Protocol of the Session on June 20, 2017

Ich persönlich bin sehr enttäuscht, wie Sie, Herr Stahlknecht, als erfahrener Innenminister dabei mitmachen konnten. Ich frage mich, wie Sie Ihre Prioritäten setzen und wie Sie es mit der Fürsorgepflicht gegenüber Ihren Beamten halten.

Oberste Priorität für einen Innenminister muss die Gewährleistung der inneren Sicherheit und Ordnung haben. Der Staat verliert Legitimation und Legalität, wenn er dieser Aufgabe nicht genügt. Dafür brauchen wir Beamte, die Recht und Gesetz Geltung verschaffen. Es ist daher Ihre Hauptfürsorgepflicht, Herr Minister, alles zu unternehmen, um Schaden von diesen Beamten abzuwenden, nicht aber ihn zu verursachen, wie es hiermit gerade beabsichtigt ist.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ich frage Sie, sehr geehrte Kollegen von der CDU, wie Sie diese Kapitulation vor den parlamentarischen Antifa-Verstehern Ihren Mitgliedern verkaufen wollen. Ich erinnere nur an den Aufruhr an der Basis, als Sie hier letztens politisches Treibgut eingesammelt haben. Ein CDU-Kreisgeschäftsführer meinte in Ihre Richtung - -

Herr Abgeordneter, bitte zum Schluss kommen!

Gut. - Dann verweise ich auf die schriftliche Begründung zu unserem Änderungsantrag und beantrage in Bezug auf die Abstimmung Einzelabstimmung nach Paragrafen und Nummern. Bei § 1 Nr. 2 beantragen wir eine namentliche Abstimmung.

(Zustimmung bei der AfD - Oh! bei der CDU und bei der SPD - Zuruf von der AfD: Wir haben das schon vorbereitet! - Siegfried Borgwardt, CDU: Das war klar!)

Fragen gibt es nicht?

Es gibt keine Fragen. Ich danke dem Abgeordneten. - Für die SPD spricht jetzt der Abg. Herr Erben. Herr Erben, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Kohl, ich hoffe, dass mein Redebeitrag dazu beiträgt, Sie in Ihrer Erregung wieder etwas herunterzubringen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Ich habe teilweise schon mit Ihnen gebangt. Es geht hier um die anonymisierte Kennzeichnung von geschlossenen Einheiten und es geht um Bodycams. Ich habe manchmal den Eindruck gehabt, dass es um Leben und Tod gehen würde; darum geht es hier tatsächlich nicht.

(Zuruf von der AfD)

Ich will den Berichterstatter und den Minister hier nicht unnötig wiederholen. Es ist bereits mehrfach angesprochen worden, es gibt zwei Regelungen in der SOG-Novelle, die Ihnen vorliegt. Darin geht es zum einen darum, dass die Kennzeichnungspflicht und überhaupt das Tragen eines Namensschildes in Sachsen-Anhalt erstmalig gesetzlich normiert wird, und es geht zum anderen um die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den Einsatz sogenannter Bodycams, und das bisher auch nur in einem Modellversuch.

Politisch war zweifelsohne die Kennzeichnungspflicht über viele Jahre in diesem Lande hoch umstritten. Meine Partei hat ihre Position sogar durch einen Mitgliederentscheid dazu herbeigeführt. Wir haben eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag vorgenommen und setzen diese wir jetzt um. Die berechtigten Schutzbedürfnisse der Polizeivollzugsbeamten werden auch durch eine entsprechende Anonymisierung gewahrt werden.

Bei dem zweiten Punkt - er ist nicht zufällig in einem Gesetz geregelt - geht es um die Einführung der Bodycams; denn dabei geht es auch und vor allem um die Sicherheit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Einsatz.

Es hat sich bereits in Modellversuchen in Hessen gezeigt, dass die Bodycams sehr wohl dazu beitragen, die Sicherheit der Beamtinnen und Beamten zu erhöhen, weil sie ganz einfach auch die Hemmschwelle beim polizeilichen Gegenüber nach oben nehmen; denn wir haben, was die Zahl der Verletzungen von Polizeibeamten betrifft, eine alarmierende Entwicklung. Die hat sich in den letzten fünf, mittlerweile muss man sagen, sechs Jahren in Sachsen-Anhalt verdoppelt. Das kann uns nicht gleichgültig sein.

Ich bin überzeugt davon, dass die Bodycams ein taugliches Mittel sein werden, ein Aspekt für mehr Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger genauso wie der Polizeibeamten. - Herzlichen Dank.

