Protocol of the Session on December 15, 2016

Ich habe es geahnt.

Bitte, Frau Frederking.

Ich freue mich, dass wir in der Koalition sind und dass die CDU jetzt auch eine vernünftige und sachorientierte Diskussion führen will; das finde ich klasse.

(Zurufe von der AfD)

Bei der Feier anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Tierseuchenkasse waren Sie, Herr Daldrup, auch anwesend. Herr Prof. Isermeyer hat dort den Gastvortag gehalten und dabei auch über wissenschaftliche Erkenntnisse gesprochen.

Meine Frage: Können Sie sich daran erinnern, dass Prof. Isermeyer gesagt hat, es gebe genügend wissenschaftliche Erkenntnisse und jetzt sei es an der Zeit, dass die Wissenschaft und die Tierhaltungsbranche miteinander reden müssen, miteinander kommunizieren müssen, damit die vorhandenen Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden? Können Sie sich daran erinnern, und wenn ja, wie bewerten Sie das?

Herr Daldrup, bitte.

Daran kann ich mich nicht erinnern, weil ich zu dem Vortrag nicht mehr da war. Aber weil ich schon persönlich mit Prof. Isermeyer gesprochen habe, kann ich dazu etwas sagen. Sein System ist es, tierbezogene Indikatoren zu finden, damit wir über diese Indikatoren auch Maßstäbe haben, wie wir damit weiter umgehen und wie sich das Tierwohl entwickeln kann. Da bin ich ganz bei ihm; damit habe ich kein Problem. Wir können gern versuchen, das umzusetzen und daran weiter zu arbeiten.

Aber eines will ich sagen: Die CDU Fraktion war im Jahr 2015 die Fraktion, die sich mit dem Tierschutz und dem Tierwohl so intensiv beschäftigt hat wie keine andere Fraktion. Das muss man feststellen.

(Beifall bei der CDU - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das kann jeder über sich sa- gen! - Dorothea Frederking, GRÜNE: Das ist ein Hohn!)

- Das ist schon so. Wir haben einen breiten öffentlichen gesellschaftlichen Dialog geführt, der den Begriff des Tierschutzes und des Tierwohls deutlich erweitert hat um die Ebenen Heimtierhaltung, Zootierhaltung und dergleichen mehr. Die Reaktionen auf unserem Fraktionsblog waren auch entsprechend. Insofern müssen wir uns nicht sagen lassen, dass wir hinterherhinken, sondern wir waren vorne. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Daldrup. - Der nächste Debattenredner steht schon zur Stelle: Herr Höppner für die Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort, Herr Höppner, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es zunächst grundsätzlich, dass wir zum wiederholten Male über Tierschutz und Tierwohl reden. Leider muss ich sagen, zum wiederholten Male; denn das Thema war in vielerlei Hinsicht schon mehrfach auf der Tagesordnung des Landtages. Leider gab es bis auf kleinere Ausnahmen keine konkreten Ergebnisse.

In den letzten Monaten durfte ich viele unterschiedliche Unternehmen besuchen und konnte feststellen, dass dort Tierwohl durchaus unter den gegebenen Bedingungen eine große Rolle spielt. Deshalb möchte ich auch gleich einmal feststellen, dass die meisten das Bestmögliche tun, um Tierleid zu verhindern, damit es den Tieren insgesamt gut geht.

Leider haben wir dann aber auch Negativbeispiele wie Straathof, die eine ganze Branche in ein absolut schlechtes Licht rücken. Sie zeigen aber auch, dass zum Beispiel Tierwohlinitiativen, die nur eine Mischung aus Absichtserklärungen und wirkungslosen Appellen darstellen, sinnlos sind. Taten müssen hier folgen mit klaren Vorgaben, die Tierwohl letztendlich rechtlich besser festschreiben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In der vergangenen Legislaturperiode haben wir einige Anträge eingebracht, zum Beispiel einen Gesetzentwurf zur Ermöglichung eines Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzverbände oder -vereine. Die Initiative zielte darauf ab, Tierschutzverbänden die Möglichkeit zu geben, die Rechte und Interessen der Tiere einzuklagen. Dieses Gesetz hätte viele ungeklärte Fragen im Zusammenhang mit modernen Tierhaltungsanlagen bzw. der Ansiedlung öffentlich umstrittener hoher Tierkonzentrationen in Sachsen-Anhalt, wie im Falle Straathof, geklärt und damit auch die

