Protocol of the Session on December 15, 2016

Was kümmert uns das Leid woanders, möglichst weit weg? Afghanen abschieben, sich freuen, dass die Geflüchteten hier nicht mehr ankommen und dann schön Weihnachten feiern - das geht nicht, das ist menschenverachtend.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Sachsen-Anhalt muss alles tun, was in seiner Macht steht, um Leid zu lindern, Leben zu retten und eben auch europäische Verantwortung wahrzunehmen. Daher beantragen wir auch, dass sich die Landesregierung dafür einsetzt, dass Deutschland und eben auch Sachsen-Anhalt Italien und Griechenland bei der Aufnahme entlasten und die mittlerweile leerstehenden und kostenverursachenden Erstaufnahmeplätze sinnvoll zu nutzen.

Ob die Europäische Union eine Zukunft hat,

(André Poggenburg, AfD: Nein, hat sie nicht!)

ob sie überhaupt noch eine politische Funktion hat und ob sie auch in Zukunft eine moralische Legitimationsgrundlage haben wird, wird sich daran messen lassen müssen, ob wir es schaffen, der zweifellos schwierigen Aufgabe der Aufnahme Asylsuchender und der Bekämpfung von Fluchtursachen gerecht zu werden. Mit unserem Antrag wollen wir einen kleinen Beitrag - den, den Sachsen-Anhalt leisten kann - dazu beitragen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Abg. Quade, es gibt zwei Wortmeldungen von der AfD-Fraktion. Würden Sie sie beantworten wollen?

Es kommt darauf, ob es Fragen sind.

Haben Sie Fragen oder wollen Sie intervenieren?

Eine Kurzintervention.

(Henriette Quade, DIE LINKE, verlässt das Rednerpult)

Es macht mich sprachlos, dass Sie aus den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes zitieren; denn sie scheinen einen ganz entscheidenden Aspekt bei dieser Sache nicht verstanden zu haben. Es geht bei den Abschiebungen nach Afghanistan nicht darum, dass wir Deutschen in Afghanistan Urlaub machen wollen, sondern es geht darum, dass wir die Afghanen, die sich hier unrechtmäßig aufhalten, dorthin zurückschicken, wo sie hingehören, nämlich in ihr Heimatland.

(Beifall bei der AfD)

Herr Abg. Schmidt, wollen Sie intervenieren.

Ich habe eine Frage.

(Henriette Quade, DIE LINKE, kehrt an das Rednerpult zurück)

Frau Abg. Quade, Herr Abg. Schmidt hat eine Frage.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Sie steht doch vor Ihnen! - Heiterkeit bei allen Fraktionen)

- Entschuldigung, ich habe Sie weggehen sehen.

Guten Abend, Frau Quade! Meine erste Frage ist - - Sie haben uns jetzt ein sehr dunkles Bild von Afghanistan gemalt. Ich selbst würde nicht mehr dorthin in den Urlaub fahren. Ich habe jedoch einen Artikel in der Zeitung „Die Welt“ vom 11. September 2016 gelesen. Darin ging es darum, dass diverse Flüchtlinge nach Afghanistan in den Urlaub gefahren sind, obwohl sie schon in Deutschland waren. Sie haben sich dann während ihrer Reise nach Afghanistan mit der Begründung, in den Urlaub zu fahren, abgemeldet. Wie bewerten Sie das?

Meine zweite Frage lautet: Haben Sie ernsthaft Afghane gegendert?

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD, und Markus Kurze, CDU, lachen)

Frau Abg. Quade, Sie haben das Wort.

Herr Schmidt, manche Fragen beantworten sich in der Tat von selbst. Selbstverständlich rede ich von Afghaninnen und Afghanen. Das ist doch selbstverständlich.

Ja, Herr Dr. Tillschneider, in der Tat finde ich, dass ein deutsches Menschenleben und ein afghanisches Menschenleben gleich viel wert sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Abg. Quade, Abg. Herr Roi - - Abg. Herr Roi, hat sich die Frage erledigt? - Das ist so. Wir wollten eigentlich nur drei Fragestellungen zulassen, darauf hatten wir uns geeinigt.

(Robert Farle, AfD: Kurzintervention! - Un- ruhe bei der AfD)

Wir hatten uns darauf geeinigt, drei Fragestellungen pro Fraktion zuzulassen. Daran wollen wir uns jetzt halten. - Herr Farle, Sie haben eine Kurzintervention.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es ganz schlimm,

(Dr. Andreas Schmidt, SPD: Wir auch!)

wenn Menschen mit der Berufung auf die Menschenrechte und die Menschlichkeit allen Ernstes begründen wollen, dass alle Menschen, die irgendwo auf der Welt in Not sind, in unser Land

kommen können und die Segnungen unseres Landes in Empfang nehmen können.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die sind doch da!)

