Protocol of the Session on March 2, 2017

Adressat grüner Politik sind die Menschen im Land, mithin alle, die von Herrschaft, modern ausgedrückt: von politischen Entscheidungen betroffen sind. Dabei geht es uns gar nicht um eine Besserbehandlung für einige wenige. Teilhabe und Partizipation sind kein Sonderformat für 16 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte, sondern politischer Handlungsauftrag für alle gut 81 Millionen Menschen in diesem unserem Land.

Politik von Menschen vor Ort, Politik für alle Menschen vor Ort - so verstehen die GRÜNEN in Sachsen-Anhalt ihren Auftrag. Für uns ist klar, dass alle Menschen, die einige Jahre an einem Ort wohnen, auch das Wahlrecht erhalten sollen. Das kann über Erleichterungen der Einbürgerung, auch über doppelte Staatsangehörigkeiten, aber durchaus auch über eine Reform des Wahlrechts geschehen.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Die Forderung nach einer Reform des Wahlrechts ist dabei schon lange Teil des grünen Programms und zeigt einmal mehr den Unterschied zwischen uns und Ihnen, den Vertretern einer völkischnationalistischen AfD auf.

(André Poggenburg, AfD: Gott sei Dank!)

Wir stehen vor der grundlegenden Frage, ob unsere Demokratie auf Dauer einen erheblichen Teil ihrer Wohnbevölkerung von demokratischer Partizipation ausschließen kann. Unsere grüne Antwort hierauf ist eindeutig nein.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Oliver Kirchner, AfD: Demokratie und Grüne schließen sich eigentlich aus!)

Wer in Sachsen-Anhalt lebt, lernt, arbeitet oder Steuern zahlt, der muss auch mitentscheiden können. Ein Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten ist wichtiger Baustein einer echten Willkommenskultur. Wer in der Demokratie dauerhaft der staatlichen Herrschaft unterworfen ist, muss auch an der Wahl einer Volksvertretung teilhaben dürfen.

Unsere Landesverfassung ermöglicht in Artikel 42 Abs. 2 dabei ausdrücklich die Ausweitung des Wahlrechts auf Ausländer und Staatenlose. Der Verfassungsgesetzgeber traf diese einzigartige Bestimmung im Jahr 1992 und damit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, auf die sich die AfD in dem Antrag bezieht. In Sachsen-Anhalt wollte man wirklich modern und trotz oder gerade wegen der Entscheidung der Karlsruher Richter ein Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten ermöglichen. Es liegt an uns, dieses Wahlrecht auf kommunaler und auf Landesebene nun auch einfachgesetzlich zu ermöglichen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - André Poggenburg, AfD: Herr Minister! - Robert Farle, AfD: Mit denen können Sie nicht wei- termachen!)

Ich habe, meine Damen und Herren, einen Traum, einen Traum von einer Gesellschaft, in der es keine Rolle mehr spielt, welchen Pass jemand hat und wo auf dieser Welt er zufällig geboren ist. In dieser Gesellschaft wird Politik nicht nur für Deutsche gemacht, sondern für Menschen. Wir als GRÜNE kämpfen um diesen Traum. Wir werden ihn uns von Ihnen, den Rassisten, nicht zerstören lassen. Wir GRÜNE machen Politik für die Bevölkerung, nicht für das Volk. - Den Antrag der Fraktion der AfD werden wir daher ablehnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Es gibt zwei Nachfragen. Möchten Sie diese beantworten?

Ich will es versuchen.

Dann ist zunächst Herr Tillschneider und danach Herr Schmidt an der Reihe.

Ich möchte kurz intervenieren. Herr Striegel, Sie verstehen etwas falsch. Auch wir sind dafür, dass es möglich sein soll, dass jemand, der nicht als

Deutscher geboren wurde, Deutscher werden kann.

(André Poggenburg, AfD: Richtig!)

Aber die Frage ist, wie schwer das möglich ist. Dazu sagen wir ganz klar: Die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts durch Rot-Grün war ein Sündenfall, weil die deutsche Staatsbürgerschaft jetzt im Dutzend billiger hergeschenkt wird.

Dazu sagen wir ganz klar: Der deutsche Pass steht nicht am Beginn eines erfolgreichen Integrationsprozesses als Vorschusslorbeer, sondern steht am Ende. Es muss sichergestellt sein, dass der, der zu uns gehören will, sich als Deutscher fühlt, sich mit Deutschland identifiziert und die deutsche Sprache spricht.

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Das braucht acht, neun, zehn Jahre.

(Zuruf von Silke Schindler, SPD)

Dann kann man darüber reden, ihn zum Deutschen zu machen. - Punkt 1.

Punkt 2. Zu Ihrem Traum, der mein Albtraum ist.

