Protocol of the Session on March 2, 2017

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/1084

Einbringerin für den Ursprungsantrag ist Frau Hildebrandt. Frau Hildebrandt, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Privatisierung der Autobahnen lässt uns nicht los. Ich muss nach meinen Reden im Oktober 2016 und während der letzten Landtagssitzung vermutlich nicht betonen, dass wir weiterhin gegen die Einsetzung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr sind.

Allerdings ist mit der Annahme des Antrages in der Drs. 7/975 am 2. Februar 2017 den Beschäftigten der Landesstraßenbaubehörde nicht geholfen. Der Beschluss lautete - ich zitiere -:

„Im Falle der Gründung einer Bundesinfrastrukturgesellschaft wird die Landesregierung gebeten, sich dafür einzusetzen, dass alle vom Übergang in die bundeseigene Verwaltung von Bundesautobahnen betroffenen wechselbereiten Beschäftigten unter Wahrung ihrer sozialen Besitzstände übernommen werden. Zudem soll sie dafür Sorge tragen, dass die Weiterverwendung der Beschäftigten grundsätzlich am bisherigen Arbeitsort erfolgt.“

Diese Formulierung lässt wieder einmal völlig offen, was die Landesregierung konkret für ihre Beschäftigten in der Landesstraßenbaubehörde tun soll. Deshalb stellen wir heute unseren Antrag mit der Überschrift „Mitbestimmung der Beschäftigten der Landesstraßenbaubehörde sichern“.

Bereits im November 2016 hat der DGB eine Stellungnahme zu den Referentenentwürfen für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und für ein Begleitgesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften vorgelegt.

In dieser Stellungnahme - wer nachlesen möchte: auf Seite 7 - erläutert der DGB unter anderem, dass die Personalvertretungen lückenlos und umfassend ab dem ersten Schritt bei der Errichtung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einbezogen werden müssen.

Außerdem fordert der DGB - weiter unten auf der Seite 7 - den Abschluss eines Überleitungstarifvertrages und den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen.

Am 15. Februar 2017 wurden vom Gesamtpersonalrat und vom Hauptpersonalrat der Landesstraßenbaubehörden die Stellungnahme der Personalvertretungen der Straßenbauverwaltungen der Länder zur Bildung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen in der Bundesrepublik Deutschland versendet.

Ich teile die dort genannten sieben Forderungen zu erstens Beteiligung der Personalvertretungen, zweitens Personal, drittens Standorten, viertens tarifrechtlichen Regelungen, fünftens Finanzierung der fortbestehenden Auftragsverwaltung, sechstens ÖPP-Projekten und siebentens zu Rechtsform und Privatisierung vollständig.

Es ist doch nicht zu viel, wenn die Betroffenen verlangen, dass verbindliche Garantien für die Interessen der Beschäftigten und Azubis hinsichtlich Status, Arbeitsplatz und Arbeitsort festgeschrieben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch nicht zu viel, wenn die Betroffenen verlangen, dass die Belange der Beamtinnen und Beamten zu berücksichtigen sind und niemand, der versetzungswillig ist, aus Altersgründen abgewiesen werden darf.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch auch nicht zu viel, wenn die Betroffenen verlangen, dass betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ebenfalls nicht zu viel, wenn die Betroffenen verlangen, dass der Übergang der Mitarbeiter nur auf freiwilliger Basis erfolgen soll.

Zu guter Letzt: Ist es zu viel, einen Überleitungstarif zu fordern, zumal im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Bund überhaupt keine Regelungen für den Beruf der Straßenwärterin, des Straßenwärters enthalten sind?

Die Personalvertretungen der Länder, die die Interessen von mehr als 36 000 Kolleginnen und Kollegen vertreten, erwarten von den politisch Handelnden, insbesondere von denen - Herr Robra ist gerade nicht anwesend -, die den Beschluss am 14. Oktober 2016 über die Einsetzung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr verantwortlich unterzeichnet haben, dass die Personalvertretungen bei der Ausgestaltung des Verfahrens und der Inhalte beteiligt werden.

Der vorliegende Alternativantrag in der Drs. 7/1084 ist genauso unklar formuliert wie der im Februar gefasste Beschluss.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Wo ist der un- klar?)

Liebe Koalition, es ist doch nicht Ihr Ernst, wenn Sie wünschen, dass die Beschäftigten der Landesstraßenbaubehörde über alle personalrelevanten Entwicklungen transparent informiert werden. Es muss Ihnen doch klar sein, dass eine Information nicht im Geringsten ausreicht. Die Personalvertretungen müssen beteiligt und nicht informiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein Satz zu den sogenannten Bemühungen der Landesregierung in Punkt 2 Ihres Antrags. Seit einem halben Jahr ist das Problem des Personalübergangs bekannt. In dieser Zeit fanden - dabei ist die heutige Runde schon mitgezählt - ganze drei Gespräche statt, und das auch ohne den Gesamtpersonalrat. Soll ein solches Vorgehen tatsächlich vom Landtag begrüßt werden?

