Protocol of the Session on June 21, 2017

Danke, Herr Präsident. - Herr Hövelmann, ich habe eine Frage, weil ich vorhin den Ausführungen des Wirtschaftsministers zugehört habe. Sind Sie derselben Ansicht, dass die einzige Alternative zu den jetzigen Wirtschaftssanktionen gegen Russland eine militärische Intervention Deutschlands ist?

(Siegfried Borgwardt, CDU: Was?)

Verehrter Herr Kollege Büttner, wenn man sich die Klaviatur der Diplomatie anschaut, dann ist dem jedenfalls nach meiner Überzeugung eine militärische Intervention nicht zu entnehmen. Und so habe ich unseren Wirtschaftsminister in seinem Redebeitrag nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Robert Farle, AfD: Genau das hat er ge- sagt! - Matthias Büttner, AfD: Das hat er ge- sagt!)

Da es keine weiteren Fragen gibt, möchte ich heute in unserem Hohen Hause Studentinnen und Studenten des Institutes für Politikwissenschaft

der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

herzlich begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächster spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Gallert. Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Erstens. Liebe Kollegen der Koalition, DIE LINKE stellt einen Antrag, der die Landesregierung auffordert, Bericht über die Erfüllung eines Auftrages zu erstatten, der aus einem Koalitionsantrag stammt, der vor einem Jahr beschlossen worden ist. So wie ich das jetzt vernommen habe, lehnen Sie diesen Antrag ab. Die rationale Argumentation dazu fehlt mir bisher.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht kommt sie ja noch, ich bin gespannt.

Zweitens. Natürlich beschäftigen wir uns im Landtag mit geopolitischen Positionen. Wir sind im Grunde genommen die Betroffenen dieser ganzen Dinge, und im Grunde genommen sind die Wirtschaftssanktionen gegen Russland natürlich Ausdruck einer geopolitischen Interessenlage.

(Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Insofern möchte ich klar sagen, Herr Willingmann, natürlich kann man sich hinstellen und sagen - das haben Sie auch getan -: Wir verteidigen das, weil dies die logische und für Sie einzig rationale Argumentation oder Reaktion auf die Situation der Krim-Annexion ist. Das ist genau die unterkomplexe Herangehensweise, weil nämlich die KrimAnnexion nicht der Ursprung des Problems war.

Vielmehr war die Krim-Annexion eine weitere, wenn auch substantielle Drehung in der Eskalationsspirale zwischen Ost und West. Gab es keine Beschlüsse über US- Raketenschirme, die in Polen stationiert worden sind, gab es keine Beschlüsse zur Nato-Osterweiterung, die natürlich in Russland auf bestimmte elementare Interessenslage trafen?

Wenn solche Aussagen kommen, dass jetzt das Bestreben Russlands besteht, die ostukrainische Wirtschaft in die russische Wirtschaft zu integrieren, dann möchte ich sagen, dass sich der Chef der IHK Magdeburg vor zehn Jahren hier hingestellt hat und gesagt hat, unsere strategische Zielstellung muss es sein - an dieser Stelle hat er die Unterstützung von allen Politikern bekommen -, die ukrainische Wirtschaft nach Westeuropa zu integrieren. Das, was den Russen vorgeworfen wird, war die offizielle politische Strategie von Ökonomie und Politik in diesem Land.

(Dr. Falko Grube, SPD: Wir sind aber nicht einmarschiert! - Zuruf von Katrin Budde, SPD)

Das reflektiert natürlich auf der russischen Seite genau das Bedrohungsszenario, das dann unter anderem zu dem unentschuldbaren Schritt geführt hat. Nur, wir sind nicht auf der Ebene der moralischen Interpretationen. Natürlich ist Völkerrechtsbruch nicht entschuldbar, aber über die Ursachen dafür kann man reden.

Noch einmal: Wer den Bruch des Völkerrechts beklagt, zu Recht beklagt, der schaue bitte in seine eigene Biografie, der schaue bitte selbst hinein: Welche Position hat zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland zum völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg eingenommen?

Deswegen sage ich noch einmal: Uns nutzt diese moralische Debatte nichts. Wir müssen diejenigen sein, die, auch aus unserer historischen Erfahrung heraus, zur Entspannung beitragen. Dafür brauchen wir einen Dialog, und dafür brauchen wir Verständnis.

Dass Sie unseren Antrag ablehnen, ist nun wirklich völlig unbegründbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine Fragen. - Für die GRÜNEN spricht der Abg. Herr Meister.

(Daniel Roi, AfD: Wir haben den Jugosla- wien-Krieg unterstützt! Mal sehen, ob das zur Sprache kommt!)

Herr Meister, Sie haben das Wort.

Danke schön. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben die im Antrag behandelten Fragestellungen bereits im September letzten Jahres diskutiert und eine entsprechende Beschlussfassung herbeigeführt. Da die Situation bedauerlicherweise unverändert ist, erscheint mir die Wiederholung der Diskussion nur bedingt sinnvoll. Noch dazu haben wir am Ausschuss tatsächlich über solche Fragen geredet. Erst in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses hat der Minister umfangreich, sehr dezidiert und sehr differenziert zu den Problemen ausgeführt.

Ich staune. Sie werfen ihm vor, dass er als Hobbyaußenminister unterwegs ist. Herr Farle, sie gehören diesem Ausschuss gar nicht an. Ich hätte erwartet, dass ihr Wirtschaftspolitiker hier vorn steht, wenn es denn so ist.

