Deshalb ist und bleibt - deswegen sage ich das am Anfang - unsere Vorstellung von Bildungs- und Leistungsgerechtigkeit die Gemeinschaftsschule, und zwar die Gemeinschaftsschule vielfältiger Lernformen.
In der vergangenen Legislaturperiode wollte das auch noch die SPD. Es gab ein Konzept, an dem damals viel herumgestrichen wurde, weil man die Zustimmung der CDU brauchte. Ich sage aus der heutigen Perspektive trotzdem: besser als nichts. Es war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Einige Schulen haben diese Chance genutzt. Sie haben eben nicht nur ihre Türschilder auswechselt, sondern haben sich in der Tat hingesetzt, haben gemeinsam ein Konzept erstritten, haben diese Vielfalt, diese große Bandbreite von unterschiedlichen Lern- und Ausgangslagen als Herausforderung begriffen und meist auch erfolgreich ausprobiert, zumindest so lange, wie ihnen der Hahn nicht abgedreht wurde, und zwar der Hahn der Personalwirtschaft, die man im Grunde nur als Mangelwirtschaft bezeichnen kann.
Sie sind Wagnisse eingegangen, haben neue Wege zum Abitur eröffnet und beispielsweise auch den Plan entwickelt, eine eigene gymnasiale Oberstufe zu entwickeln, und zwar als wirkliche Alternative zum traditionellen Gymnasium; denn ich finde - darin dürften wir eigentlich miteinander übereinstimmen -, Wettbewerb belebt das Geschäft. Eine von ihnen hat im Übrigen vor nicht allzu langer Zeit den Deutschen Schulpreis bekommen.
Heute sind es zwei Koalitionspartner, die zumindest programmatisch Verfechter der Gemeinschaftsschule sind, und heute steht dazu gar nichts im Koalitionsvertrag.
Das ist ein etwas merkwürdiger Vorgang. Aber das eigentliche Problem ist - für heute zumindest, was unseren Antrag betrifft - ein anderes, nämlich dass das Bildungsministerium darauf hinarbeitet, die Gemeinschaftsschulen klammheimlich auszutrocknen,
Ich möchte das einmal anhand von drei Beispielen illustrieren. Zum einen betrifft das die schülerzahlbezogene Lehrerstundenzuweisung. Das ist - das habe ich schon gesagt; das kann man nicht oft genug sagen - die pure Mangelverwaltung; das ist aber heute gar nicht so vorrangig mein Thema.
Der Faktor für die Berechnung ist von 1,48 auf 1,42 gesenkt worden, und zwar für die Sekundarschulen und für die Gemeinschaftsschulen. Das benachteiligt klammheimlich - oder vielleicht auch nicht klammheimlich; ich glaube, eher nicht klammheimlich - die Gemeinschaftsschulen.
Die Sekundarschulen hatten einen Faktor von 1,48 und die Gemeinschaftsschulen von 1,51. Sie hatten also einen Vorteil von 0,3, was den Faktor für die schülerzahlbezogenen Lehrerstundenzuweisung betrifft.
Das machte auch Sinn, weil nämlich Gemeinschaftsschule nur dann Sinn macht, zumindest mit den Schuljahrgängen bis 13, wenn für alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit besteht, eine zweite Fremdsprache zu erlernen, und zwar mit vier Wochenstunden. Ansonsten macht Gemeinschaftsschule keinen Sinn.
Genau die Gemeinschaftsschulen bis zum Schuljahrgang 13, die sozusagen mit Kabinettsbeschluss geadelt worden sind, werden zurückgestutzt auf die Ebene der Sekundarschule. Damit
wären genau diese drei Schulen - es sind nur drei im Land - gezwungen, entweder größere Klassen zu bilden oder auf ihre zusätzlichen Angebote zu verzichten, stärker als Sekundarschulen zumindest, oder sie können die zweite Fremdsprache nicht mehr für alle anbieten.
Das heißt, der Grund für ihre Errichtung, nämlich alle Schulabschlüsse anzubieten, geht verlustig. Sie werden weniger attraktiv, genau durch weniger zusätzliche Angebote oder größere Klassen.
Der zweite Punkt hängt eng damit zusammen. Das ist die Zukunft der eigenen gymnasialen Oberstufe; denn diese macht natürlich eine Gemeinschaftsschule erst richtig attraktiv. Offenbar wird sie als Gefahr für das Gymnasium gesehen.
Schade, dass an dieser Stelle dieser Wettbewerb gescheut wird und subtile Verhinderungsstrategien zur Anwendung kommen.
