Protocol of the Session on December 16, 2016

Ich hätte Ihnen in meiner Rede noch gesagt, was wir fordern. Wir hätten nämlich erstens gefordert, das Rentenniveau auf 60 % anzugleichen, zweitens die Erhöhung der Grundsicherung, drittens die Senkung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre. Viertens hätten wir gern eine gesunde Reform des Rentensystems nach Schweizer Vorbild, in das alle einzahlen: Arbeitnehmer, Selbstständige, Beamte und Politiker.

Das hätten Sie alles gehört, wenn Sie mich gefragt hätten. Ich werde mich gern bereit erklären, im Ausschuss etwas dazu zu sagen.

Jetzt will ich Sie noch etwas fragen; das ist nämlich interessant. Wie stehen Sie dazu, dass jemand, der im Parlament sitzt, für ein Jahr ungefähr 170 € Rentenanspruch bekommt? Wie ist das aus Ihrer Sicht zu rechtfertigen, da Sie doch so solidarisch sind?

Es ist doch unfair, dass jemand, der zum Beispiel 40 Jahre lang am Band steht oder im Einkaufsladen und die Waren über das Band zieht, weniger Rente bekommt als jemand, der sechs oder zehn Jahre lang im Parlament sitzt. Sehen Sie das auch so? Oder sehen Sie das anders?

Herr Steppuhn.

Zunächst einmal, Herr Rausch, werden wir sehr genau hinschauen, was Sie im Ausschuss machen. Sie haben ja angekündigt, im Ausschuss ein Rentenkonzept vorzulegen. Darauf bin ich gespannt. Wir werden auch darüber sprechen, was das Ganze letztendlich kostet, was es für die Sozialversicherungsbeiträge bedeutet.

Sie haben durchaus einige Punkte genannt, von denen auch Sozialdemokraten nicht so weit weg sind. Natürlich braucht man, wenn man bei dem Thema Rente Veränderungen anstrebt, auch politische Mehrheiten in Berlin. Es hängt auch von der Regierungskonstellation ab.

Ich persönlich bin auch dafür, dass man auch andere Einkommensarten zur Finanzierung der Rente heranzieht. Von mir aus können auch Politiker in so ein System einzahlen. Das ist überhaupt nicht das Thema.

Aber das, was wir trotzdem schaffen müssen, ist, dass wir bei der Rente - die jüngere Generation auf der Tribüne ist gerade gegangen - Generationengerechtigkeit herstellen, dass wir Solidarität üben. Das fängt bei der Finanzierung an.

Was mir besonders wichtig ist, ist, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, von ihrer Rente dann auch leben können, dass sie nicht in Armut leben müssen.

Das ist, glaube ich, schon ein Ansatz, worüber man politisch diskutieren muss, um zu der besten Lösung zu gelangen. Es gibt Vorschläge, eine Erwerbstätigenversicherung bei der Rente einzuführen. Es gibt Vorschläge in Richtung Bürgerversicherung. Das alles sind wichtige Themen.

Die SPD hat dazu im Übrigen ganz klare Vorstellungen. Wenn wir eine andere Regierungskonstellation in Berlin hätten, hätten wir vielleicht schon mehr gemacht. Aber ich glaube, gerade bei der Rentenangleichung ist ja deutlich geworden, dass dieses Thema vor allem die sozialdemokratische Handschrift getragen hat. Das ist auch gut so.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Rausch steht noch einmal am Mikrofon. Ich erinnere daran, dass es eine Kurzintervention ist und es auch eine kurze Antwort darauf gibt.

Ich habe nur eine Nachfrage dazu.

Bei mir steht, ich bekomme neue Redezeit.

Es ist völlig uninteressant, was bei Ihnen steht. Interessant ist, was ich sage, Herr Steppuhn.

Ich habe Ihre Worte eben zur Kenntnis genommen. Sie sagten, es lag an den Koalitionspartnern.