In Afghanistan gibt es Landstriche, wo Einheimische, die dort geboren sind und die von dort kommen, mit Sicherheit in ihrer Heimat ordentlich leben können. Wenn Sie aber sagen, dass die alle hierherkommen sollen, dann sagen Sie mit anderen Worten: Uns ist das Leben der deutschen Bevölkerung, die das Ganze finanzieren muss, völlig egal.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Rich- tig!)

Dem kann sich die AfD nicht anschließen. Wir werden der Bevölkerung und insbesondere auch Ihren Wählern deutlich machen, dass Sie dafür eintreten, mit dem Geld und auf Kosten der Gesundheitsversorgung unserer Menschen unser Land für die Lösung der sozialen Probleme dort auszunutzen. Das geht nicht. Wir müssen unser Land auch verteidigen und schützen und wir müssen auch einen gewissen Wohlstand in diesem Lande erhalten. Sonst sind Sie unglaubwürdig.

(Beifall bei der AfD - Andreas Steppuhn, SPD: Hören Sie auf, Blödsinn zu reden! - André Poggenburg, AfD: Ihre Exwähler meinen wir! - Swen Knöchel, DIE LINKE: Davon träumen Sie!)

Ich sehe keine weiteren Fragen. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Stahlknecht. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE stellt die Forderung auf, zum einen auf Abschiebungen nach Afghanistan zu verzichten, zusätzlich Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, allen Schutzsuchenden aus Afghanistan den sofortigen Zugang zu Integrationskursen zu ermöglichen und zudem Griechenland und Italien durch die Aufnahme eines noch zu benennenden Kontingents zu entlasten.

Lassen Sie mich mit der letzten Forderung beginnen, da diese Forderung faktisch bereits erfüllt ist. Es ist unbestritten, dass Italien und Griechenland aufgrund ihrer exponierten Lage an den südlichen Außengrenzen der EU im Zuge der Flüchtlingskrise seit Anfang des vergangenen Jahres erhebliche Lasten zu tragen hatten und immer noch zu tragen haben.

Sie bedürfen deshalb der solidarischen Unterstützung durch die EU und die anderen Mitgliedstaaten. Diese Unterstützung wird auch in mehrfacher Form gewährt. Zu nennen sind zunächst umfangreiche finanzielle Hilfen, etwa über den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds sowie die personelle und materielle Unterstützung vor Ort, insbesondere durch das europäische Unterstützungsbüro in Asylfragen und die europäische Grenzschutzagentur Frontex.

Außerdem haben sich die Mitgliedstaaten schon in zwei Beschlüssen von Mai und September letzten Jahres darauf verständigt, insgesamt rund 66 000 Flüchtlinge aus Griechenland und nahezu 40 000 Flüchtlinge aus Italien in andere Mitgliedstaaten umzusiedeln. Diese Beschlüsse sind bislang erst zu einem vergleichsweise geringen Teil umgesetzt worden, insbesondere weil eine Reihe von Mitgliedstaaten ihrer Übernahmeverpflichtung nur zögerlich nachkommt. Das ist durchaus kritisch zu sehen.

Deutschland hat dagegen seinen Anteil bei der Umsetzung der Beschlüsse geleistet und wird dies auch in Zukunft tun. Darüber hinaus drängt die Bundesregierung in Brüssel auf eine zügigere Umsetzung. Es ist nämlich nicht akzeptabel, dass einige Mitgliedstaaten sich hartnäckig weigern, sich an der Flüchtlingsaufnahme zu beteiligen und auch bereits beschlossene Maßnahmen nicht umsetzen und die Hauptlast nur von einigen wenigen EU-Staaten, wie Deutschland, getragen wird.

Unser Bestreben muss es daher sein, dass zunächst die in der EU bereits gemeinsam vereinbarten Umsiedlungen vollständig umgesetzt werden. Ein Alleingang Deutschlands wäre in dieser Situation kontraproduktiv.

Zur Forderung eines Aufnahmeprogramms aus Afghanistan ist anzumerken, dass Sachsen-Anhalt bislang einmal, nämlich 2013, von der Möglichkeit eines humanitären Aufnahmeprogramms nach § 21 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - und zwar unter meiner Amtsführung - Gebrauch gemacht hat. Dessen Gegenstand war die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen mit in Deutschland lebenden Angehörigen aus dem Bürgerkriegsland Syrien und dessen Nachbarstaaten.

Die heutige Situation in Afghanistan ist mit der in Syrien nicht vergleichbar. Schon deshalb besteht für ein Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan keine Veranlassung.

(Zustimmung bei der AfD)

Nach § 44 Abs. 4 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes können nur Asylbewerber zum Integrationskurs zugelassen werden, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt in Deutschland zu erwarten ist. Erforderlich ist also immer eine Prognoseentscheidung.

Diese Prognoseentscheidung fällt in die Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - kurz BAMF -, das hierfür die Schutzquoten für das jeweilige Land auswertet. Schließlich kann und darf im Zulassungsverfahren für den Integrationskurs nicht die individuelle Prüfung des Asylantrags, die der Entscheidung im Asylverfahren vorbehalten ist, antizipiert werden.