Der nächste Punkt betrifft die Mindestschülerzahl der gymnasialen Oberstufe. Für das traditionelle Gymnasium gibt es normalerweise nicht den Faktor; vielmehr sind in der Regel 50 Schülerinnen und Schüler vorgeschrieben.
Das ist für Gesamtschulen keine große Übung. Bei mehreren Gymnasien gibt es dazu eine Sollvorschrift. Das heißt, Ausnahmen sind möglich und das Landesschulamt darf diese Ausnahme prüfen. Gemeinschaftsschulen wird diese Ausnahme aber de facto - nicht de jure - verwehrt; denn wenn das nächstgelegene Gymnasium - das ist in allen drei Fällen der Fall - in vernünftiger Entfernung liegt, dann wird diese Ausnahme verwehrt. Das ist klar so: Das ist in Wittenberg so, das ist in Wolmirstedt so und das ist in Aschersleben so.
Die Idee der Gemeinschaftsschule wird auf diese Art und Weise klammheimlich geschreddert. Es trifft vor allem die erfolgreichen. Ich sage noch einmal: Ich glaube, das ist Absicht.
Der letzte Punkt dazu betrifft die Stellen der Oberstufenkoordination. Für eine eigene gymnasiale Oberstufe braucht es eine Oberstufenkoordination. Diese Stelle muss ausgeschrieben werden. Das ist bis heute nicht geschehen - ich vermute, in der Hoffnung, die Gemeinschaftsschulen mit der Absicht eigener Oberstufen bekommen das sowieso nicht hin. Es werden ihnen ja auch ausreichend Hürden in den Weg gestellt.
Das ist in etwa so, als wenn ich jemandem den Hahn abdrehe, mich dann darüber aufrege, dass kein Wasser kommt, und dann sage: Jetzt machen wir den Laden zu!
Meine Damen und Herren! Alles in allem wird der Schulform Gemeinschaftsschule auf diese Weise das Wasser abgegraben - ich finde das extrem schade; ich sage es noch einmal: es sind drei sehr erfolgreiche Schulen -, und das aus dem simplen Grund - das ist bereits bekundet worden -, weil die CDU keine erfolgreichen und attraktiven Gemeinschaftsschulen haben möchte.
Aus ideologischen Gründen! - Das könnte ja Schule machen. Außerdem wollen die Gymnasien keine Konkurrenz.
Auf diese Art und Weise wird das Vorhaben „Längeres gemeinsames Lernen“ still und heimlich begraben, anstatt es auszubauen und zu qualifizieren.
Meine Damen und Herren! Das Gemeinschaftsschulkonzept der vergangenen Legislaturperiode war wirklich der allerkleinste gemeinsame Nenner. Mir fiele - das können Sie sich sicherlich vorstellen - noch eine Menge mehr ein, was man auf diesem Gebiet machen könnte. Aber ich finde, wenn sich Schulen vier Jahre lange auf den Weg gemacht haben, dann sollten wir das respektieren und wenigstens diesen kleinsten gemeinsamen Nenner nicht den Bach runtergehen lassen.
Frau Bull-Bischoff, es ist tatsächlich wahr, dieses Speeddating findet schon seit Jahren statt, aber immer mit Schülern des gleichen Lehrers. Es ist löblich, dass der Mann das macht - keine Frage -, aber ich verstehe nicht - das kommt dann noch
als Frage -, wieso Sie den Umstand, dass die Schüler dafür plädierten, erst nach der 6. Klasse die Teilung vorzunehmen, als positives Votum für die Gemeinschaftsschule ausgelegt haben; denn meines Wissens haben sie alle das Gymnasium gar nicht infrage gestellt. Sie wollten zum größten Teil nur eine spätere Aufteilung.
Wenn ich die Schüler allerdings gefragt habe, was für sie selbst zutraf - das war eine 8. Klasse des Gymnasiums -, ob die Entscheidung nach der 4. Klasse für sie selbst richtig gewesen sei, dann haben sie dies alle bekräftigt. Das hat niemand infrage gestellt. Für sie war das richtig. Also für die Schüler selbst war das Aufteilen nach der 4. Klasse richtig. Ich denke, es ist nicht so sehr eine fundierte Meinung der Schüler, sondern eher Ausdruck dessen, was der Lehrer im Unterricht vermittelt hat.
Zu meiner Frage. Wieso Sie dieses spätere Aufteilen als Votum für die Gemeinschaftsschule interpretiert und damit Ihr Plädoyer begonnen haben, habe ich nicht recht verstanden.