Protocol of the Session on May 5, 2017

Ich will jetzt auch nicht darauf hinweisen, dass die SPD bei den Haushaltsberatungen mehr Stellen für Lehrer gefordert hat, Vorschläge dazu unterbreitet hat und es letztlich nur gelungen ist, dass wir im Jahr 2017 80 zusätzliche Lehrer einstellen können.

Wir haben aktuell 8 822 Schüler mit Migrationshintergrund. Angesichts dieser Tatsache kann ich mich nur wiederholen, dass es keine kluge Idee war, die Sprachlehrkräfte nach Hause zu schicken,

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

weil die 50, die wir im neuen Schuljahr noch haben werden, eben nicht ausreichen werden, um den Bedarf an Sprachförderung im Land zu decken.

Die aktuelle Situation ist für mich ernüchternd. Wir sind von 103 % weit entfernt. Wir hatten im letzten Schuljahr eine durchschnittliche Unterrichtsversorgung von 98,5 % zu verzeichnen. Nur die Gymnasien wiesen im Durchschnitt um die 100 % auf.

Es scheiden auch in diesem Jahr wieder Lehrkräfte aus. Wir hoffen, dass wir 800 Lehrkräfte einstellen können. Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, dass wir aktuell mindestens 2 000 Schülerinnen und Schüler mehr haben, dann wissen wir heute, dass diese Zahl nicht ausreichen wird, auch nur einen Lehrer mehr in die Schulen zu bekommen. Deshalb: An der Unterrichtsversorgung wird sich nichts ändern.

In der Regierungserklärung hat der Bildungsminister angekündigt, dass bestehende Effizienzressourcen genutzt werden müssen. Alle geeigneten Maßnahmen sind zu überprüfen. Dagegen haben auch wir nichts einzuwenden. Auch wir wissen, dass das nicht immer Jubel auslöst.

Es geht um die Frage, welche Maßnahmen tatsächlich geeignet sind und welche Vorschläge geprüft worden sind und entsprechend umgesetzt werden können.

Durch die Kürzung des schülerbezogenen Faktors werden im Ergebnis weniger Lehrerstunden zur Verfügung stehen. Das heißt konkret für die Schulen, dass Klassen zusammengelegt werden müssen, dass jahrgangsübergreifender Unterricht in größerem Ausmaß entstehen wird und dass eben auch Schulfächer wie Musik, Schwimmen und Englisch nur noch schwierig vor Ort angeboten werden können und auch die verlässlichen Öffnungszeiten auf der Kippe stehen.

Diese pauschale Reduzierung funktioniert vielleicht an einigen größeren Schulen in den großen Städten. Aber sie bewirkt gerade im ländlichen Bereich, wo wir eine verlässliche Sicherung der Schulen, das heißt kurze Wege, erreichen wollen, teilweise genau das Gegenteil.

Besonders betroffen sind auch die Gemeinschaftsschulen, wo der Faktor auf das Niveau der Sekundarschulen abgesenkt wird. Nur diejenigen, die eine eigene Abiturstufe haben, was in den wenigsten Fällen zutrifft, werden tatsächlich noch auf dem bisherigen Niveau bleiben können.

Wir fordern, dass wir eine breite Debatte über alle geeigneten Maßnahmen führen - zunächst in diesem Hohen Haus, aber auch darüber hinaus -, wie gute Bildung zum neuen Schuljahr gesichert werden kann. Wir rufen auf zu einer Allianz für Bildung. Aus unserer Sicht ist es Zeit, dass wirklich alle Vorschläge auf den Tisch kommen, um zu prüfen, was den Schulen vor Ort tatsächlich hilft.

Der erste Punkt ist aus unserer Sicht das, was wir in diesem Hohen Haus schon beschlossen haben, die Umsetzung des Landtagsbeschlusses zur Sicherstellung der Perspektiven für die Referendarinnen und Referendare in unserem Land.