Position jener Landwirte bzw. Nutztierhalter gestärkt, die nach den Grundsätzen des Tierschutzes eine artgerechte Tierhaltung sichern.

Dort, wo man sich über das Tierschutzrecht hinwegsetzt, müssen anerkannte Tierschutzverbände künftig die Möglichkeit haben, stellvertretend für die Tiere zu klagen. Das ist eigentlich das Mindeste, wenn wir über Tierschutz sprechen.

Hätten Sie in der vergangenen Legislaturperiode unsere Vorschläge tatsächlich aufgegriffen, wären wir, was das Tierwohl angeht, jetzt ein ganzes Stück weiter. In acht Bundesländern übrigens ist das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände inzwischen möglich. In SachsenAnhalt waren die Kollegen der SPD und der GRÜNEN immer Befürworter. Aber leider nein, im Ausschuss wurde der Tagesordnungspunkt in der letzten Legislaturperiode so lange vertagt, bis er schließlich der Diskontinuität anheimfiel. Ein Armutszeugnis war das.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Und - wen mag es überraschen? - das Verbandsklagerecht hat nicht den Weg in den Koalitionsvertrag gefunden.

Für Zustände wie im Falle Straathof gibt es inzwischen keinerlei Akzeptanz mehr. Die Menschen wollen das grundsätzlich nicht. Es fehlt aber bisher an konsequenten Wegen und Instrumenten, eine andere Haltung durchzusetzen. Es ist noch ein weiter Weg zu einem wirksamen und tiefgreifenden Tierschutz.

Wir müssen uns konsequent gegen die Verdinglichung des Tieres wenden. Jedoch funktioniert das nicht nach dem Modell der freiwilligen Selbstverpflichtung. Ohne vernünftige gesetzliche Regelung setzen sich nicht die Betriebe durch, die auf sozial-ökologische Verantwortung setzen, sondern die, die ausschließlich ihre Profite im Blick haben.

Wir brauchen vernünftige gesetzliche Regelungen und Kontrollen. Nur mit warmen Worten kann man kein Tierwohl erreichen. Es muss Schluss sein mit dem Kupieren von Schwänzen bei Schweinen, mit dem Kürzen von Schnäbeln bei Geflügel und erst recht mit dem millionenfachen Töten männlicher Küken oder der betäubungslosen Kastration von Ferkeln, von nicht artgerechten Haltungsbedingungen von Wildtieren in Wanderzirkussen ganz zu schweigen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gern wird auch immer wieder auf die sogenannte Verantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher verwiesen. Doch von der Verantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu reden und zugleich Tarifflucht und sinkende Löhne zu

fördern, zu Hartz IV und Armut zu schweigen, ist mehr als eine Art von Doppelmoral.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nachhaltiges Kaufverhalten ist eben auch und gerade abhängig von sozialer Gerechtigkeit. Ansonsten ist Geiz nicht nur geil, sondern ein notwendiges Übel.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch muss man feststellen, dass nicht die Stallgröße und die Zahl der Tiere allein gewichtige Punkte für gute Tiergesundheit sind, sondern auch und gerade die Haltungsbedingungen und Betreuung der Tiere im Stall.

Bei der Diskussion um Tierbestandsgrößen oder sogenannte Megaställe sind aus unserer Sicht verschiedene Punkte zu beachten und in Abhängigkeit voneinander zu sehen. Ziel muss es sein, territorial ausgerichtete Bestandsgrößen zu ermitteln. Dabei müssen die körperliche Gülleverwertung vor Ort wie auch Lebendvieh- und Futtertransporte im Mittelpunkt stehen.