Es gibt auch hierzu keine Fragen. Dann danke ich dem Abg. Herrn Erben für die Ausführungen. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Quade. Frau Quade, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kohl, Sie sind ja auch Vorsitzender des Innenausschusses und ich muss Ihnen angesichts Ihres heutigen Redebeitrages schon sagen: Ich würde mir wünschen, Sie würden so viel Energie in die Ausschussleitungen stecken, wie Sie heute Phantasie in die Rede gesteckt haben.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Überflüssiges und Überfälliges liegt manchmal nahe beieinander. Das habe ich in der ersten Lesung der Änderung des SOG hier im Plenum gesagt, und es bleibt die Einschätzung meiner Fraktion auch nach der Ausschussberatung und nach der Anhörung bestehen.

Die Kennzeichnungspflicht in geschlossenen Einsätzen ist überfällig, weil sie eine entscheidende Voraussetzung für die individuelle Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns ist. Meine Fraktion fordert sie seit Langem, und ich freue mich ausdrücklich, dass auch die CDU mittlerweile zu der Auffassung gekommen ist, dass es schon Sinn macht, Polizisten, die in alltäglichen Einsätzen, im alltäglichen Dienst mit Namensschildern rumlaufen, in geschlossenen Einsätzen mit anonymisierten Nummern auszustatten.

Entgegen der Behauptung der Gegner geht es eben nicht um ein Misstrauensvotum gegenüber der Polizei. Es geht nicht um eine Stigmatisierung. Es geht auch nicht um einen Generalverdacht gegen Polizisten, sondern es geht um die Identifizierbarkeit von Trägern besonderer hoheitlicher Rechte, die eben auch mit besonderen Pflichten einhergehen. Das ist Kontrolle, und deren Kontrolle ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren. Meine Fraktion wird die Einführung der Kennzeichnungspflicht natürlich unterstützen.

Was nach wie vor fehlt, ist eine unabhängige Beschwerdestelle, die es sowohl Polizisten als auch Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ohne Rücksicht auf Hierarchie, auf Gruppenkodexe oder Beförderungsaussichten Beschwerden vorzutragen und ihnen nachzugehen.

Überflüssig, meine Damen und Herren, sind dagegen Bodycams. Bereits fest installierte Videokameras zur Überwachung des öffentlichen Raums stehen in massiver datenschützerischen Kritik und leiden unter fehlenden Wirksamkeitsnachweisen. Im Gegensatz zu fest installierten Kameras greifen mobile Bodycams jedoch weitaus tiefer in das Recht auf informationeller Selbstbestimmung ein. Bürgerinnen und Bürger können nicht selbst entscheiden, ob sie sich der Videoaufzeichnung aussetzen oder nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wer wann wie lange gefilmt wird, ist für den Einzelnen nicht nachvollziehbar. Private Orte, die Schutzbereichen unterliegen, die Schutzrechte haben, können ebenso mitgefilmt werden wie unbeteiligte Dritte, die zum Beispiel zufällig an einer Kontrolle vorbeigehen. Auf all das ist ausführlich in der Anhörung hingewiesen worden. Darauf hat der Datenschutzbeauftragte von Anfang an hingewiesen. Es findet sich nicht in der Beschlussempfehlung wieder.

Bodycams werden als Instrument zur Gefahrenabwehr und insbesondere zum Schutz von Polizistinnen und Polizisten gegen Angriffe und Gewalttätigkeiten propagiert. Oft wird eine deeskalierende Wirkung ins Feld geführt.

Nun sollte man meinen, wenn es eine massive datenschützerische Kritik gibt, wird es zumindest einen belegten Nutzen geben. Das ist schlichtweg nicht der Fall. Und mehr noch: Die Statistiken, die es gibt, weisen eher auf gegenteilige Effekte hin. Bild- und Tonaufzeichnungen schützen nicht vor Übergriffen, weder Bürgerinnen und Bürger noch Polizistinnen im Dienst.

Die deeskalierende Wirkung eines BodycamEinsatzes ist mehr als fragwürdig und kaum belegbar. Auch als Mittel zur vorgezogenen Beweissicherung, als das Videoaufnahmen im Allgemeinen oft betrachtet werden, um eine vermeintlich objektive Aufklärung über eine Situation, die einer Gewalthandlung vorausgegangen ist, zu schaffen, ist der Einsatz von Bodycams kaum plausibel zu machen.

Denn wenn erstens eine Kamera nur einen Teil der Handelnden filmt und von einem anderen Handelnden gesteuert wird, was gefilmt wird und was nicht, dann bleibt die Wahrheit eben eine subjektive.

