Protocol of the Session on November 25, 2016

Sind Sie mit mir darin einer Meinung, Frau Hohmann?

Die Nachfrage dazu ist: Ist es dann vielleicht besser, dass man sich um die Leute, die die Schule nicht mehr besuchen möchten, lieber zentral kümmert, an einer Stelle, an der man viele Kom

petenzen sammeln und auf die Leute einwirken kann? Oder finden Sie das auch unnütz?

(Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE: In Brüssel! - Heiterkeit bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Unruhe)

Kolleginnen und Kollegen, bitte etwas ruhiger!

Sehr geehrter Herr Kollege! Ich vermute, Sie haben meinen Worten nicht gelauscht. Es kann möglich sein, dass ich etwas zu schnell für Sie war. Wir haben ganz konkret vorgelegt, was man stattdessen machen sollte.

Glauben Sie mir, ich war 30 Jahre lang Lehrerin. Mit dem, was Sie vorhaben, werden Sie es nie und nimmer schaffen, irgendetwas zu verändern. Sie müssen schon einmal akzeptieren, was sich in der Wissenschaft und in der Pädagogik entwickelt und weiterentwickelt hat.

(Bernhard Daldrup, CDU: Das ändert sich jedes Jahr! - André Poggenburg, AfD: Ge- nau!)

Mit solchen Sachen schaffen Sie es nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Loth hat eine Nachfrage, Frau Hohmann.

(Zurufe von der LINKEN: Nein!)

- Okay.

Der nächste Debattenredner ist Herr Aldag für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Bereits in der letzten Legislaturperiode hat sich der Landtag intensiv mit dem Thema Schulverweigerer beschäftigt. Viele, die heute hier sitzen, waren damals an anderer Stelle in vorderster Reihe mit dabei und haben die Diskussion sehr engagiert geführt. Es wurde damals in der Breite deutlich, dass für eine Vielzahl von Schulverweigerern der Jugendarrest nicht zu einer Lösung des Problems führt. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Prüfung dieses Sachverhalts im Koalitionsvertrag auf dem

Tableau steht. Darin wird klar formuliert, welchen Weg die Koalition bei diesem Thema gehen will.

Die Ursachen dafür, dass Kinder und Jugendliche die Schule schwänzen, sind vielfältig. In keinem Fall, so meine Meinung, sind die Ursachen so geartet, dass ein Arrest tatsächlich gerechtfertigt wäre. Die Ursachen liegen doch nicht bei den Kindern selbst, sondern vielmehr in deren Umfeld. Eine Arrestierung als Sanktion ist daher völlig kontraproduktiv.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Eine Arrestierung im Internat macht die Sache auch nicht besser.

Meine Damen und Herren! Wir müssen an die Ursachen heran. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn wir uns ernsthaft über das Thema unterhalten wollen, dann müssen wir die Ursachen in den Mittelpunkt stellen und uns nicht ausschließlich der Sanktionierung widmen. Kinder und Jugendliche schwänzen die Schule aufgrund von Entmutigung, oft aus Angst, aufgrund fehlender Sinnhaftigkeit oder aufgrund sozialer Probleme. Oft gibt es bei Schulverweigerern Probleme in der Familie oder im sozialen Umfeld. Oft trifft beides zu.

In nicht wenigen Fällen ist aber auch der Konflikt zwischen Schüler und Lehrern oder Mobbing die Ursache dafür, dass der Gang zur Schule zunehmend zu einer Belastung wird und letztlich zur vollständigen Schulverweigerung führt.

Meine Damen und Herren! Glaubt jemand hier im Raum ernsthaft daran, dass ein Arrest, ob mit oder ohne Internatslösung, zur Lösung des Problems führt,

(Daniel Roi, AfD: Ja!)

wenn die Ursachen des Fehlverhaltens gar nicht bei den Betroffenen zu suchen sind?

(Daniel Roi, AfD: Schon klar!)