Auch im März ist es wieder nur gelungen, ein Drittel der Referendare, die hier ausgebildet worden sind, in den Schuldienst einzustellen. Die Referendare brauchen einfach ein klares Signal: Wir wollen, dass diejenigen, die hier ausgebildet worden sind, auch die Möglichkeit bekommen, an unseren Schulen im Land zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt ist die Einführung individueller Lebensarbeitszeitkonten auf freiwilliger Basis. Der

Hintergrund ist, dass schon heute viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer mehr Stunden leisten. Das muss nach dem derzeitigen Erlass im nächsten Schuljahr ausgeglichen werden, was im Hinblick auf die Situation, die ich eben geschildert habe, kaum noch möglich ist. Deshalb soll sich Mehrarbeit für die Kolleginnen und Kollegen in Zukunft auch lohnen, zumindest in der Form eines späteren Freizeitausgleichs.

Wir sollten drittens noch einmal über die Weiterbeschäftigung von Sprachlehrkräften nachdenken; denn angesichts der Entwicklung der Zahlen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund brauchen wir tatsächlich die notwendigen Ressourcen, um Integration zu gewährleisten, um aber auch die Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu unterstützen.

Wir brauchen viertens attraktive Qualifizierungsangebote und einen Zugang zum Referendariat für Seiten- und Quereinsteiger. Wir wissen, dass wir mit den 390 Referendarinnen und Referendaren, die jedes Jahr hier ausgebildet werden, von denen im Moment nicht einmal die Hälfte hierbleibt, die offenen Stellen nicht besetzen können. Deshalb müssen wir alle diejenigen, die eine akademische Ausbildung haben, die an den Schulen in Sachsen-Anhalt arbeiten möchten, willkommen heißen. Wir müssen ihnen Möglichkeiten bieten, sich berufsbegleitend zu qualifizieren; denn wir werden sie in den nächsten Jahren dringend benötigen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen auch eine andere Kultur des Umgangs, nämlich mehr Beteiligungsrechte der Schulen bei der Besetzung von Lehrerstellen.

Ich erinnere mich an einen Besuch mit dem Herrn Ministerpräsidenten, der gerade nicht im Raum ist, an der Sekundarschule Roitzsch. Dabei haben wir genau über dieses Thema diskutiert. Es war ein ganz dringender Wunsch des Schulleiters und des Lehrerkollegiums, einfach mitreden zu können, zu wissen, welche Stellen ausgeschrieben werden und welche Lehrer gebraucht werden. Denn die Schulen vor Ort wissen doch am besten, welcher Kollege passt. Ich glaube, dann haben wir auch bessere Möglichkeiten, das Wissen zu nutzen. Viele Schulen wissen doch aus dem Umfeld, welche Lehrer in den letzten Jahren keine Chance hatten, hier eine Stelle zu bekommen. Ich kenne Fälle, in denen es tatsächlich gelungen ist, Kollegen in ihre Heimat zurückzuholen.

Es kann uns allen nur helfen, die Ressourcen, die vorhanden sind, tatsächlich zu nutzen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich habe vorhin die Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten angesprochen. Wenn wir nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer haben, die das Angebot absichern, müssen wir auch darüber sprechen, pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen, um das Versprechen bezüglich der Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten, das wir alle hier den Eltern gegeben haben, umzusetzen.

Diese Vorschläge, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind nicht neu. Sie liegen teilweise schon auf dem Tisch. Es ist jetzt an der Zeit, mit allen Beteiligten darüber zu diskutieren und das Notwendige zu veranlassen.

Wir hatten eben eine Debatte über den Haushalt. Auch wenn Herr Minister Schröder heute Morgen relativ deutlich gesagt hat, dass es nicht mehr Stellen für Lehrer gibt, bin ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, davon überzeugt: Es wird kein Weg daran vorbeiführen, mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Das wird heute nicht die letzte Debatte in diesem Hohen Haus sein, in der wir über diesen Thema diskutiert haben.

Der Bildungsminister betrachtet ja die in dieser Woche gestartete Volksinitiative als Rückenwind. Lassen Sie uns diesen Aufwind nutzen und gemeinsam die Rahmenbedingungen für Schule so gestalten, dass sich unsere Kinder entfalten können, dass sie ihre Chancen nutzen können; denn genau das - -

Frau Professor, trotz alledem müssen Sie jetzt zum Ende kommen.

Es war mein letzter Satz. - Genau das ist das, was wir für die Zukunft unseres Landes brauchen. Dabei unterstützen wir den Bildungsminister bei allen Vorschlägen, die er hier unterbreitet.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Danke. - Da es keine Fragen gibt, hat der angesprochene Bildungsminister nunmehr das Wort.

