Protocol of the Session on April 6, 2017

Ich glaube, dass die Frage der aktuellen Anpassung an konkrete Bedingungen eines unserer zentralen Anliegen sein muss, wenn es darum geht, ein neues und modernes Mittelstandsförderungsgesetz auf den Weg zu bringen. Ich denke aber, wir sehen bereits jetzt eine ganz Reihe von weiteren Änderungsanforderungen, die wir gemeinsam auch mit den Betroffenen mit dem Ziel diskutieren müssen, wie wir den Mittelstand von Sachsen-Anhalt in der Zukunft besser fördern können.

Spannend ist, ob der neue Gesetzentwurf der Landesregierung, der eventuell kommen wird, nun wirklich zum Meilenstein der Mittelstandspolitik von Sachsen-Anhalt wird. Ich gehe aber bereits jetzt davon aus, dass wir dazu sicherlich unterschiedliche Wahrnehmungen haben werden.

Für sehr wichtig halte ich auch die Frage von verbindlichen Regelungen und Vorgaben. Mit sogenannten Kann- und Soll-Bestimmungen erreicht man keine verbindliche und verlässliche Wirtschaftsförderung. Ein novelliertes Wirtschaftsförderungsgesetz darf nicht inhaltslos und ideenlos sein; denn dann ist es, wie das alte, völlig entbehrlich und zahnlos.

Es geht aber auch darum, deutlich zu machen, dass die Unterstützungen für die nächsten Jahre Bestand haben und nicht nur von dem guten Willen einer Regierung abhängig sind oder mit dem nächsten Haushaltsplan dem Rotstift zum Opfer fallen.

Mit einem novellierten Gesetz müssen gezielt wirtschaftliche Impulse gesetzt werden, und auch ein sehr wichtiger und großer Teil der Wirtschaft Sachsen-Anhalts muss hiervon deutlich angesprochen werden, nämlich die Beschäftigten. Denn Sie wissen: Wirtschaft und Unternehmen laufen nun einmal nicht ohne Beschäftigte.

Nordrhein-Westfalen macht uns das vor. In dem dortigen Mittelstandsförderungsgesetz steht zum Beispiel unter § 16 - Betriebliche Interessenvertretungen - Abs. 1:

„Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.“

In Absatz 2 heißt es:

„Die betrieblichen Interessenvertretungen in Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft tragen so auch Verantwortung für Wachstum, Beschäftigung und Innovation im Unternehmen. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe werden im Einvernehmen mit den sozialpolitischen Verbänden, der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern Nordrhein-Westfalen und den Organisationen des Handwerks entsprechende Förderinstrumente entwickelt.“

Das heißt, dort wird die Mitverantwortung der betrieblichen Interessenvertretungen für die positive Entwicklung des Unternehmens gewürdigt. Unter dem Gesichtspunkt der Kleinstunternehmen geht es uns aber auch um Fragen, die die Mittelstandsförderung tangieren, zum Beispiel um eine Novellierung des Krankenversicherungsrechts für Klein- und Kleinstunternehmer und für Soloselbstständige dahin gehend, dass das tatsächliche monatliche Einkommen zur Berechnung in Ansatz gebracht wird.

Auch müssen wir uns einmal mit der Frage der Kultur des Scheiterns auseinandersetzen. Denn

es kann doch nicht sein, dass ein Unternehmer, der - aus den verschiedensten Gründen - Insolvenz anmelden musste, sein Leben lang damit gebrandmarkt wird. Auch in diesen Fällen muss ein Neuanfang möglich sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist auch an der Zeit, dass wir im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Mittelstand, von Handwerk, von Kleinstunternehmen in diesem Land überhaupt ein Stück weit unsere Kammerlandschaft hinterfragen und dass wir vielleicht auch einmal eine Debatte in diesem Land führen, die auch damit zu tun hat, wie wir die Tätigkeit von Kammern unter dem Gesichtspunkt ihrer Selbstverwaltung mit mehr Effektivität, mit mehr Transparenz und mit noch mehr wirtschaftlicher Zielführung gestalten können. Auch das gehört zu den Fragen, die wir wirtschaftspolitisch aufwerfen möchten.

Darüber hinaus plädieren wir dafür, dass die im alten Gesetz geforderte Berichterstattung der Landesregierung über die Situation und die Lage der mittelständischen Wirtschaft mindestens mit zweijährigem anstatt mit vierjährigem Abstand erfolgen muss. Denn Sie können sich vorstellen, dass man mit alten Daten nicht schnell auf aktuelle Situationen reagieren kann.

