Vor Ort, also in der Praxis, wird nach Stärken und Reserven und der Verantwortung für beides geschaut. Auch ich bin Teilnehmerin an diesem Runden Tisch und höre sehr aufmerksam den Praktikerinnen und Praktikern zu.
Drittens. Ja, auch uns ist klar, wir sind nicht immer Herr des Verfahrens. Die Bundesgesetzgebung spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Es hat in den letzten Jahren viel Bewegung gegeben im Bereich der Pflege, es hat Entwicklungs- und Verstärkungsgesetze gegeben, um den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ist lange und heiß gestritten worden, jetzt ist er da. Allerdings finden wir auch noch einige heiße Eisen im Feuer.
Zu diesen heißen Eisen gehört unstrittig der Personalschlüssel in den stationären Einrichtungen. Der Bund hat unlängst das Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragener Krankheiten verabschiedet. In diesem Gesetz kündigt er Regelungen für Personaluntergrenzen, wie sie bisher nur im Bereich der Intensivstationen und der Neonatologie existieren, für weitere pflegeintensive Bereiche an.
Dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft kommt nun die Aufgabe zu, die Bereiche der Kliniken zu definieren, in denen ein erhöhter Pflegeaufwand gegeben ist. Dabei sollen die Erfahrungen der Intensivstationen und der Nachtdienst mit einbezogen werden. Aber kann man damit zufrieden sein? - Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung kommen in Deutschland auf eine Pflegekraft ganze 13 Patientinnen und Patienten. In Norwegen sind das 5,4 pro Pflegekraft und in Großbritannien 8,6.
Bis zum Jahr 2007 haben die deutschen Krankenhäuser ihr Pflegepersonal kontinuierlich abgebaut. Seit 2008 hat sich der Trend umgekehrt. Im Jahr 2015 gab es allerdings immer noch 3,4 % weniger Pflegepersonal als im Jahr 2000. Die Zahl der Ärzte ist dagegen in den 15 Jahren mit plus 42 % deutlich gestiegen.
Der Personalabbau und die deutlich gestiegene Morbidität der Patientinnen haben die Belastungen der Pflegekräfte weiter erhöht. Durch verschiedene internationale wie nationale Studien ist nachgewiesen worden, dass mehr ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerinnen je Behandlungsfall, zum Beispiel bei Hüftfrakturen, zu weniger postoperativen Wundinfektionen pro
Um unerwünschte Behandlungsergebnisse, Komplikationen wie Lungenentzündungen, Wundinfektionen, Dekubitus, Sepsen und Ähnliches möglichst zu vermeiden, sollten in allen Fachabteilungen im Tagdienst für jeweils 7,5 Patienten mindestens eine Pflegekraft da sein.
Um dies zu realisieren, müssten in allen deutschen Krankenhäusern zusammen noch einmal bis zu 6 000 Pflegestellen geschaffen werden.
Vieles spricht dafür, dass in allen Bereichen der stationären Krankenversorgung verbindliche und adäquate Mindestpersonalbemessungen gesetzlich geregelt werden. Nicht zuletzt hat auch der Bundesgesundheitsminister immer wieder geäußert - hier zitiere ich Herrn Gröhe -:
Aus diesem Grund fordern wir die Landesregierung auf, der Bundesratsinitiative aus dem Saarland zuzustimmen. Sie soll im Bundesrat im Juli des Jahres 2017 verhandelt werden. Wir sagen außerdem, auch für weniger pflegeintensive Bereiche müssen zukünftig Mindestzahlen gelten. Es darf keinen Stationsdienst von Einzelpersonen, auch nicht am Wochenende, an Feiertagen und schon gar nicht in der Nacht, mehr geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir trauen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine Menge zu, keine Frage. Allerdings, allein eine Kostenbetrachtung ist für den Einsatz von Personal weniger optimal.
So hängt der tatsächliche Personalbedarf auch von den baulichen Strukturen, der technischen Ausstattung und den Erkrankungen der Patienten
vor Ort ab. Der Mangel an Fachkräften, kurzfristige Personalausfälle und ein zum Beispiel plötzlich steigender Versorgungsbedarf müssen ebenso abgebildet sein. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass bei der Entwicklung bundeseinheitlicher Vorgaben für die Personalbemessung in der stationären Pflege sowohl ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren genutzt wird als auch die Belange der Beschäftigten und der zu Pflegenden mit einbezogen werden.
Am Montag konnten alle Leserinnen und Leser in der „Volksstimme“ einen Artikel lesen, dessen Überschrift lautete - auch hierzu zitiere ich -: Pflegeheimen gehen die Fachkräfte aus. Obwohl der Bedarf in Sachsen-Anhalt wächst, sinken die Lehrlings-Zahlen.
Dazu können die Zahlen, die in der vergangenen Woche am Runden Tisch „Pflege“ genannt wurden, die Situation konkret beschreiben:
Waren es im Schuljahr 2010/2011 noch insgesamt 2 773 Schülerinnen und Schüler in der Altenpflege, so sind es im Schuljahr 2016/2017 nur noch 2 149. Ähnlich sieht es aus im Bereich Altenpflegehilfe: Im Schuljahr 2010/2011 gab es 869 Schülerinnen und Schüler, im Jahr 2016/2017 gab es nur noch 577 Altenpflegehilfeschülerinnen und -schüler.
Die Gesundheits- und Kranken- bzw. Kinderkrankenpflege weist ähnliche Tendenzen auf. So wurden im Schuljahr 2016/2017 1 437 Gesundheits- und Krankenpfleger, 117 Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger und 100 Krankenpflegehelfer ausgebildet.
