Protocol of the Session on February 2, 2017

Vielen Dank, Herr Minister. Ich danke Ihnen auch für die Abgabe Ihrer Regierungserklärung. Ich sehe keine weiteren Nachfragen.

Wir steigen somit ein in den

Tagesordnungspunkt 1 b

Aussprache zur Regierungserklärung

Im Ältestenrat wurde die Redezeitstruktur „E“, also 90 Minuten, vereinbart in der Reihenfolge und mit den Redezeiten AfD 19, SPD neun, DIE LINKE zwölf, die GRÜNEN vier und CDU 23 Minuten. Der erste Debattenredner wird Herr Dr. Tillschneider von der AfD-Fraktion sein. Sie haben das Wort, Herr Dr. Tillschneider.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Minister Tullner hält die Unterrichtsversorgung für den Kern der Bildungspolitik. Das ist in etwa so, als würden wir sagen, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser sei der Kern der Krankenhausmedizin.

Sicherlich - ohne Unterrichtsversorgung funktioniert keine Bildungspolitik, wie auch immer sie angelegt sei. Aber allein die bloße Unterrichtsver

sorgung garantiert noch lange nicht, dass Bildung gelingt.

(Beifall bei der AfD)

Die Unterrichtsversorgung ist nicht der Kern, sondern der äußere Rahmen der Bildungspolitik. Die Unterrichtsversorgung ist also, anders gesagt, zwar eine notwendige, aber noch lange, lange keine hinreichende Bedingung für gute Bildungspolitik.

Ich glaube der Regierung ja, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tut, um die Lücken in der Unterrichtsversorgung zu schließen. Die Situation ist nicht einfach. Wir alle wissen, dass in den nächsten Jahren viele Lehrer in Rente gehen und dass aus den Lehramtsstudiengängen nicht genug Absolventen nachkommen. Wir enthalten uns deshalb der kopflosen Forderung nach immer noch mehr Lehrern. Das überlassen wir getrost der Linksfraktion.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Natürlich!)

Es wäre ja ein großer Fehler, würden wir jetzt in Zeiten des Lehrermangels die Schleusen öffnen und auch Bewerber mit fragwürdiger Qualifikation in hoher Zahl dauerhaft einstellen, sodass wir dann in folgenden Jahren, wenn hoffentlich wieder mehr Absolventen eines Lehramtsstudiums an die Schulen kommen, keine Spielräume mehr haben, diese Lehrer einzustellen.

Es bedarf hierbei einer Abwägung mit Augenmaß. Die Schule muss für Quereinsteiger geöffnet werden. Anders geht es nicht. Dabei ist aber strengstens auf die Qualifikation zu achten. Und der Quereinsteiger darf nicht zum Regelfall werden. Diese Abwägung traue ich Minister Tullner zu. Zusätzlich zu den bereits ergriffenen Maßnahmen sollte die Regierung, wie in anderen Bundesländern, vielleicht noch verstärkt pensionierte Lehrer reaktivieren. Die alten, erfahrenen Lehrer sind oft noch die besten.

Aber auch das würde an dem Problem so schnell nichts Grundlegendes ändern. Dass die Regierung auf diesem Feld handelt, traue ich ihr zu. Was ich ihr allerdings nicht zutraue - dafür gibt es die AfD - ist, dass sie diese technokratische Perspektive auch einmal hinterfragt, die tiefere Krise des Bildungssystems erkennt und die Ursachen dieser Krise angeht.

(Beifall bei der AfD)

Auch wenn wir 1 000 ordnungsgemäß ausgebildete Lehrer aus dem Hut zaubern und sofort einstellen würden, auch wenn eine Unterrichtsversorgung von 104, 105 oder 106 % hätten, auch wenn in Sachsen-Anhalt keine einzige Schule mehr geschlossen werden würde, auch dann wäre unter den gegebenen Umständen eine gute Bildung nicht garantiert.

An den tiefen strukturellen Umständen unseres Bildungssystem hätte sich dadurch nicht das Geringste geändert. Das Kernproblem unseres Bildungssystems ist nicht die mangelnde Unterrichtsversorgung. Das Kernproblem ist, dass die Kinder nicht mehr ausreichend gebildet werden. Das wiederum liegt nicht in erster Linie am Unterrichtsausfall, sondern es liegt daran, dass auch und gerade der Unterricht, der stattfindet, immer weniger ausrichtet.

Der Landesregierung ist nicht vorzuwerfen, dass sie keine Anstrengungen unternimmt, die Unterrichtsversorgung zu verbessern. Ihr ist vorzuwerfen, dass sie glaubt, mit der Unterrichtsversorgung sei es getan, und das eigentliche Problem gar nicht begriffen hat.

(Beifall bei der AfD)

Es ist ein Irrglaube, wenn man meint, einfach nur mehr Lehrer oder womöglich mehr technischer Schnickschnack im Klassenzimmer würden die Krise des Bildungssystems lösen. Der Nürnberger Trichter ist noch nicht erfunden, aber einige Bildungspolitiker scheinen zu glauben, dass sich investiertes Geld unmittelbar in einem gehobenen Bildungsniveau niederschlägt. Wer so denkt, der verwechselt Quantität mit Qualität.

Ich sage nochmals: Die wahre Krise des Bildungssystems ist keine Krise der Finanzierung und der Unterrichtsversorgung, sondern eine Krise der Mentalität. Es fehlt in allererster Linie am Willen zur Leistung. Es fehlt am Willen zum Wettstreit. Man überfrachtet die Schule mit Aufgaben, die keine schulischen sind. Man vermittelt den Schülern keine klaren Begriffe von Pflicht und Disziplin und man hat vergessen, was Bildung eigentlich bedeutet.