Wir müssen doch ganz woanders ansetzen, nämlich bei der Prävention. Eltern und Lehrer stehen den Kindern und Jugendlichen in der Regel am nächsten. Sie könnten direkt eingreifen. Aber auch Schulpsychologen, Ärzte, Jugendbetreuer, pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter können ihren Teil dazu beitragen, die Anzeichen einer Schulverweigerung möglichst frühzeitig zu erkennen und die entsprechenden Hilfen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Schulsozialarbeit in multiprofessionellen Teams spielt hierbei eine wichtige Rolle. Deshalb haben wir bereits in einer der letzten Landtagssitzungen

entsprechende Initiativen zur Erarbeitung eines Konzepts eingeleitet.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! In dem Änderungsantrag zu dem Alternativantrag der LINKEN haben wir dargelegt, wie wir der Herausforderung der Schulverweigerung begegnen wollen. Das haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Aldag. Sie können gleich vorn bleiben. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Gebhardt. - Sie möchten sie nicht beantworten. Okay. - Herr Dr. Tillschneider?

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Eine Kurzintervention!)

- Eine Kurzintervention? Keine Frage?

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Ja!)

- Okay. Sie haben das Wort, bitte.

Ich will kurz intervenieren. All diese Argumente, die bislang vorgebracht wurden, dass jemand die Schule schwänzt, weil es in der Familie schlecht ist und weil er sonst irgendwelche Probleme hat, relativieren den Begriff der Pflicht. Wir haben eine Schulpflicht. Das heißt, die Schüler sind verpflichtet, zur Schule zu gehen. Dass jemand familiäre Probleme hat, hebt diese Pflicht nicht auf. Aber Sie tun das. Und genau damit vermitteln Sie die falsche Botschaft. Wir müssen den jungen Menschen wieder die Botschaft vermitteln, dass es Pflichten gibt, die zu erfüllen sind.

(Unruhe)

Das ist das Problem, dass das nicht mehr getan wird. Deshalb braucht man ein klares Signal: Schulschwänzen ist kein Kavaliersdelikt!

(Beifall bei der AfD - Swen Knöchel, DIE LINKE: Ho!)

Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die CDU-Fraktion spricht die Abg. Frau Gorr. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Problem des Schulabsentismus ist leider weiterhin aktuell. Daher ist es auch weiterhin erforderlich, auf die verschiedenen Formen des Schulabsentismus in erster Linie mit pädagogi

schen, sozialpädagogischen und psychologischen Mitteln zu reagieren.

Die an der Problematik beteiligten Partner wie Schule, Landkreise, Ordnungsämter und Träger der Jugendhilfe haben Instrumente entwickelt, um dem Schulabsentismus zu begegnen. Sie nehmen jeden einzelnen Fall in den Blick und unternehmen gemeinsame Anstrengungen, um die Jugendlichen ihrer Schulpflicht zuzuführen.

Wir haben im Land Sachsen-Anhalt vor allem klar geregelte Abläufe, um zuerst die Sorgeberechtigten darüber zu informieren, dass ihre schulpflichtigen Kinder in der Schule unentschuldigt fehlen. Diese tragen an allererster Stelle die Verantwortung dafür, dass die Schulpflicht laut § 36 Abs. 1 des Schulgesetzes erfüllt wird.

Dabei ist natürlich die Schule das System, das die durch Schulabsentismus entstehenden Probleme in den Griff bekommen will und auch muss. Neben der Unterrichtsversorgung, an deren Verbesserung wir zurzeit arbeiten, kommt dem Programm „Schulerfolg sichern“ eine große Bedeutung zu. Frau Prof. Kolb-Janssen und ich konnten uns kürzlich auf einem Fachtag von der Vielfalt der Problemstellungen überzeugen.

Zum System Schule gehört auch, mit multiprofessionellen Teams Probleme aufzufangen. Wir haben dazu in dieser Legislaturperiode bereits einen Beschluss auf den Weg gebracht.