Protocol of the Session on February 3, 2017

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe auch hier keine weiteren Wortmeldungen. Deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Der Abg. Herr Striegel hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Menschen, die Opfer von Straftaten sind, insbesondere solche, die Opfer von Gewaltstraftaten geworden sind, brauchen Schutz und Unterstützung. Der Rechtsstaat muss ihnen gegenüber diesen Schutz gewährleisten. Er muss zudem alles Menschenmögliche tun, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Das kann nur gelingen, wenn Betroffene und Zeugen einer solchen Tat nicht während laufender Ermittlungsverfahren außer Landes gebracht, ab- oder rückgeschoben werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich deshalb für einen Abschiebestopp bei allen Menschen ein, die Opfer von Gewaltstraftaten wurden oder die als Zeugen im Strafverfahren gehört werden müssen.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das würde also auch für diejenigen gelten, die Opfer anderer politisch motivierter Kriminalität geworden sind. Wir differenzieren an dieser Stelle nicht, sondern wir sagen, wir wollen, dass der Rechtsstaat tatsächlich arbeiten kann.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Unsere Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg haben bereits einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht. Die dortige Landesregierung hat sich - das ist deutlich geworden - diesem Ziel angeschlossen.

Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern in Sachsen-Anhalt einen Dialogprozess starten können, an dessen Ende ein Bleiberecht für Opfer von Gewaltkriminalität in Sachsen-Anhalt steht. Wir werden den Antrag der LINKEN deshalb an den Ausschuss für Inneres überweisen.

Migrantinnen und Migranten, besonders Geflüchtete sind aber - jetzt wird es konkret - in den letzten Jahren zunehmend Opfer von rechten Straf- und Gewalttaten geworden. Allein von Januar bis Oktober 2016 wurden beispielsweise 54-mal Unterkünfte in Sachsen-Anhalt angegriffen. Wir haben knapp tausend Angriffe auf Unterkünfte in der Bundesrepublik Deutschland. Die Zahl rechter Straf- und Gewalttaten hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt und verharrt auf einem historisch hohen Niveau.

Verantwortlich dafür sind neben den Tätern die rhetorischen brandschatzenden Biedermänner, die mit ihrem Rassismus, mit ihrem Rückgriff aufs Völkische den Angreifern die Legitimation für ihre Taten liefern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ein Bleiberecht, wie vorgeschlagen, ist schon heute möglich und eben keine Rechtsbeugung. § 25 Abs. 4 Satz 1 Variante 3 des Aufenthaltsgesetzes sieht die Möglichkeit zur Erteilung einer Duldung aus erheblichem öffentlichen Interesse vor. § 60a Abs. 2 Satz 2 schafft für Zeugen eines Strafverfahrens bei Verbrechen und § 60a Abs. 2 Satz 3 Variante 3 des Aufenthaltsgesetzes für Zeugen eines Vergehens die Möglichkeit der Erteilung einer Duldung. Ein Erlass wie in Brandenburg würde die Rechtsanwendung im Land vereinheitlichen.

Bei der Entscheidung in der zuständigen Härtefallkommission sollte im Sinne des § 23a des Aufenthaltsgesetzes dem Umstand, dass es sich bei der betroffenen Person um ein Opfer einer rechten oder rassistischen Straftat handelt, ein besonders starkes Gewicht eingeräumt werden.

Durch einen solchen Erlass lässt sich ein doppeltes und vor allem ein starkes Signal setzen. Erstens. Staat und Verwaltung schützen das Recht. Sie ermöglichen die Strafverfolgung der Täter und sie schützen effektiv die Betroffenen von Gewalt.

Zweitens. An die Täter ergeht die Botschaft: Ihr werdet keinen Erfolg haben. Wer versucht, Menschen an den Rand der Gesellschaft zu drängen, wer sie aus rechten, aus rassistischen Motiven heraus bedroht und verletzt, wer sie totschlagen will, der erreicht das Gegenteil. Die Betroffenen verschwinden nicht. Sie bleiben im Land. Die Mehrheitsgesellschaft und der Rechtsstaat stellen sich schützend vor sie.

Rechte Gewalttäter wollen mit ihrem Handeln eine Botschaft aussenden. Sie schlagen, treten, stechen und schießen mit einer klaren Ansage: Die von ihnen imaginierte und auch von der AfD propagierte Volksgemeinschaft muss rein und weiß bleiben. Wer dort nicht hineinpasst, muss verschwinden, nötigenfalls mit Gewalt.

Ein Bleiberecht für Betroffene weist diesen Versuch zurück. Aus generalpräventiven Gründen und zur konkreten und praktischen Unterstützung von Betroffenen hat ein solcher Erlass deshalb unsere Zustimmung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kirchner, haben Sie eine Frage?

Wollen Sie die Frage beantworten?

Herr Kirchner, dann haben Sie das Wort.

Sehr geehrter Kollege Striegel, ich habe eine Frage hinsichtlich der von Ihnen genannten Zahlen. Sie haben Zahlen genannt, die sich auf Brandstiftungen in Asylbewerberheimen bezogen haben. Gehen Sie bei all diesen Brandstiftungen davon aus, dass es sich um rechte Straftaten

handelt, oder kann es auch sein, dass vielleicht Versicherungsbetrug eine Rolle spielt oder dass die Bewohner das Feuer selbst gelegt haben? Das ist die Frage, die ich Ihnen stelle.

