Durch die vorfristige Fälligkeit muss der Arbeitgeber im Vorfeld die Beitragsschuld bis zum sechstletzten Tag eines Kalendermonats schätzen. Ich sage es noch einmal: Er muss schätzen, um die Beiträge und infolgedessen die tatsächliche Lohnhöhe nachträglich zu ermitteln.
Jeder Unternehmer muss daher in der Praxis 24 statt zwölf Lohnabrechnungen erstellen. Das, meine Damen und Herren, ist ja wohl ein bürokratisches Absurdum.
Hinzu kommt, dass viele personalintensive Unternehmen Probleme mit der Abrechnung der Stundenleistung haben. Vor dem Monatsende sind die Arbeitsstunden der Mitarbeiter in der Regel noch nicht voll ausgerechnet. In jedem Monat müssen sowohl die Abschlagszahlungen für den laufenden Monat neu errechnet und überwiesen werden wie auch zusätzlich zum Vormonat die Berechnung des tatsächlichen Beitrages und ein Ausgleich zu bereits vorgenommenen Abschlagszahlungen.
Hinzu kommen noch unterschiedliche regionale Bankenarbeitstage und über das gesamte Bundesgebiet verstreute Krankenkassen. Wir müssen daher wieder zurück zu einem System, wo die Sozialversicherungsträger dann den Beitrag bekommen, wenn auch der Arbeitnehmer seinen Lohn erhalten hat.
Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt, warum wir gegen dieses Verfahren sind, ist der Liquiditätsentzug durch das Einbehalten des 13. Beitrages im Jahr 2006. Nach Angaben des
ZDH beträgt die daraus resultierende Liquiditätslücke der gesamten Wirtschaft rund 20 Milliarden € - Geld, das die Unternehmen vorgestreckt haben.
Aufgrund der guten Wirtschaftslage hat der Bundesfinanzminister nicht nur enorme Steuermehreinnahmen, sondern die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt sorgt für eine gute Stabilität der Sozialversicherungskassen. Die seinerzeit im Zuge des sogenannten Mittelstandsentlastungsgesetzes eingeführte Vereinfachungsklausel ist für weite Teile des Handwerkes und besonders für Unternehmen im Dienstleistungssektor vollkommen untauglich, da die Beschäftigung saisonbedingt schwankend ausfallen kann.
Lassen Sie sich dabei nichts einreden; denn die Entgeltsumme des Vormonats zur Berechnung des laufenden Monats heranzuziehen eignet sich für diese Betriebe schlicht und ergreifend kaum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen meinen es ernst mit dem konkreten Bürokratieabbau. Mit dem jetzigen Antrag wollen wir erneut einen Vorstoß für eine Bundesratsinitiative einleiten.
Wir legen ausdrücklich Wert darauf, dass die Landesregierung die nötige Zeit bekommt, auf der Länderebene nach Verbündeten zu suchen; lieber ein positives Signal in drei Jahren als ein negatives zum Jahresende.
Mittelstand und Handwerk müssen entlastet werden. Der Zeitpunkt ist jetzt gekommen, dass wir aus dem Landtag heraus ein starkes Zeichen für die Unternehmen im Land setzen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen.
Die Vorfristigkeit der Sozialversicherungspflicht ist ein Relikt aus Krisenzeiten. Es waren aber genau diese Unternehmen, die dafür gesorgt haben, dass Deutschland das stabilste Wachstum in der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in der Eurozone hat. Also unterstützen Sie bitte unsere Initiative. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke. Ich sehe keine Nachfragen. - Deswegen können wir sofort in die Debatte einsteigen, und zwar mit dem Debattenbeitrag der Landesregierung. Herr Prof. Willingmann hat das Wort.
führlich dargelegt, wie die Historie dieser gesetzlichen Veränderung war, zu welchen wirtschaftlichen Folgen sie geführt hat und warum es geboten ist, zumindest über eine Revision nachzudenken. Ich will versuchen - und darf dies wohl auch -, meinen Beitrag entsprechend anzupassen und ein wenig abzukürzen.
Mit der im Rahmen des Rentenentlastungsgesetzes 2005 erfolgten Änderung des Vierten und Sechsten Buches des SGB wurde der Fälligkeitstermin für die Überweisung der Sozialversicherungsbeiträge vorverlagert - wir haben es bereits gehört - vom 15. des Folgemonats auf den drittletzten Banktag des Monats, in dem die Beschäftigung ausgeübt wurde. Das hört sich im ersten Moment sehr formal und wenig dramatisch an; für die Unternehmen im Lande hat es allerdings die beschriebenen negativen Folgen.
