen Kollegen sagen das. Natürlich sind die auch eingeschüchtert durch das Landesschulamt. Die wollen sich natürlich nicht vorwerfen lassen, dass sie in irgendeiner Form diskriminierend handeln oder Vorurteile gegenüber den

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Das steht in der Polizeistatistik!)

jungen Zuwanderern haben. Aber wenn Sie eine Vertrauensbasis mit denen haben, werden die Ihnen das auch erklären und auch genauso berichten.

Wie gesagt, gucken Sie in Ihre eigene Zeitung. Da gibt es Studien, die sind schon sehr viel älter als 2016. Schon da ist es in den alten Bundesländern ein drängendes Problem gewesen. Genau, wie Sie das sagen,

Herr Raue, die Redezeit bitte beachten.

bei 50, 60, 70 % Ausländeranteil, da haben Sie einfach keine Ruhe in der Klasse. Damit müssen Sie sich auseinandersetzen und da nützen auch keine weiteren Gelder etwas.

Herr Lippmann, wollen Sie darauf antworten?

Nein, es lohnt sich nicht.