(Robert Farle, AfD: Das ist falsch! Ich gehö- re jetzt dem Ausschuss an!)

Ich muss auch zugeben, dass es mir schwerfällt, Anträge, die sich demokratiefeindlicher Floskeln wie Merkel-Regime bedienen, als ernsthafte Beiträge im Diskurs um schwierige außen- und wirtschaftspolitische Fragen zu werten.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE, und von Rüdiger Erben, SPD)

Ich würde sagen, damit haben Sie sich disqualifiziert. Man kann mit einem einzelnen Begriff abräumen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Rüdi- ger Erben, SPD, und von der Regierungs- bank)

Für uns stellte sich dann ganz klar die Frage: Was sollen wir mit diesem Antrag?

Tatsächlich ist es so, dass gute Beziehungen zur russischen Föderation und auch intensive Handels- und Wirtschaftsbeziehungen wichtig für uns, für die russische Föderation und für Europa insgesamt sind. Ich sage das nicht leichthin; ich meine, dass die Einbeziehung Russlands in die dauerhafte europäische Friedensordnung unabdingbar ist und eine tiefgreifende Aussöhnung mit Russland eine aus unserer Geschichte erwachsende Aufgabe darstellt. Ich habe mich schon im September in gleicher Weise geäußert.

Der Antrag tut allerdings so, und das genauso wie im September, als wäre die Verhängung der Sanktionen eine Übellaunigkeit der Europäischen Union. Das ist eine grobe Verkennung der Sachlage. Die russische Föderation hat in schwerwiegender Weise gegen das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen verstoßen. Das ist nicht irgendeine bürokratische Regelung, sondern das grundlegende Prinzip unseres Zusammenlebens. Das ist der Unterschied zwischen Krieg und Frieden, zwischen Niedergang und Prosperität.

Auf diesen Verstoß muss man reagieren, wenn man das Prinzip wahren will. Dass eine diplomatische Note nicht ausreicht, liegt, so finde ich, auf der Hand. Säbelrasseln verbietet sich auch. An dieser Stelle gehört das Mittel der Sanktionen zu dem verbleibenden Repertoire der Reaktionsmöglichkeiten.

Ich kenne seitens der Sanktionskritiker - wir haben einige gehört - keinen Vorschlag, der dem Ernst der Situation gerecht wird. Sie sagen immer: Aufheben, aufheben. Aber ich höre keine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Problematik vor Ort.

Es gilt, klarzumachen, dass jeder, der das Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen missachtet, dafür einen hohen politischen Preis zahlen muss. Und es scheint auch zu wirken. Die nach verbalen Äußerungen der russischen Seite in den Jahren 2014 und 2015 zu befürchtende erhebliche Ausweitung der militärischen Aktionen unterblieb.

Da leider die Situation, die zur Verhängung der Sanktionen geführt hat, weiterhin unverändert besteht, müssen auch die Sanktionen weiter gelten. Aber selbstverständlich muss die Aufhebung der Sanktionen, sei es vollständig oder in Schrit

ten oder wie auch immer, Teil und Mittel der diplomatischen Lösung des Konflikts sein.

Dabei geht es mir nicht um Moral und Schuld und um die bösen Russen und so etwas, das ist nicht mein Thema. Vielmehr möchte ich eine Lösung, und diese Sanktionen müssen Teil der Lösung sein. Das ist das Mittel, das der Westen angewandt hat. Ich sehe keine Alternative dazu, dass man damit auch umgeht.

Sie haben die ganzen Probleme von Unternehmen geschildert, die in diesem Bereich tätig sind und die dann tatsächlich ernsthafte Sorgen haben. Diese bringen Sie dann mit diesen Sanktionen in Verbindung. Das ist natürlich eine Ursache; aber dass die russische Wirtschaft nicht läuft, hat natürlich viel, viel tiefgreifendere Ursachen als diese.

Wenn man einmal genau guckt, was sanktioniert wird, dann sind es doch eher geringfügige Sanktionen. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft listet so schön auf, was die Probleme der russischen Wirtschaft sind, nämlich die Diversifizierung der Wirtschaft ist nicht ausreichend, riesige Staatsquote, schlechte Infrastruktur, hohe Korruption, verblüffend hohe Bürokratie. Darunter leiden sie, und das führt natürlich zu Problemen.

Wenn dann auch noch der Preis für die verschiedenen Rohstoffe wie Öl und Erdgas heruntergeht, dann schadet das tatsächlich der russischen Wirtschaft. Die Neigung, Kriege zu führen, führt natürlich dazu, dass für andere Sachen kein Geld vorhanden ist und Infrastrukturmaßnahmen ausbleiben.

Wenn man sich einmal ansieht, wie sich der Außenhandel entwickelt hat - Herr Gallert warf vorhin diese Frage auf -, dann stellt man fest, dass er gesunken ist, aber nicht nur mit uns. Auch der russisch-chinesische Außenhandel ist zurückgegangen. Das wäre genau anders zu erwarten.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU: Ohne Sanktionen!)

- Ohne Sanktionen, natürlich.

Es heißt ja immer, die Chinesen springen ein. Also müsste es jetzt richtig boomen.

(Robert Farle, AfD: Die Amerikaner machen das Geschäft!)