Ich beziehe mich auf die Zahlen, die das Bundesinnenministerium und das Landesinnenministerium bekanntgegeben haben. Diese Zahlen betreffen Brandstiftungen von außen, nicht solche von innen. Es geht also um Angriffe auf die Unterkünfte. Diese werden im Bereich der politisch motivierten Kriminalität, also politisch motivierte Kriminalität rechts geführt. - Herzlichen Dank.

Wir können in der Debatte fortfahren. Für die CDU-Fraktion hat der Abg. Herr Schulenburg das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Die Anzahl der Gewaltdelikte ist weiterhin hoch; so werden Gewaltdelikte aus dem rechten Spektrum wie auch aus dem linken Spektrum registriert. Die CDU-Fraktion akzeptiert weder rechten noch linken Extremismus.

(Beifall bei der CDU)

Radikalen Einstellungen von Menschen treten wir mit den Grundfesten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entgegen und lehnen deren Verharmlosung strikt ab.

Die Pflicht einer jeden Zivilgesellschaft ist es, demokratische Regeln einzuhalten. Wir verfolgen die Strategie: null Toleranz für Extremisten. Im Extremismus sehen wir die Gefahr für eine friedliche Gesellschaft und das Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger. In einer Demokratie sind Gewalt und Hetze keine Mittel der zwischenmenschlichen Kommunikation wie auch der politischen Auseinandersetzung.

(Zustimmung von Holger Hövelmann, SPD)

Wir unterscheiden nicht zwischen rechtem und linkem Extremismus. Ein Opfer von Gewalt ist für uns ein Opfer. Dabei ist es egal, ob die Gewalt aus dem rechts- oder aus dem linksextremistischen Bereich kommt. Wir behandeln jedes Opfer gleich. Gewaltopfer dürfen nicht privilegiert werden. Aus diesen Gründen müssen wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE per se ablehnen.

Noch ein paar Worte zum Asylrecht. Geltendes Recht ist anzuwenden. Das heißt, wer nach der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen am Ende des durchlaufenden Asylverfahrens kein Bleiberecht genießt, muss unser Land verlassen.

Im Ergebnis heißt das auch, dass nicht jedem, der Schutz sucht, Schutz gewährt werden kann. Aus

nahmen für Opfer von Gewalt, sei es von rechts oder links, können nicht per se zugelassen werden, sondern nur durch völliges Ausschöpfen der vom Aufenthaltsrecht vorgegebenen Ermessensspielräume.

(Zustimmung bei der CDU)

Dem Rechtsstaatsprinzip entsprechend sind

Recht und Gesetz konsequent durchzusetzen. Die Durchführung der Strafverfahren ist gewährleistet, da bereits jetzt im Rahmen des Ermessens im Ernstfall eine Verlängerung des Aufenthaltes möglich ist. Die bestehenden Regelungen reichen aus. Wir brauchen keine eigenen gesonderten Regelungen in Sachsen-Anhalt.

Außerdem sehen wir bei der Klassifizierung von Opfern die Gefahr der Vortäuschung von politisch motivierten Straftaten, um so den Schutzstatus zu erhalten.

(Zustimmung bei der CDU)

Außerdem darf die Legislative die Exekutive nicht zu einem bestimmten Handeln zwingen. Dafür gibt es in Sachsen-Anhalt und in Deutschland die Gewaltenteilung.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine Einigung innerhalb der Koalitionsfraktionen war nicht möglich. Das muss ich in aller Deutlichkeit hervorheben. Ich bitte daher, den Antrag an den zuständigen Ausschuss zu überweisen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Nachfragen. - Zum Abschluss der Debatte hat Frau Quade noch einmal das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Debatte. Ich möchte zu drei Punkten etwas sagen.

Selbstverständlich kann eine Duldung erteilt werden, wenn ein Zeuge im Gerichtsverfahren benannt wird und das Gericht oder die Staatsanwaltschaft sagt, dass der Zeuge im Land bleiben muss. Das Problem dabei ist, dass es abgefragt werden muss. Die Opferberatungen zeigen das an. Sie zeigen das für ihre Klienten an. Sie tun dies mit einem ganz großen Engagement, aber wir wissen, dass sie nicht alle beraten können. Sie arbeiten seit Jahren weit über der Belastungsgrenze. Unabhängig davon findet nicht jeder den Weg zu den Opferberatungen. - Das war der erste Punkt.

Der zweite Punkt. Es hat nichts mit dem Bleiberecht zu tun. Sobald das Verfahren gelaufen ist, sind die Leute weg. Sie werden abgeschoben. Es

hat auch nichts mit dem staatlichen Signal zu tun und dem bewussten politischen Akt zu sagen, nein, rechte Täter erreichen ihr Ziel nicht. In der Tat bin ich der Auffassung, dass genau dieses Signal in einer Zeit, in der Unterkünfte von Geflüchteten brennen, in der Jagd auf Menschen gemacht wird und in der Rechtspopulisten versuchen, den Takt vorzugeben, ein entscheidendes ist.