Ebenso müssen eine Sicherung der Versorgung mit Futter aus eigenem Aufkommen und die schadlose Ausbringung von Gülle und landwirtschaftlichen Reststoffen beachtet werden. Tierhaltung muss an den Boden gebunden werden und es muss ein gesundes Verhältnis von BodenPflanze-Tier-Boden bestehen.

Letztlich stellt sich die Frage: Wie viel kann eine Region vertragen? Denn Probleme sind vor allem dort zu beklagen, wo Investoren Standorte errichten, die keine Verbindung zu den Menschen vor Ort haben, Investoren, die ländliche Bedingungen genauso wenig beachten wie das Tierwohl. Es braucht somit eine klare Unterscheidung zwischen bodengebundener, moderner Landwirtschaft und gewerblicher, nicht landwirtschaftlicher Schweinemast.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich freue mich auf weitere spannende Diskussionen und darauf, dass wir es tatsächlich einmal schaffen könnten, an einigen Stellen vielleicht sogar gemeinsam zum Wohle von Tier und Mensch etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Höppner. Es gibt keine Anfrage. Vielen Dank, dass Sie etwas Zeit herausgeholt haben.

Als letzter Debattenredner ist Herr Barth von der SPD-Fraktion an der Reihe. Bitte, Herr Barth, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tierschutz ist in Artikel 20a des Grundgesetzes verankert. Daher ist es nur folgerichtig, dass die Gerichte dem Tierwohl in ihren Entscheidungen ein hohes Gewicht beimessen. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts im Fall Straathof sind wichtige Bausteine für eine Verbesserung des Tierwohls und der Nutztierhaltung.

Selbst wenn wir davon überzeugt sind, dass der weit überwiegende Teil der Nutztierhalter Fragen des Tierschutzes auch bisher einen hohen Stellenwert beigemessen hat, so erfolgt mit diesen Urteilen doch die wichtige Klarstellung, dass schwarze Schafe nicht geduldet werden. Das ist nicht nur gut für die Tiere, sondern auch für den Berufsstand; denn damit werden klare Maßstäbe gesetzt.

Frau Ministerin hat vorhin die Kastenstände angesprochen. Ich denke, wir sollten prüfen, und zwar sehr vorsichtig, ob wir den Punkt überspringen können und gleich zum dänischen Modell übergehen; denn - Herr Daldrup hat darauf schon hingewiesen - manchmal schütten wir das Kind mit dem Bade aus. Wir sollten uns vorher gut gemeinsam mit den Züchtern hierüber verständigen.

(Zuruf von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dal- bert)

Auch - ich habe dies des Öfteren in diesen Debatten gesagt - die Umsetzung und die wissenschaftliche Begleitung halten wir für einen richtigen Weg. Das ist ganz wichtig. Ich bin auch der Meinung, wir sollten Modellprojekte durchführen, die dementsprechend begleitet werden.

Das wird - das ist eben von Herrn Daldrup angesprochen worden; ich möchte es an dieser Stelle auch sagen - der Prüfstein sein, wie wir mit diesem Thema umgehen. In Iden müssen wir die Voraussetzungen für die Praxis bei uns im Land schaffen, um modellhaft aufzuzeigen: Wie ist es machbar, wirtschaftlich zu arbeiten und gleichzeitig das Tierwohl nicht aus den Augen zu verlieren?

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Deshalb ist es nach wie vor wichtig, Iden als ein Kompetenzzentrum für artgerechte Tierhaltung zu stärken.

Wir haben als Land die Möglichkeit, zum Wohl der Tiere voranzugehen und praxisreife Lösungen für unsere Landwirte zu erarbeiten. Ich denke, deshalb ist es wichtig - ich sage es zum wiederholten Male -, Iden zu stärken.