Zweitens sollen Bodycams ja nur dann zum Einsatz kommen, wenn mehrere Beamte gemeinsam im Einsatz sind. Wenn das der Fall ist, ist das schlichtweg überflüssig, weil dann ja immer genügend Zeugen für eine eventuell zu verfolgende Handlung da sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bleibt dabei, meine Damen und Herren, wer ernsthaft etwas für Polizistinnen und Polizisten tun will, der kümmert sich grundsätzlich um die Personalsituation, um Dienstgebäude und um Schutzausstattung, um Abbau der Krankenstände, um betriebliches Eingliederungsmanagement, um Fortbildung und nicht um Bodycams zulasten elementarer Grundrechte.

(Beifall bei der LINKEN)

Bodycams sind praktisch überflüssig, datenschutzrechtlich bedenklich und rechtlich fragwürdig. Meine Fraktion wird diesen Teil der Beschlussempfehlung ablehnen. Und um die Möglichkeit dazu zu haben, Herr Präsident, bitte ich um Einzelabstimmung der Abstimmung der Nrn. 1 bis 3 des § 1. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine Fragen. Dann danke ich der Frau Abg. Quade für die Ausführungen. - Für die GRÜNEN spricht jetzt der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihrer Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses gehen wir heute einen wichtigen Schritt hin zu einer Bürgerpolizei und stärken den Rechtsstaat.

In Sachsen-Anhalt wird sich zukünftig jeder Polizist durch seinen Namensschild oder eine Nummer ausweisen. Bis dahin war es ein langer Weg.

Den Grundstein haben wir GRÜNE im Jahr 2004 mit den Empfehlungen der AG Polizeilicher Umgang mit Rechtsextremismus gelegt. Die Forderungen von Bürgerrechtsorganisationen und Betroffenen von Polizeigewalt sind seitdem unser Thema. Als GRÜNE haben wir uns immer wieder für die individuelle Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten starkgemacht. Mit der Regelung im Polizeigesetz schaffen wir nun mehr Transparenz für Bürgerinnen und Bürger, wer ihnen in Gestalt des Staates gegenübertritt.

Die heutige Verabschiedung des novellierten SOG macht mich deshalb auch dankbar und ein wenig stolz. In diesen Dank schließe ich ausdrücklich auch unsere Partner in der Regierungskoalition ein, ebenso den Innenminister.

Eine Polizeikennzeichnung schützt die Polizei vor Generalverdacht und falschen Verdächtigungen. Eine Polizeikennzeichnung schützt die Bürgerinnen und Bürger besser vor Polizeiwillkür, rechtswidriger Polizeigewalt und dem unverhältnismäßigen Agieren von Beamten.

Eine Polizeikennzeichnung schützt den Rechtsstaat, indem sie effektiven Rechtsschutz ermöglicht und den Rechtsfrieden wahrt. So wie wir sie in Sachsen-Anhalt ausgestaltet haben, muss kein Beamter fürchten, dass ihm oder ihr aufgrund der Kennzeichnung nachgestellt wird. Diese Regelung gewährleistet größtmöglichen Schutz. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen: Fälle, in denen Beamte aufgrund der Kennzeichnung zum Opfer von Gewalt oder Nachstellungen wurden, sind nicht bekannt.

Mit der Gesetzesänderung regeln wir auch die Erprobung von Bodycams und schaffen dafür eine befristete rechtliche Grundlage. Ich gehöre - kein Geheimnis - eher zu den Skeptikern dieser Technologie, bedeutet sie doch einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffener Bürgerinnen und Bürger.

Zum Glück wird dieser Grundrechtseingriff befristet. Dank grüner Initiative ist es zudem gelungen, im Gesetz zu verankern, dass die Aufzeichnungen von Bodycams automatisch nach höchstens zwei Minuten zu löschen sind, wenn keine tatsächlichen Anhaltspunkte anzunehmen sind, dass die Aufnahmen zur Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben der Beamten oder Dritter erforderlich sind.

Ebenso erhalten die Betroffenen der Aufzeichnung von Bodycams die Möglichkeit der Einsichtnahme und können zudem das Handeln der Polizei, zum Beispiel im Rahmen von Beschwerden und Petitionen, binnen drei Monaten nach Entstehung der Aufnahmen überprüfen lassen. Das bedeutet: Grün wirkt und wir setzen den Koalitionsvertrag um. Grün wirkt auch dabei mit, die Transparenz des staatlichen Gewaltmonopols zu gewährleisten, die Bürgerrechte, insbesondere die Information- und Freiheitsrechte zu wahren.

Der grüne Anspruch, Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten, ist auch über die Novelle des SOG hinaus Thema. Die aktuelle Diskussion um eine weitere Verschärfung von Sicherheitsgesetzen sehen wir mit großem Befremden.