Vielen Dank, Herr - -

Warten Sie einmal, Herr Minister. Ich traue mich jetzt, dem Bildungsminister in das Wort zu fallen. Ich habe etwas vergessen.

Wir möchten ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Kurfürst-Friedrich-Gymnasiums in Wolmirstedt begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich hoffe, das war auch in Ihrem Interesse, Herr Tullner. Sie haben das Wort.

Herr Vizepräsident, als ich im Jahr 2002 als Novize hier anfing, waren Sie schon einer der alten Hasen. Ich werde es nie wagen, Ihre Autorität irgendwie infrage zu stellen, ob es formal begründet ist oder informell. Deshalb ist es selbstverständlich.

Liebe Schülerinnen und Schüler, da habt ihr ja den besten Zeitpunkt erwischt, um heute hier im Landtag dabei zu sein, wenn es darum geht, über Bildung zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Ich will bewusst einmal etwas anders als sonst anfangen. Heute wird Studienrätin Ingrid Krayl zu Grabe getragen. Die Magdeburger werden mit dem Namen Krayl sicherlich eine ganze Menge anfangen können, weil die Familie hier sozusagen architektonisch gewirkt hat.

Für mich ist sie deshalb eine wichtige Person gewesen, weil sie meine Deutschlehrerin gewesen ist, die mich zum Abitur geführt hat und die mir in den Jahren 1985 bis 1987 in einem Maße - im Nachhinein weiß ich das erst; damals habe ich es manchmal eher als Last empfunden - Werte, Liberalität und auch das eigenständige Denken vermittelt hat. Von diesen Dingen zehre ich noch heute. Deswegen gestatten Sie mir diese Erinnerung an Ingrid Krayl, die leider von uns gegangen ist.

Ich möchte gleichzeitig dafür danken, dass die SPD-Fraktion heute diese Aktuelle Debatte initiiert hat, weil sie noch einmal Gelegenheit gibt, über wichtige Dinge zu sprechen, die uns alle umtreiben, nämlich darüber, wie wir es auch für kommende Generationen schaffen, gute Bildung zu organisieren, damit die Damen und Herren da oben und die vielen anderen jungen Menschen in diesem Land gut gerüstet in das Leben hinausgehen und das erreichen können, was ihnen wichtig und hoffentlich auch Teil dessen ist, was wir ihnen an Werten, Hoffnungen und Wünschen mitgeben.

Weil das so ist, möchte ich vor allem die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern zu bedanken, die täglich mit hohem Engagement und Einsatz ihrem Beruf nachgehen.

Der Beruf des Lehrers, meine Damen und Herren, ist nämlich nicht irgendein Job. Er ist Passion, er

ist Leidenschaft, er ist Berufung. Das machen ganz viele Kolleginnen und Kollegen trotz widriger Rahmenbedingungen in diesem Land tagtäglich. Deshalb auch von dieser Stelle aus herzlichen Dank dafür, dass sie dieses tun.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zu- stimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Weil ich das vielleicht ein wenig pathetisch gesagt habe, will ich noch eine letzte Bemerkung machen. Dann höre ich auf mit meinen individuellen Betrachtungen.

Ich traf vorgestern meine alte Schulfreundin Kathrin T., Lehrerin an einer Sekundarschule in Magdeburg. Sie sagte mir: Egal was passiert, sie geht jeden Tag gern in die Schule. Sie freut sich auf den Unterricht. Jeder Unterricht ist für sie Erfüllung, Leidenschaft und all das, was ihr Leben kostbar und wertvoll macht.

Ich denke, das sollten wir bei all den Themen und Problemlagen, über die wir diskutieren und die wir auch nicht kleinreden wollen, uns immer vergegenwärtigen.

Denn als ich letzte Woche in Armenien war, dachte ich ein bisschen, ich bin im falschen Film. Es wurden zu Hause Debatten geführt, die den Eindruck vermittelt haben, dass Lehrer weitgehend dauererkrankt, mit der Erstellung von Zeugnissen überfordert oder gar ihrer Jobs insgesamt überdrüssig sind.

Meine Damen und Herren! Dieser Eindruck, der hier vermittelt wird, ist falsch. Das sollten wir uns auch immer wieder bei allen bestehenden Schwierigkeiten vergegenwärtigen. Also noch einmal herzlichen Dank an alle, die daran mitwirken.