Und dies alles vor dem Hintergrund, dass der Bedarf an Pflegefachkräften bis zum Jahr 2030 in Sachsen-Anhalt um bis zu 36 % steigen wird. Dies ist die aktuelle Situation in der Ausbildung.
Die Arbeitssituation in der Pflege sieht aktuell nicht viel besser aus. Zum Stichtag 30. Juni 2015 arbeiteten in Sachsen-Anhalt 47 236 Personen in der Pflegebranche, davon waren 16 903 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in stationären Pflegeeinrichtungen.
Die Pflegebranche ist eine Frauendomäne. Sie stellen hier 72 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der Anteil der 45- bis 54-Jährigen ist am Höchsten. Die Fluktuation von jungen Fachkräften, besonders in der Altenpflege, ist besonders hoch, was wohl auf die hohe körperliche und emotionale Beanspruchung zurückzuführen ist.
Die Teilzeit- und auch die Vollzeitbeschäftigung in den vier zentralen Pflegeberufen ist in SachsenAnhalt deutlicher gestiegen als die Beschäftigung in anderen Branchen. Dennoch weist eine Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsfor
schung eindeutige Hinweise nach, die auf einen Fachkräftemangel in der Pflege hindeuten. Auch hierzu zitiere ich:
„In Sachsen-Anhalt waren 2015 die gemeldeten Stellenangebote für examinierte Altenpflegefachkräfte im Schnitt 114 Tage vakant. [...] Die Indikatoren zur Arbeitslosigkeit legen nahe, dass nicht genügend arbeitslose Bewerber zur Verfügung standen. […] Auch bei den Fachkräften der Gesundheits- und Krankenpflege sind Anzeichen für Engpässe vorhanden.“
Die Ursachen für diese Situation sind sehr vielschichtig und können hier an diese Stelle weder vollständig noch intensiv beschrieben werden. Eine wesentliche Schlussfolgerung für uns alle muss es daher sein, die Berufe in der Pflege attraktiver zu machen. Dies bedeutet weniger Belastung für die einzelne Fachkraft, mehr qualifiziertes Personal am Bett erhöht die Patientensicherheit, eine bessere Bezahlung und auch Karrieremöglichkeiten in allen Bereichen der Pflege. Dies alles ist uns allen lange bekannt. Wir müssen nun endlich konkrete Schritte einleiten.
Meine Damen und Herren! Mit der Einführung unseres Vorschlages einer Bürgerversicherung erhöht sich die Einnahmeseite der gesetzlichen Krankenversicherung und macht damit dies alles auch tatsächlich bezahlbar.
Bei den aktuellen Zahlen der Auszubildenden in der Pflege in Sachsen-Anhalt besteht dringender Handlungsbedarf.
Deshalb fordern wir eine Ausbildungskampagne, um die Ausbildungszahlen in der Pflege deutlich zu erhöhen. Dazu sind konkrete Schritte zeitnah einzuleiten. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sollte zum Beispiel die Schaffung einer Ausbildungsumlage sein, um die Einrichtungen, die nicht ausbilden, an den Kosten der Ausbildung beteiligen.
Das ist gerecht. Denn die dann Ausgebildeten werden von ihnen auch gern eingestellt und wir könnten mit der Ausbildungsumlage auch die Qualität der Ausbildung verbessern. Dies macht unter Umständen auch die Schulgelddiskussionen überflüssig.
Sie sehen, auch auf Landesebene gibt es eine ganze Menge zu tun. Die Zeit drängt. Stimmen sie unserem Antrag zu!
fünf Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht wiederum der Minister Prof. Dr. Willingmann in Vertretung der Ministerin Frau Grimm-Benne.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen, es ist das letzte Mal heute.
In Vertretung von Frau Ministerin Grimm-Benne darf ich namens der Landesregierung Stellung nehmen und führe dazu aus.
Mit dem vorliegenden Antrag wird die Landesregierung unter Nr. 1 Buchstabe a aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine verbindliche und adäquate Mindestpersonalbemessung in allen Bereichen der stationären Krankenpflege einzusetzen.
Hierzu kann folgendes angemerkt werden: Die Personalkosten machen ca. 70 % der Kosten aus. Den größten Anteil daran hat zwar immer noch der Pflegedienst, doch ist dieser seit der Einführung der DRG kontinuierlich gesunken. Grund dafür ist, dass die Krankenhausentgelte nach Leistungen abgerechnet werden und nicht mehr wie in der Vergangenheit nach Tagen.
Kennzeichnend für die Entwicklung im Krankenhaus ist deshalb, dass immer mehr Leistungen durch immer mehr ärztliches Personal und verhältnismäßig wenig Pflegende erbracht werden. Für den Pflegedienst ist somit die Arbeitsbelastung wegen der kürzeren Liegezeiten und höheren Fallzahlen enorm gestiegen. Auch dem Patientenwohl ist diese Entwicklung nicht dienlich.
Der Gesetzgeber hatte in der Vergangenheit mehrfach, aber ohne nachhaltigen Erfolg, versucht, diese Tendenz umzukehren und die personelle Besetzung des Pflegedienstes durch Förderprogramme zu verbessern.
Im Zusammenhang mit der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes wird gegenwärtig ein neuer Vorstoß unternommen. Der Entwurf des Bundes basiert auf den Ergebnissen einer hierfür eingesetzten Expertenkommission und zielt auf eine dauerhafte und verursachungsgerechte Finanzierung des personellen Mehrbedarfs ab.
Der zitierte Antrag des Saarlandes geht in die gleiche Richtung. Danach sollen Personalanhaltzahlen für den Pflegedienst verbindlich vorgegeben und in dem Entgeltsystem, den DRG, angemessen abgebildet werden, personelle Mindest