(Heiterkeit bei der AfD)

Den Menschen an sich, von dem Sie sprechen, gibt es nicht. Während der gesamten Menschheitsgeschichte - wir können zurückgehen bis ins alte Ägypten und und zu den Großreichen von Sumer und Akkad - sind die Menschen immer auf eine bestimmte Kultur geprägt. Der Mensch ist ein kulturelles Wesen. Sie abstrahieren den Menschen von seiner Kultur, postulieren den Menschen an sich. Das ist etwas, was es nicht gibt. Das ist eine linke Fantasie. Das ist eine Utopie und meiner Auffassung nach eine Dystopie. Möge uns Gott davor bewahren, dass Sie so schalten und walten können, wie Sie wollen.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Herr Striegel, ich habe vernommen, Sie möchten erwidern. Bitte.

Herr Tillschneider, ich werde mich auch weiterhin bemühen, an dieser Stelle Ihr Albdruck zu sein und möchte Ihnen sagen: Kultur ist etwas Fließendes. Kultur ist nichts Festes. Sie ist nicht fest angelegt, sondern sie verändert sich. Ich muss mich nicht als Deutscher fühlen, um Deutscher werden zu können, sondern ich muss mich rechtstreu verhalten und die Gesetze in diesem Land achten. Jeder, der das tut, soll das tatsächlich auch werden können.

Herr Schmidt, möchten Sie eine Frage stellen oder eine Intervention machen?

Bitte.

Herr Striegel, Sie haben uns schon wieder ein düsteres Bild über alles, was von rechts kommt, gezeichnet. Zu meiner Frage. Sie haben kürzlich die Anfrage gestellt, wie viele Brandanschläge auf Fahrzeuge es in der zweiten Jahreshälfte 2016 gab. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Es waren ja 18 linksextreme Straftaten, keine rechtsextreme Straftat, also politisch motivierte. Sie sitzen mit Ihrer Partei in der Landesregierung. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Gehen Sie darauf ein? Machen Sie etwas gegen Linksextremismus?

Herr Striegel, bitte.

Sehr geehrter Herr Schmidt, Sie scheinen sich im Tagesordnungspunkt geirrt zu haben. Wir reden heute über Staatsangehörigkeitsrecht. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - André Poggenburg, AfD: Sie vorhin aber auch! - Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Ich sehe keine weiteren Anfragen. Damit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die CDUFraktion spricht der Abg. Herr Schulenburg. Sie haben das Wort, Herr Schulenburg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Anlass unserer heutigen Debatte ist ein Leitbild, um Zuwanderer in Deutschland schneller heimisch werden zu lassen, welches von einer sogenannten Expertenkommission unter dem Vorsitz der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Mitte des letzten Monats vorgestellt wurde. Organisiert wurde die Erstellung des Papiers durch eine parteinahe Stiftung, die mit der CDU natürlich wenig zu tun hat. Zwei wesentliche Aspekte dieses Leitbildes sind die Absenkung des Mindestaufenthalts für die Einbürgerung und das Kommunalwahlrecht für Ausländer einzuführen.

Werte AfD-Fraktion, Sie stellen diesen Antrag und fordern die Landesregierung auf, sich gegenüber den gesetzgebenden Organen auf Bundesebene gegen die Eckpunkte dieses Leitbildes auszusprechen.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, wird noch einmal deutlich, dass die AfD zu Hysterie und Panikmache neigt und dass ihr eindeutig eine gewisse professionelle politische Gelassenheit fehlt.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Leitbild der Bundesbeauftragten ist lediglich ein Diskussionspapier im vorparlamentarischen Raum. Neue parlamentarische Initiativen hierzu sind derzeit nicht ersichtlich.

Ihr Antrag, sehr geehrte AfD-Fraktion, ist in Zeiten des Vorbundestagswahlkampfes populistisch und greift das Thema Ausländer ohne Grund auf. Sie wollen wie immer Panik verbreiten und unsere Gesellschaft spalten.

Nur ein paar allgemeine Anmerkungen meinerseits zum Thema. Wir erwarten von allen Angehörigen unterschiedlicher Religionen und Kulturkreise die gegenseitige Achtung und die Einhaltung unserer Rechtsordnung. Dauerhaft bleibeberechtigte Zuwanderer haben sich an die aufnehmende Gesellschaft anzupassen und sich in diese zu integrieren. Deshalb stehen wir zu einer Integrationspflicht. Einer Lockerung des Mindestaufenthalts würden wir nicht zustimmen.

Das in unseren Gesetzen verankerte Wahlrecht ist ausreichend. Eine Veränderung oder gar Lockerung für Angehörige von Drittstaaten außerhalb der EU lehnen wir ab. Wir stehen zu den Wahlrechtsgrundsätzen in unserer Verfassung.

(Zustimmung von Siegfried Borgwardt, CDU, und von Minister Holger Stahlknecht)

Zurück zu diesem Leitbild. Die Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag bezeichnete dieses Leitbild als ein Phantom. Wir diskutieren hier also über ein Phantom.

Wir lehnen den Antrag der AfD ab, weil wir keine Diskussion ins Blaue hinein führen. Wenn wir uns zu jedem Konzept oder Leitbild als Landtag positionieren würden, dann müssten wir uns, glaube ich, jeden Tag hier treffen. Das möchte ich uns allen ersparen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von Olaf Meister, GRÜNE)