Natürlich führt eine solche Regelung, insbesondere wenn sie zur Folge hat, dass im Nachgang zweimal abgerechnet wird, nämlich einmal auf Basis einer Schätzung und sodann durch Korrektur, zu einem erhöhten Bearbeitungsaufwand für die Unternehmen und damit auch zum Verlust von Liquidität. Es wundert also nicht, dass damals, Mitte des letzten Jahrzehnts, und heute die Wirtschaft gleichermaßen diese Regelung kritisiert.
Auf den bürokratischen Mehraufwand, der mit der Änderung für Unternehmen und Kassen verbunden war, hat der Gesetzgeber reagiert mit einer Klarstellung im Rahmen des Ersten Mittelstandsentlastungsgesetzes im Jahr 2006. Allerdings reicht das noch nicht; da stimme ich dem Abg. Thomas völlig zu.
Ein weiterer Bürokratieabbau der mittelständischen Wirtschaft wurde in Angriff genommen. Das Zweite Bürokratieentlastungsgesetz befindet sich im Gesetzgebungsverfahren; die geplante Änderung des SGB IV soll es allen Unternehmen ermöglichen, die Beitragszahlung zunächst auf der Grundlage des tatsächlichen Wertes des Vormonats vorzunehmen; das war bislang nur eine Ausnahmeregelung.
Nach einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes im Auftrag des Nationalen Kontrollrates bringt dies eine Entlastung von rund 64 Millionen € jährlich für die Wirtschaft, und das ohne Auswirkungen auf das Beitragsniveau. Es ist ja kein Geheimnis, dass die gute Konjunktur die finanzielle Situation der Sozialkassen verbessert. Es ist genauso kein Geheimnis, dass die Entscheidung, die im Jahr 2006 zu der Regelung geführt hat, die jetzt revidiert werden soll, eine Folge einer schwierigeren Kassenlage war.
Nun gibt es die berechtigte Forderung der Wirtschaft nach bürokratischer und finanzieller Entlastung. Mit dem vorliegenden Antrag machen sich die Koalitionsfraktionen für diese Entlastung der
Unternehmen stark. Sachsen-Anhalt soll über den Bundesrat für die Rückkehr zur Regelung aus der Zeit vor dem Jahr 2006 werben. Dies würde laut Abschlussbericht des Normenkontrollrates zur Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen eine Einsparung für die Unternehmen von rund 81 Millionen € jährlich mit sich bringen. Dies sind allein die geschätzten Kosten der internen Bearbeitung dieser vorfälligen Sozialversicherungsbeiträge.
Für uns als Landesregierung verstehe ich den Antrag so, dass wir genau hinschauen müssen, ob im Gesetzgebungsverfahren des Bundes die Verfahrensregelungen im Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz nunmehr tatsächlich zu diesem Effekt führen, den wir gerade wollten, also zu einer Rückkehr zumindest in der Sache zu den Regelungen aus der Zeit vor 2006. Ist dies nicht der Fall, werden wir über den Bundesrat unter den Ländern dafür werben, dass sich eine Mehrheit diesem Modell anschließt.
Meine Damen und Herren! Ein bisschen hat dieses Thema - das wurde schon ausgeführt - den Eindruck vermittelt, hier gehe es um Politik nach Kassenlage. In der Tat hat man im Jahr 2006 auf die schwierige Situation der Sozialkassen reagiert. Im Moment müsste man das nicht.
Es wird also vor diesem Hintergrund nicht ganz leicht sein, diesen Entlastungseffekt herbeizuführen, aber es lohnt sich jedenfalls, dafür zu ringen im Interesse unserer Unternehmen in SachsenAnhalt und unseres gemeinsamen Zieles eines weitergehenden Bürokratieabbaus. Insoweit darf man sich auch einmal für eine Revision einer für die Wirtschaft schädlichen Regelung einsetzen. So verstehen wir den Auftrag. - Vielen Dank.
Danke. Ich sehe auch hierzu keine Nachfragen. - Für die AfD-Fraktion hat der Abg. Herr Raue das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weniger Bürokratie und mehr Liquidität für Mittelstand und Handwerk - Rücknahme der Vorfristigkeit der Sozialversicherungspflicht. Herr Thomas hat das Verfahren ausführlich beschrieben. Deswegen will ich auf eine Wiederholung verzichten. Im Ziel, Herr Thomas, sind wir uns absolut einig. Die Rücknahme der Vorfristigkeit ist natürlich auch für uns eine wichtige Sache.
Entstanden ist diese Vorfristigkeit aufgrund der Tatsache, dass die Reserven der Sozialversicherung im Jahr 2005 weitgehend aufgebraucht waren und schnell Geld in das Sozialsystem ge
leitet werden musste. Diese Doppelzahlung war damals ein direkter Eingriff und die einzige Lösung. Es war auch ein Eingriff in die Liquidität der Betriebe, die damals 20 Milliarden € vorschießen mussten.