Ich würde erstens gern wissen: Lag es an den GRÜNEN oder an der CDU? Zweitens würde ich

gern wissen: Wie stehen Sie zu der Rentenreform, die Rot-Grün auf den Weg gebracht hat? - Das Rentenniveau ist ja gekürzt worden. Jetzt stehen Sie dem Trend entgegen. Wie stehen Sie persönlich dazu und wer war in Ihrer Koalition früher der Hinderungsgrund und wer ist es heute?

Ich denke, dass wir auch politische Entscheidungen brauchen. Die Bundesarbeitsministerin hat deutlich gemacht - dabei hat sie meine volle Unterstützung -, dass wir auch in Richtung Sicherung des Rentenniveaus nachjustieren müssen. Von daher kann ich mich mit diesen Positionen durchaus anfreunden.

Aber Sie müssten auch langsam lernen, dass es bei den politischen Parteien - das ist hier im Landtag, bei den Fraktionen so, das ist in Berlin so - immer Kompromisse sind, welche Wege man letztlich geht, dass nie einer 100 % seiner Vorstellungen durchsetzt.

Wir haben auch ein Interesse daran, möglichst unsere Vorstellungen durchzusetzen. Das geht eben halt nicht immer so. Trotzdem sind wir, glaube ich, alle miteinander in der Verantwortung, die Rente nicht zu zerreden, sondern die Rente zukunftssicher zu machen, weil die Menschen auf die Rente vertrauen, die sie künftig bekommen.

Wir hatten eine Begrenzung auf zwei Nachfragen je Fraktion. Die hat Herr Rausch bei der AfD bereits erledigt. Herr Lange hat noch eine Nachfrage. Bitte sehr.

Herr Steppuhn, ich habe Sie, glaube ich, richtig verstanden, dass Sie, so wie die Kollegen von den GRÜNEN und wir, der Meinung sind, dass es richtig ist, eine solidarische Bürgerversicherung für alle einzuführen und die Rente so zu gestalten, dass sie armutsfest ist - alle die Argumente, die Sie vorgebracht haben.

Stimmen Sie mit mir darin überein, dass die Parteien oder die Fraktionen der SPD, der LINKEN und der GRÜNEN derzeit im Bundestag eine Mehrheit hätten, dieses durchzusetzen?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es ist sicherlich so, dass es im Bundestag Mehrheiten gibt. Aber bei so einer Gesetzgebung weiß auch jeder, dass man am Ende auch Mehrheiten in der Länderkammer, im Bundesrat haben muss. Deshalb ist das Thema nicht ganz so einfach.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Die haben wir auch!)

Wir sind an dieser Stelle durch. Ich bedanke mich bei Herrn Steppuhn für seinen Redebeitrag. - Am Ende der Debatte hat Frau Hohmann noch das Wort. Bitte, Frau Hohmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wusste schon, warum ich vorher nicht alles erzählt habe. Ich möchte auf einige Punkte eingehen.

Frau Ministerin sagte, es seien laut Statistik nur 3 % von Altersarmut betroffen. Ich hatte ja in meinem Redebeitrag erwähnt, dass es diesbezüglich eine weit höhere Dunkelziffer gibt.

Es gibt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, „Der Einfluss verdeckter Armut auf das Grundsicherungsniveau“ von Irene Becker, die daran mitgearbeitet hat. Darin kann man sehr eindrucksvoll nachlesen, wie sich die Altersarmut gestaltet und dass die Dunkelziffer viel höher ist als das, was in der offiziellen Statistik steht.

Die zweite Geschichte, Generationenvertrag. Ich wusste, dass das kommt, dass wieder gesagt wird, die Bevölkerung schrumpft, dann geht das alles nicht, wir belasten die jungen Leute usw. Wir haben Folgendes gemacht: Ich habe mir einmal die Statistik zu der Zeit herausgesucht, als die Rente eingeführt worden ist, 1871. Im Jahr 1871 hatten wir noch elf Menschen, die für eine Person vorgesorgt haben. Super!