Da Sie schon bekannt gegeben haben, dass Sie einige uns wichtige Punkte in Ihren Antrag übernehmen wollen - das ist ein guter und richtiger Schritt in die richtige Richtung -, würden wir unseren Antrag nicht zur Abstimmung stellen, sondern Ihrem Antrag völlig unideologisch zustimmen. Das wäre heute schon das zweite Mal. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Da es keine Fragen gibt, danke ich dem Abg. Herrn Höppner für die Ausführungen. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abg. Herr Meister. Herr Abg. Meister, Sie haben das Wort.

Danke schön. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt ist nach Angaben des Statistischen Landesamtes im Jahr 2016 um einen Prozentpunkt gestiegen. Es ist gestiegen; die Freude hält sich aber in Grenzen; denn es liegt weiterhin unter dem deutschen Durchschnitt. Mit der aktuellen Zahl zum Wirtschaftswachstum ist klar, was unsere heutige Ausgangsposition ist.

Klar ist auch: Seit fast zehn Jahren wächst die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt langsamer als in den östlichen und westlichen Nachbarbundes

ländern. Auf die Ursachen sind einige meiner Vorredner eingegangen. Es ist tatsächlich so: Die Geschichte des Landes spielt natürlich eine Rolle, die überkommene Wirtschaftsstruktur, die wir vorgefunden haben, natürlich auch. Trotzdem - das ist uns klar - können wir uns darauf nicht ausruhen, sondern wir müssen weiterentwickeln; in diese Richtung gehen wir heute.

Auch die demografische Entwicklung hat ihren Anteil am statistischen Abschneiden unserer Wirtschaftsleistung. Im Vergleich zu anderen Bundesländern altert die Bevölkerung Sachsen-Anhalts sehr viel schneller, und weniger Menschen produzieren und konsumieren weniger, was sich auch auf das Bruttoinlandsprodukt niederschlägt.

Ein Blick auf die sinkende Zahl der Gewerbeanmeldungen und auf die ebenfalls sinkende Zahl der Handwerksfirmen macht uns auf die strukturellen Probleme im Land aufmerksam. Nachwuchsmangel und fehlende Fachkräfte werden im klassischen Handwerk wie auch bei Unternehmerinnen und Unternehmern anderer Branchen als ein Grund für mangelnde Entwicklungsperspektive genannt.

In Sachsen-Anhalt gibt es ca. 57 000 kleine und mittelständische Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern, was deutlich mehr als 90 % aller Betriebe ausmacht. Gerade angesichts der kleinteiligen Struktur der Unternehmen im Land muss dem Mittelstand, den Handwerksbetrieben und Kleinunternehmen eine besondere Beachtung von der Wirtschaftspolitik geschenkt werden.

Wir wollen in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufschließen, müssen dabei aber auch realistisch die wirtschaftlichen Möglichkeiten SachsenAnhalts benennen. So willkommen uns Wirtschaftsansiedlungen von außerhalb unseres Landes sind, so muss man doch sagen: Diese werden in ihrer Zahl nicht genügen, um den Rückstand wettzumachen. Tatsächlich fehlen uns die Zentralen und Werke großer Konzerne in unserem Land; der Herr Wirtschaftsminister ist darauf eingegangen.

Unsere Chance besteht angesichts der Kleinteiligkeit der Wirtschaftsstruktur in Sachsen-Anhalt gerade darin, die hier bestehenden und entstehenden Unternehmen zu stärken, zu entwickeln und wachsen zu lassen und von der zu häufig billigen verlängerten Werkbank wegzukommen.

Die Novelle zu einem modernen Mittelstandsförderungsgesetz zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen soll sich den benannten Unternehmen daher widmen. In sechs Unterpunkten werden im Antrag wichtige Aspekte dafür benannt. Lassen Sie mich aus grüner Perspektive auf einige dieser Punkte eingehen.

Die Unternehmensnachfolge wird unter Punkt 3 adressiert und auch in der aktuellen Politik der Koalition tut sich dazu etwas. Der reale Bedarf besteht, da viele mittelständische Unternehmen in Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren neue Geschäftsführer bzw. Eigentümer brauchen.

