Protocol of the Session on March 2, 2017

Wir stimmen über die Konsensliste ab. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist das komplette Haus. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das komplette Haus hat für die Konsensliste gestimmt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 21

Zweite Beratung

Sachsen-Anhalt: Gesicht zeigen! Zwischenmenschliche Kommunikation gewährleisten

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/709

Beschlussempfehlung Ausschuss für Inneres und Sport - Drs. 7/1028

(Erste Beratung in der 16. Sitzung des Landtages am 14.12.2016)

Berichterstatter ist der Abg. Herr Kohl. Bitte, Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat den Antrag der Fraktion der AfD in Drs. 7/709 mit dem Titel „Sachsen-Anhalt: Gesicht zeigen! Zwischenmenschliche Kommunikation gewährleisten“ in der 16. Sitzung am 14. Dezember 2016 zur Beratung und Beschlussfassung in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.

In diesem Antrag bittet die Fraktion der AfD den Landtag, die Landesregierung aufzufordern, die Vollverschleierung in Sachsen-Anhalt überall dort zu verbieten, wo es rechtlich möglich ist. Hierzu soll die Landesregierung eine umfassende Prüfung vornehmen, in welchen Bereichen des öffentlichen Lebens in unserem Bundesland ein Verbot der Vollverschleierung Anwendung finden kann. Ferner begehrt die antragstellende Fraktion, die Landesregierung aufzufordern, gegenüber den Gesetzgebungsorganen der Bundesrepublik darauf hinzuwirken, ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum auch auf Bundesebene einzuführen.

Der Ausschuss für Inneres und Sport befasste sich in der 7. Sitzung am 16. Februar 2017 mit dem Antrag. Als Beratungsgrundlage lag dem Ausschuss ein Beschlussvorschlag der regierungstragenden Fraktionen vor. Darin wird empfohlen, die Landesregierung unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände aufzufordern, bestehende gesetzliche Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Vollverschleierung von Menschen im öffentlichen Raum dort, wo es notwendig erscheint, zu begrenzen.

Darüber hinaus soll die Landesregierung gebeten werden zu prüfen, inwieweit ein Verbot der Vollverschleierung in Behörden und Einrichtungen des Landes Sachsen-Anhalt zur Identifizierung von Personen rechtlich möglich ist und inwieweit Verstöße gegen ein eventuelles Verbot der Vollverschleierung in den genannten Bereichen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können. Die Ergebnisse sollen im Ausschuss für Inneres und Sport vorgestellt werden.

Schließlich soll die Landesregierung aufgefordert werden, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in Bundesratsdrucksache 788/16 zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung zu unterstützen.

Der Ausschuss für Inneres und Sport beschloss im Ergebnis seiner Beratung mit 10 : 2: 0 Stimmen, dem Landtag zu empfehlen, den Antrag in der Fassung des Beschlussvorschlages der regierungstragenden Fraktionen anzunehmen. Die Beschlussempfehlung liegt Ihnen in der Drs. 7/1028 vor.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte Sie im Namen des Ausschusses für Inneres und Sport um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

Es gibt keine Fragen. Dann danke ich dem Abg. Herrn Kohl. Zehn Minuten gutgemacht! - Für die Landesregierung spricht Minister Stahlknecht. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als Landesregierung begrüßen außerordentlich den mit Mehrheit gefassten Beschluss im Innenausschuss, weil er ausgewogen und differenziert ist.

Aber eines ist wichtig: Zu unserer Gesellschaft, die von Meinungsfreiheit geprägt ist und von Freiheitsrechten getragen wird, gehört nach unserer inneren Auffassung, dass man in einer solchen Gesellschaft in dem Gespräch miteinander und im Leben miteinander Gesicht zeigt. Insofern gehört nach unseren kulturellen Wertevorstellungen eine Burka nicht zu unserem Werteverständnis.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Auch dieses muss ohne jede Aufregung erlaubt sein zu sagen. Im Übrigen gehört die Vollverschleierung, wenn Sie den Koran in seiner eigentlichen Begrifflichkeit lesen, nicht zu dem Kernbereich des Korans. Der Koran fordert nicht die Vollverschleierung der gläubigen Muslime.

(Zustimmung von Eva Feußner, CDU)

Das Gebot der Vollverschleierung ist vielmehr durch spätere Interpretationen und Auslegungen dazugekommen und im Übrigen im Rahmen der Radikalisierung in diesen Ländern vielen Frauen, die sich nicht verschleiern wollten, aufgezwungen worden.

(Beifall bei der CDU - Eva Feußner, CDU: Genau so ist es!)

Wer jetzt meint, sich darüber aufregen zu müssen, was ich vortrage, dem empfehle ich das lesenswerte Buch, das demnächst in der Zeitschrift „Cicero“ von mir besprochen werden wird, des ehemaligen ARD-Korrespondenten aus Marokko zur Lektüre, der dort lange gelebt und dargestellt hat, wie insbesondere in den 70er-Jahren begonnen wurde, in diesem Teil Frauen zu zwingen, sich zu verschleiern, und wie die Frauen, die das nicht taten, aus dem öffentlichen Bereich verdrängt wurden.