In den 50er-Jahren, als es das Rentenkonzept der CDU gab, als die Renten den Löhnen folgen sollten - das war einmal vorgesehen -, waren es 6,1 Menschen, die für einen Rentner gezahlt haben.

Im Jahr 1990 haben 4,2 Menschen für einen Rentner eingezahlt. Im Jahr 2010 haben drei Menschen für einen Rentner eingezahlt.

Bis 2010 hatten wir ein Rentenniveau von 53 %. Obwohl wir weniger Leute hatten, hatten aber die Rentnerinnen mehr Rente.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Aussage, wir werden weniger und deshalb wird auch die Rente geringer sein, ist also ein Märchen. Ich mache zwar keine Werbung,

(Zuruf von Volker Olenicak, AfD)

aber ich empfehle einfach einmal eine Lektüre von: „Alte kassieren, Junge zahlen nur drauf“. Darin steht, untersetzt mit Zahlenmaterial aus öffentlich zugänglichen Statistiken, wie sich das entwickelt.

Die zweite Geschichte: Haltelinie. Es ist schön, dass eine Haltelinie von 46 % eingeführt werden soll. Aber wenn ich weiß, dass ich 33,5 Jahre lang arbeiten muss, um überhaupt die Grundsicherung

zu bekommen - - Ich muss 33,5 Jahre arbeiten, um die Grundsicherung zu bekommen! Ich arbeite, damit ich die Grundsicherung bekomme - das bedeutet die Haltelinie von 46 %. Da können wir nicht mitgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde es auch immer faszinierend, wenn gesagt wird: Ja, wenn wir die 53 % haben wollen, dann müssten alle mehr einzahlen, dann würden die Beiträge steigen. Ich habe auch das einmal analysiert.

Es gibt ja diese Riester- und die Betriebsrentenvorsorge, die jemand anlegen soll, damit er dann eine vernünftige Rente bekommen kann. Meine Fraktion hatte einmal die Frage an die Bundesregierung gestellt, wie hoch denn der Beitrag für eine lebensstandardsichernde Rente ist. Im Jahr 2015 bezahlt der Arbeitgeber davon 9,35 %, der Arbeitnehmer zahlt auch 9,35 %. Aber um eine lebensstandardsichernde Rente zu bekommen, muss der Arbeitnehmer noch einmal 4 %, nämlich die Riester-Rente, einzahlen, damit es funktioniert. Das heißt, er wird, ohne die betriebliche Altersvorsorge, mit 14,75 % belastet.

Schauen wir auf das Jahr 2020. Wir wollen ja gleichbleibende Arbeitgeberbeiträge haben. Der Arbeitgeberbeitrag liegt bei 9,35 %, der Arbeitnehmerbeitrag liegt bei 9,35 %. Aber jetzt kommt es: wieder diese 4 % Riester-Rente und noch 2,1 % Betriebsrente. Das heißt, die Beschäftigten müssen 15,4 % von ihrem eigenen Geld an Vorsorge leisten, um überhaupt eine lebensstandardsichernde Rente zu bekommen.

Also diese Mär, wir können die Arbeitnehmerinnen nicht weiter belasten, ist wirklich eine Mär; denn sie sind schon belastet genug. Damit sie überhaupt eine lebensstandardsichernde Rente bekommen, müssen sie schon jetzt einen Haufen dazubezahlen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielleicht noch ein letzter Punkt: der Kompromiss bei der Rentenangleichung Ost und West. Ich weiß gar nicht, wie oft das Wahlversprechen - ich kann es schon gar nicht mehr hören - gemacht worden ist, auch in der letzten Legislaturperiode und in der Legislaturperiode davor, wir müssen unbedingt die Angleichung schaffen. Jetzt hat man sich darauf verständigt, diese Angleichung im Jahr 2025 zu vollziehen.