Schon seit Jahrzehnten sinken auf allen Ebenen die Maßstäbe. Viel zu viele Abiturienten sind alles andere als hochschulreif. Der Realschulabschluss qualifiziert in vielen Fällen nicht mehr zur Aufnahme einer Berufsausbildung und der Hauptschulabschluss ist oft nicht mehr als ein Akt letzter pädagogischer Gnade.

(Tobias Rausch, AfD, lacht)

Das, werte Kollegen, ist das Problem unseres Bildungswesens.

(Beifall bei der AfD)

Es ist ein Armutszeugnis für die etablierten Parteien, dass wir uns von Integration über Inklusion und Digitalisierung bis hin zur Schulsozialarbeit in diesem Haus schon lang und breit über alles Mögliche unterhalten haben, nur nicht über dieses eine Problem. Dabei ist es das Haupt- und Kernproblem des Bildungswesens.

(Beifall bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Was wir brauchen, ist nicht mehr und nicht weniger als eine bildungspolitische Wende um 180 Grad.

(Unruhe bei der LINKEN)

Ich will Ihnen nun darlegen, was unserer Auffassung nach der Kern einer guten Bildungspolitik wäre.

(Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE: Ein Rohr- stock, nehme ich an!)

Zuallererst müssen wir dem agonalen Prinzip wieder Geltung verschaffen. Der Wettstreit, das Ringen um herausragende Leistungen müssen unsere Schüler beseelen. Wir müssen der Jugend Lust auf Leistung machen. Wir müssen denjenigen, der viel erreicht hat, ehren, und denjenigen, der weniger erreicht hat, anspornen, hart an sich zu arbeiten. Wir müssen den Ehrgeiz der Jugend wecken. Das heißt konkret: Schluss mit dem Marsch ins Einheitsschulwesen, zurück zu dem bewährten dreigliedrigen Schulsystem aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium,

(Beifall bei der AfD - Tobias Rausch, AfD: Jawohl!)

dann Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung, wobei in keinem Fall mehr als das beste Viertel eines Jahrgangs das Gymnasium besuchen sollte.

(Zustimmung bei der AfD)

Es ist ein sozialdemokratischer Fehlschluss zu meinen, wenn wir allen das Abitur hinterherschmeißen würden, dann würde hier der große Massenwohlstand ausbrechen.

(Beifall bei der AfD)

Statistiken besagen zwar, dass Abiturienten im Schnitt mehr verdienen als jemand, der kein Abitur hat. Diese Statistiken beziehen sich aber auf die Vergangenheit, als der Anteil der Abiturienten geringer war, als es also ein wertvoller Abschluss war. Wenn wir aber nun dafür sorgen, dass 50 % und womöglich noch mehr eines Jahrgangs Abitur machen, dann ist das Abitur kein wertvoller Abschluss mehr und werden Abiturienten im Schnitt auch nicht mehr verdienen als andere. Es ist im Grunde nicht anders als beim Geld: Inflation erzeugt nie Werte, Inflation vernichtet Werte.

(Beifall bei der AfD)

Das aber will der durchschnittliche Sozialdemokrat nicht verstehen, ganz gleich ob er nun ein SPD- oder CDU-Parteibuch mit sich herumträgt.

(Frank Scheurell, CDU: Jetzt ist es aber gut!)

Wir müssen den Akademisierungswahn überwinden und gleichzeitig die Anforderungen in allen Schulformen anheben. Das Gymnasium bereitet

auf das akademische Studium vor, und sonst nichts. Die Hauptschule vermittelt eine solide Grundbildung, die zur Absolvierung einer handwerklichen Lehre befähigt. Die Realschule zielt auf eine erweiterte Grundbildung ab und bereitet auf Berufsausbildung mit höheren Anforderungen vor. Der Hauptschulabsolvent, wie ich ihn mir vorstelle, kann übrigens besser Lesen, Rechnen und Schreiben als so mancher, der heute Abitur macht.

(Zustimmung bei der AfD)

Um das zu erreichen, müssen wir mit dem Inklusionsgedanken brechen und in allen bildungspolitischen Entscheidungen zur strengstmöglichen Zielgleichheit zurückkehren. Bildung kann doch nicht heißen, dass die Maßstäbe an jeden Schüler individuell angepasst werden. Bildung heißt, dass die Schüler danach streben, sich stetig zu verbessern und auch hoch gesetzte Maßstäbe zu erreichen.

Das Denken der sogenannten Zieldifferenz hat in der Schule nichts verloren. Das Bildungsziel ist pro Klasse und Schulform vorgegeben. Wer es nicht erreicht, der wiederholt oder steigt in die nächstniedrigere Schulform ab. Wer es übertrifft, der sollte natürlich auch aufsteigen. Strenge Maßstäbe einerseits und die Durchlässigkeit der Schulformen andererseits sind kein Widerspruch, sondern bedingen einander.

(Beifall bei der AfD)

Die bildungspolitische Wende, die wir brauchen, muss bis in die Methodik des Unterrichts hineingehen. Wir müssen die Tendenz zur Zeitverschwendung, zur Kuschelpädagogik und zum Infotainment überwinden. Ohne Schweiß kein Preis.

(Beifall bei der AfD)

Es muss mehr auswendig gelernt werden.