Insofern gehört auch dazu, dass wir aus der Sicht von Frauenrechten, wenn die Damen das nicht

tragen wollen, deutlich sagen müssen: Nach unserem Freiheitsverständnis sollten sie dazu nicht gezwungen werden, weil nur ein aufgeklärter Islam ein Bestandteil von Deutschland sein kann.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei den GRÜNEN)

Auf der anderen Seite muss es aber so sein, dass eine Frau, die nicht gezwungen wird, aus ihrem eigenen religiösen Verständnis selbstverständlich eine solche Verschleierung tragen kann und soll, weil wir sonst wieder in Freiheitsrechte eingreifen. Diesen Spagat muss man vernünftig miteinander ausdiskutieren und aushalten.

Aber wir brauchen in unserer Gesellschaft Bereiche, in denen wir gesetzlich verlangen können, Gesicht zu zeigen. Das gilt für Beamtinnen und Beamte. Das gilt für Richterinnen und Richter und das gilt beispielsweise für Lehrerinnen und Lehrer. Ich möchte nicht erleben, dass sich ein Schüler von einer vollverschleierten Lehrerin unterrichten lassen muss.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Dieses muss man in aller Ausgewogenheit und Besonnenheit vortragen können. Dazu gehört auch, dass wir beginnen müssen, uns mit dem Koran auseinanderzusetzen, und es war guter Brauch, insbesondere der LINKEN, dass Religionskritik zu ihren ureigensten Kernkompetenzen gehörte. Auch hier muss es gestattet sein, ohne populistisch und ohne verletzend zu werden, Religionskritik üben zu dürfen, insbesondere soweit andere dort gezwungen werden, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen. Auch das ist eine kritische Auseinandersetzung, die wir mit dieser Religion führen müssen.

Insofern ist die Diskussion über ein Burka-Verbot eigentlich nur die Grundlage dessen, was wir zukünftig tun müssen, uns mit dem Islam und dem Koran als einer Weltreligion vernünftig auseinanderzusetzen, auch Religionskritik üben und dabei deutlich formulieren zu dürfen, wie wir uns das Zusammenleben in unserer Gesellschaft unter Beachtung der Freiheitsrechte vorstellen.

Insofern müssen solche Anträge ausgewogen beschlossen werden. Die Grundlage dafür haben wir. Wir als Landesregierung werden die Bestrebungen im Bund unterstützen, und wir werden kritisch und gleichwohl ausgewogen auf die Rechte des Einzelnen unter Beibehaltung unseres Fundamentes und unserer Kultur eingehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der AfD und bei der SPD)

Es gibt keine Fragen. Dann danke ich dem Herrn Minister für die Ausführungen. Wir beginnen nunmehr mit der Debatte. Es sind für jede Fraktion drei Minuten vorgesehen. Der Herr Minister hat um eine Minute und 45 Sekunden überzogen. Als Erster spricht der Abg. Herr Erben für die SPD. Herr Erben, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Uns liegt heute eine Beschlussempfehlung vor, die der Innenausschuss auf Vorschlag der Koalitionsfraktionen gefasst hat. Ich glaube, es ist eine sehr ausgewogene Beschlussempfehlung. Ich habe gelesen, dass das Ganze ein Erfolg der AfD sei, weil angeblich der AfDAntrag nur leicht abgewandelt wurde.

(André Poggenburg, AfD: Genau!)

Sie rufen gerade „genau“, Herr Poggenburg. Ich weiß nicht, ob Sie den Antrag gelesen haben. Ich glaube es eher nicht. Sie brauchten wahrscheinlich eine Erfolgsmeldung in Anbetracht Ihrer katastrophalen Performance in den letzten Wochen, um die etwas aufzuhübschen.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Um es vorwegzunehmen - ich wiederhole mich hier, weil wir alle vier bis acht Wochen in diesem Hause über Vollverschleierung reden -: Burka und Nikab sind für mich ein Symbol der Unterdrückung der Frau. Ich habe es, glaube ich, einmal mit dem Begriff des Frauengefängnisses aus Stoff hier bezeichnet. Keine Frau darf gezwungen werden, gegen ihren Willen eine solche Burka oder einen Nikab zu tragen. Das ist für uns ganz klar.

(Zustimmung von Eva Feußner, CDU, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Was wir in der Beschlussempfehlung aufgeschrieben haben, sind Dinge, hinter denen wir uns wie selbstverständlich versammeln können, nämlich dass bestehende Gesetze auch konsequent angewandt werden. Ich nenne das Beispiel: Natürlich können Sie mit einer Burka nicht am Steuer eines Kraftfahrzeuges sitzen.

(Zurufe von der AfD: Können schon! - War- um nicht?)

Ich nehme als Beispiel: Natürlich kann niemand vollverschleiert als Richter, Staatsanwalt oder Beamter in einer Behörde agieren, kann auch nicht als Zeuge vor Gericht sitzen und - um das Beispiel aufzunehmen - kann auch nicht sein Kind aus einem Kindergarten abholen, wenn er sich nicht zu erkennen gibt.

Ich glaube, es ist für uns als Koalition selbstverständlich, dass wir den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung unterstützen, den die Minister de Maizière und Maas federführend vorbereitet haben und der jetzt im Gesetzgebungsgang ist, um bestehende Regelungslücken zu schließen.

Deshalb werbe ich heute von dieser Stelle aus um die Annahme unserer Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich danke Herrn Erben für die Ausführungen. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Abg. Quade. Frau Quade, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Die Verfahrensweise mit diesem Antrag und die Beschlussempfehlung, beides ist ausgesprochen problematisch.