Wenn Sie heute unserem Antrag zustimmen, haben Herr Robra und Herr Webel endlich einen konkreten Auftrag. Darum bitte ich Sie. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Da es keine Fragen gibt, danke ich der Abg. Frau Hildebrandt für die Ausführungen. Sie hat sehr viel Zeit gutgemacht. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Webel. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Frau Hildebrandt, Ihr Antrag soll von den Regierungsfraktionen geändert werden, weil der Punkt 1 von den Regierungsfraktionen wahrscheinlich nicht mitgetragen werden kann.

Es geht schlicht und einfach um die Vereinbarung mit dem Bund. Da Sachsen-Anhalt ab dem Jahr 2020 jährlich mehr als 400 Millionen € vom Bund erhält, ist damals dieser Kompromiss auf den Weg gebracht worden, diese Infrastrukturgesellschaft zu bilden. Wir als Land Sachsen-Anhalt haben das niemals begrüßt. Wir wissen natürlich auch, dass man, wenn zwei Partner eine Vereinbarung schließen, diese auch einhalten muss.

Wenn Sie ausschließlich über Personal geschrieben hätten in dem Sinne, wie Sie davon gespro

chen haben, wären wir 100-prozentig d‘accord gewesen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau!)

Ich kann aus meiner Erfahrung sagen - ich habe in den letzten mehr als 20 Jahren zwei Gebietsreformen durchführen müssen - und weiß 100prozentig: Reformen können nur gelingen, wenn man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Anfang an mitnimmt. Man muss sie mitnehmen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.

Das mache ich dem Bund zum Vorwurf. Er ist nicht bereit, die von uns im Bundesrat angedachten Änderungen zu Personalübergängen, Altersbegrenzungen und vielen anderen Punkten, was er übrigens am 8. Dezember 2016 zugesagt hatte, mitzutragen.

Hierfür brauchen wir die Rückendeckung des Landtages, insbesondere Rainer Robra als unser Verhandler, genau wie alle Länder, um deutlich zu machen, dass sich die Personalvertretungen nicht zu Unrecht zusammengefunden und dieses Schreiben auf den Weg gebracht haben, um den Bund und die Bundestagsabgeordneten, die das zurzeit in der Beratung haben, bevor es Ende April wieder in den Bundesrat kommt, daran zu erinnern, dass sie die Personalvertretungsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Straßenbauverwaltungen ernst nehmen müssen.

Deshalb ist der Antrag der Koalitionsfraktionen der richtigere. Er gibt uns den Rückenwind zu verhandeln. Es geht um unser Personal. Es geht um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn wir sie nicht mitnehmen, nicht motivieren können, ist die Reform nicht so einfach auf den Weg zu bringen. Das sollte auch der Bund begreifen; denn die Länder haben mehr Erfahrungen bei Zusammenführungen oder Trennungen von Einheiten als der Bund. Wir sollten die Erfahrungen der Länder und der Kommunen hierbei berücksichtigen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gibt keine Fragen. Dann danke ich Minister Webel für die Ausführungen. - Wir steigen jetzt in die Debatte ein. Es ist für jede Fraktion eine Redezeit von drei Minuten vorgesehen. Als Nächster spricht Herr Dr. Grube für die SPD. Herr Dr. Grube, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Aus unserer Sicht hätte es des Antrags heute nicht bedurft, vor allem nicht vor dem Hintergrund der Begründung, die Sie gegeben haben.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU, und von Andreas Mrosek, AfD)

Denn aus dem, was wir beschlossen haben, und auch aus dem, was wir gesagt haben, abzuleiten, dass wir nicht für die Mitbestimmung der Beschäftigten sind,

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das ist so ab- surd!)

ist, denke ich, ein grober Fehlschluss.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ja!)

In Bezug auf Punkt 1 kommen wir in der Tat auf keinen Fall überein. Ja, aus fachlicher Sicht würden wir die Auftragsverwaltung für die Autobahnen - für die Bundesstraßen lehnen wir dies ohnehin ab - gern im Land behalten. Aber wir bekommen eben die mehr als 400 Millionen € als Quasi-Solidarpakt-III. Ohne dieses Geld wäre das Land nach 2019 nicht überlebensfähig.

Wenn man die Entscheidung zu treffen hat, dann treffen wir sie zugunsten der Überlebensfähigkeit des Landes. Daher ist der Punkt 1 abzulehnen.

Wir haben einen Alternativantrag eingebracht, in dem wir viel Wert darauf legen, dass alles für die Besitzstandswahrung der Beschäftigten getan wird. Sie sind natürlich ordentlich einzubeziehen, nicht nur zu informieren. Das betrifft auch die Frage der Mitbestimmung. Deswegen kann man guten und reinen Gewissens unserem Alternativantrag folgen. Ihr Antrag ist aufgrund des ersten Punktes aus finanzpolitischer Sicht abzulehnen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Es gibt keine Fragen. Ich danke dem Abg. Herrn Dr. Grube für die Ausführungen. - Für die AfD spricht der Abg. Herr Mrosek. Herr Mrosek, Sie haben das Wort.