Mit dem Beschluss des Doppelhaushalts für Sachsen-Anhalt stellt das Land zur Unterstützung von Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeistern bei der Existenzgründung Mittel in Höhe von 2,6 Millionen € bereit. Herr Thomas ist bereits darauf eingegangen. Die Meistergründungsprämie von bis zu 10 000 € soll Handwerkerinnen und Handwerker mit Meistertitel ermutigen, sich selbstständig zu machen und hier einen Betrieb zu gründen oder eben zu übernehmen. Auch die Investitionsbank des Landes engagiert sich in Bezug auf das Problem der Unternehmensnachfolge und legt dazu gerade einen Fonds neu auf.

Besonders wichtig ist uns GRÜNEN der vierte Punkt des Antrags, der die Unterstützung bei der Sicherung des Fachkräftebedarfs und bei der Nachwuchsgewinnung sowie bei der Integration von Migrantinnen und Migranten als Handlungsfeld benennt.

Arbeit und berufliche Bildung sind für neue Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht nur integrationsfördernd und ermöglichen es, den Lebensunterhalt allein zu bestreiten; vielmehr hilft die Integration in Arbeit und Beruf zukünftig auch den Unternehmen im Land. Dieser Weg ist nicht leicht. Tatsächlich sind noch heute viele Geflüchtete arbeitslos oder absolvieren derzeit Sprach- und Integrationskurse.

Nach den aktuellen gesamtdeutschen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hatten im Oktober 2016 rund 123 000 Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern eine reguläre Stelle; das sind 43 % mehr als noch vor einem Jahr. Die Zahl wird nach der Einschätzung der Bundesagentur in den nächsten Jahren noch steigen.

(Zuruf von Alexander Raue, AfD)

Integrations- und Ausbildungsmaßnahmen werden sich bezahlt machen. Wir müssen den Mittelstand in die Lage versetzen, dieses Potenzial auch zu nutzen.

Sachsen-Anhalt ist heute führend bei ausländischen Direktinvestitionen in Ostdeutschland. Auch dafür müssen wir im Übrigen Internationalität in die Unternehmen bringen. Integration ist ein Teil davon, Weltoffenheit ein anderer wichtiger Aspekt.

Zum Abschluss möchte ich auf den wichtigen Aspekt zur Förderung einer Gründungs- und Unternehmerinnenkultur, der Kultur der Selbststän

digkeit im Land, eingehen. Das ist Punkt 5 des vorliegenden Antrags.

Zu den Startbedingungen für neue Unternehmen gehört auch ein Umfeld, in dem Start-ups entstehen und sich austauschen können und in dem Innovationen willkommen sind. Kurz gesagt: ein gründerfreundliches Klima, in dem Vernetzung und Beratung noch stärker praktiziert werden und Bürokratie nicht neue Ideen auf die lange Bank schiebt oder mit Bedenken erstickt. Nur wer Lust auf Neues hat, der kann Zukunft gestalten. Das gilt auch für die Wirtschaftspolitik in unserem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu dem Antrag der LINKEN. Darauf sind meine Vorredner schon eingegangen. Ich meine auch, dass es gut ist, dass wir diese beiden Punkte übernehmen, damit auch das mitgedacht werden kann. Ich freue mich, über diese weiteren Aspekte der Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetzes mit Ihnen intensiv zu diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU)

Da es keine Fragen gibt, danke ich dem Abg. Meister für die Ausführungen. - Jetzt spricht noch einmal für die CDU der Abg. Herr Thomas.

(Ulrich Thomas, CDU, winkt ab)

- Herr Thomas verzichtet auf einen erneuten Redebeitrag. Somit kommen wir jetzt zur Abstimmung. Ich habe folgende Entscheidung wahrgenommen: Der Antrag der AfD-Fraktion auf Überweisung wurde zurückgezogen.

(André Poggenburg, AfD, nickt)

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde ebenfalls zurückgezogen. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in der Drs. 7/1165. - Moment. Herr Knöchel, bitte.

Wir müssten dazu sagen, dass der geänderte Antrag der Koalitionsfraktionen zur Abstimmung steht.

Das kommt noch. Ich lese es gleich vor und dann werden Sie sagen: Jawohl!

(Heiterkeit)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag in der Drs. 7/1165. Das ist der Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN unter Berücksichtigung der Punk

te 6 und 7 aus dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. - Das wollte ich noch sagen, Herr Knöchel.