Im Grunde ist das natürlich ein alter Antrag im neuen Gewand. Die Landesregierung ist, wie Sie das schon sagten, seit April 2013 nach wie vor aufgefordert, im Sinne des heutigen Antrages zu handeln. Geschehen ist bisher natürlich nichts. Das führten Sie auch gerade aus, Herr Thomas.
Das Thema ist beim Bund wieder aktuell. Also meinen Sie, Sie könnten vor den Unternehmen im Land noch einmal punkten. Sie wollen sich hier als mittelstandsfreundlich inszenieren, und das natürlich im vollen Bewusstsein, dass diese Forderung in Berlin wieder einmal missachtet wird. Ich nenne das Propaganda und Wählertäuschung.
Denn was ist aus Ihrer letzten Bundesratsinitiative geworden? Welche Länder haben blockiert? - Die Frage stellt sich. CDU und SPD stehen in keiner Weise hinter diesem Vorhaben. Das sieht man auch am jetzigen Gesetzentwurf der Bundesregierung.
Der damalige Antrag war nicht mehrheitsfähig. Haben die SPD-geführten Länder nicht mitgezogen oder war der Wille der CDU zu schwach, die Kanzlerin in Berlin zu überzeugen? - Wir wissen es nicht. Aber ich sage Ihnen: Eigentlich wollen dies weder die CDU noch die SPD; Sie haben es gerade bestätigt. Längst hätten sie handeln können und müssen. Wenn im Herbst im Kanzleramt Tapetenwechsel ist, wird die Rückzahlung von Kanzler Schröders 20-Milliarden-€-Wirtschaftsanleihe nicht unbedingt die erste Amtshandlung von Schulz sein, die er auf die Agenda hebt.
Wahrscheinlich werden auf die Unternehmen eher neue Belastungen zukommen. Es ist für uns aber eine interessante Frage, wer jetzt in Berlin tatsächlich auf der Bremse steht. Vielleicht ist es auch Herr Schäuble in Erwartung künftiger hoher Defizite durch die Massenintegration. Rechnen Sie einmal die Ansprüche von einer Million neu versicherten arabischen und afrikanischen Ingenieuren hoch, die im letzten Jahr in die Republik kamen. Dabei sind 20 Milliarden € schnell erreicht.
Nun soll mit einem Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz lediglich der bürokratische Aufwand reduziert werden - na fein. An eine Rückzahlung und Rückkehr zur alten Zahlungsfrist ist nach wie vor
Denn es ist erst billiges Regierungshandeln gewesen, das jene Bürokratisierung ab 2006 verantworten muss. Es war Ihr Regierungshandeln, das Regierungshandeln der SPD, das den Unternehmen einen 13. Monatsbeitrag zur Sozialversicherung abpresste. Dadurch mussten in einem Monat gleich zweimal Beiträge gezahlt werden; der Handwerkerkredit an den Staat.
Die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu beenden ist somit ein Antrag, den die AfDFraktion guten Gewissens unterstützen wird. Vor allem kleine und mittlere Betriebe, wie zum Beispiel Handwerker, stellte diese Regelung vor ernsthafte Probleme. Dieser Eingriff war nichts anderes als ein billiger Kredit zugunsten des Bundes; der muss wieder zurückgezahlt werden.
Der Bund hat es in seiner Zuständigkeit für das gesetzliche Versicherungswesen nämlich unterlassen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine Unterfinanzierung im System der gesetzlichen Versicherungen nicht eintreten kann. Da den Sozialversicherungen aber das Geld in den Kassen fehlte, die Bundesregierung selbst auch nicht einspringen wollte - sie hatte gerade den Irakkrieg mit finanziert -, musste man einen anderen Weg finden, um dies möglichst ohne öffentliche Kritik aufgrund von Beitragssteigerungen im Wahljahr 2005 einzunehmen.
Mit dieser Doppelzahlung im Jahr 2006 verlagerte die Bundesregierung die Liquidität in Höhe eines halben Monatsbeitrages von ca. 20 Milliarden € vom Handwerker zu den Versicherungen. Dieser schiebt nun seine Forderungen gegenüber den Sozialversicherungen vor sich her, wohlgemerkt unverzinst. Nicht wenige Unternehmen sind dadurch in eine angespannte Situation gekommen. Viele konnten die Insolvenz mangels Liquidität nicht abwenden, da die Waren- und Materialkäufe nicht vorzufinanzieren waren.
Seit 2005 ist die Schwankungsreserve der Rentenversicherung von 1,8 Milliarden € auf 31,5 Milliarden € gestiegen. Jetzt ist der Zeitpunkt, den Unternehmen ihr Kapital zurückzugeben. Doch der Bund krallt sich an den Mäusen fest.