Jetzt zum Text von Herrn Robra. Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat eine Aktuelle Debatte zum Reformationsjubiläum beantragt mit der programmatischen Aussage im Antragstitel „Reformationsjubiläum im Interesse aller Menschen in Sachsen-Anhalt gestalten“. Diese Befassung im Landtag reiht sich ein in eine Reihe von Befassungen mit dem Thema Reformationsjubiläum, die in den nächsten Wochen in verschiedenen Fachausschüssen anstehen.
An dieser erhöhten Aufmerksamkeit zeigt sich: Jetzt wird es wirklich ernst, nach zehn Jahren Vorlauf im Rahmen der Lutherdekade ist das Jubiläum nun tatsächlich ganz nah herangerückt. Am kommenden Montag, dem 31. Oktober, dem Reformationstag, der auch Feiertag in SachsenAnhalt ist, wird das letzte Dekadenjahr mit einem Festakt in Berlin eröffnet. Zeitgleich findet die Jahrestagung des Lutherischen Weltbundes an seinem Gründungsort Lund in Schweden statt. Auch Papst Franziskus hat dazu seinen Besuch angesagt.
Der Festkalender nimmt in den folgenden Wochen kräftig Fahrt auf, international, national, vor allem aber in unserem Land Sachsen-Anhalt, dem Ursprungsland der Reformation, dem Land der wichtigsten Lutherstätten. Hunderttausende Menschen aus aller Welt werden im kommenden Jahr unser Land besuchen. Wir wollen sie freundlich empfangen und ihnen gute Gastgeber sein.
Natürlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Rückwirkungen hat dieses Jubiläum, haben die vielen festlichen Ereignisse auf uns selbst, auf die Menschen in unserem Land? - Der Antrag formuliert es prononciert: auf das Interesse aller Menschen in Sachsen-Anhalt.
Nun deutet die Antragsbegründung an, welche Überlegungen hinter dieser Formulierung möglicherweise stehen. Es heißt darin: „Für dieses Jubiläum wurden im Vorfeld erhebliche öffentliche Ressourcen gebunden.“ Dazu kann ich sagen: Ja, das stimmt. Die Landesregierung hat ein Programm aufgelegt und die Aufgaben dem bisherigen Kultusministerium, inzwischen Ministerium für Kultur, übertragen, das erhebliche Ressourcen bindet.
In Summe sind im Landeshaushalt in einem gesonderten Kapitel 80,2 Millionen € an Landesmitteln über zehn Jahre eingeplant worden, an erster Stelle für große Bauprojekte, ergänzend für wissenschaftliche und kulturelle Zwecke, für bürgerschaftliches Engagement, für Marketing und für weitere Zwecke. Zusätzliche Mittel von EU, Bund, Kirchen und weiteren Drittmittelgebern unterstützen diese Anstrengungen.
Über die Einzelheiten wird dem Finanzausschuss regelmäßig berichtet, zuletzt in der Sitzung am 19. Oktober. - Herr Meister, ich hoffe, das stimmt.
Nimmt man die weitere Unterstützung des Landes für den kirchlichen Trägerverein, für Infrastruktur und diverse begleitende Maßnahmen hinzu, die insbesondere im nächsten Jahr zur Ermöglichung der geplanten Großveranstaltungen notwendig sind, dann kann mit gutem Grund von erheblichen öffentlichen Ressourcen gesprochen werden.
Die öffentlichen Ressourcen etlicher Kommunen kommen noch hinzu, etwa durch ihre Beteiligung an den geplanten, bewusst dezentral angelegten regionalen Kirchentagen. Dass wir dabei Wittenberg in einer besonderen Verantwortung sehen, die auch gelebt wird, haben wir daran gesehen, dass sich heute besonders unsere Wittenberger Kollegen rege an der Debatte beteiligt haben.
Zu fragen ist also: Ist das im Interesse aller Menschen in Sachsen-Anhalt? Vielleicht kann man die Frage etwas positiver auch so stellen: Wie können wir sicherstellen, das alles, was geschehen ist und noch geschieht, auch tatsächlich bei möglichst vielen Menschen in Sachsen-Anhalt ankommt?
Meine Damen und Herren! Es besteht kein Zweifel: Die Landesregierung sieht sich auch in der Unterstützung des Reformationsjubiläums den Interessen des Landes und all seiner Menschen verpflichtet. Lassen Sie mich dazu einige wenige Anmerkungen machen.
Erstens. Mit diesem Jubiläum hat Sachsen-Anhalt die Jahrhundertchance, für ein ganzes Jahr im Fokus nationaler und internationaler Öffentlichkeit zu stehen. Der Reichtum der Geschichte und Kultur unseres Landes wird sich auf lange Sicht
nicht mehr so gut darstellen und vermitteln lassen wie im Zusammenhang mit diesem Reformationsjubiläum. Diese Chance müssen wir nutzen, meine Damen und Herren. Deshalb tun wir es.
Zweitens. Die Sanierung und Wiederherstellung der Lutherstätten in Wittenberg, in Eisleben, Mansfeld und anderswo, aber auch mit vielen kleinen Projekten quer durch das ganze Land bot auf lange Sicht die einzigartige Chance, in der Kombination von Landesmitteln mit weiteren Mitteln zur Belebung von Stätten beizutragen, wie sie ansonsten kaum noch möglich gewesen wäre. Das nützt auch dem Tourismus im Land und schafft dauerhaft Arbeitsplätze.
Bei mancher Kritik an der Unterstützung für die Kirchen muss man doch auch sagen, die EKD wird mit diesen Maßnahmen dauerhaft an die Region gebunden, in der Verpflichtung, in unserem Land ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot aufrechtzuerhalten. Auch das ist eine Chance, meine Damen und Herren, für die Zukunft unseres Landes.
Drittens. Die Tatsache, dass viele Menschen aus vielen Ländern dieser Welt, junge und gebildete Menschen, nach Sachsen-Anhalt kommen, um in den geplanten Camps oder als Volunteers, als Unterstützer, eine hoffentlich prägende Zeit zu verbringen, Impulse aus ihrer Zeit in SachsenAnhalt für ihr späteres Leben mitzunehmen, auch das ist im Interesse aller Menschen in SachsenAnhalt und für Sachsen-Anhalt.
Viertens. Es wird gelegentlich beklagt, das Land habe in zu viel Beton und in zu wenig Inhalte investiert. - Herr Gallert, jetzt hören Sie einmal genauer zu. - Dazu sage ich: Das Land ist nicht für die Inhalte eines kirchlichen Jubiläums verantwortlich.
Wir können helfen, ermöglichen, begleiten, Rahmenbedingungen schaffen. Das haben wir getan. Die Inhalte müssen von den kirchlichen Trägern und vielen anderen, gänzlich unkirchlichen Partnern selbst eingebracht werden.
Das geschieht auch. Wer sich das bunte Programm anschaut, das uns zum Beispiel bei der geplanten Weltausstellung der Reformation im nächsten Jahr über mehrere Monate erwartet, der sieht, dass es hierbei nicht nur um ein christliches Programm geht, sondern dass es um Themen geht, die alle Menschen im 21. Jahrhundert betreffen, auch alle Menschen in Sachsen-Anhalt. Wenn viele dieser Menschen später einmal sagen können: Diesen oder jenen Impuls habe ich da
Meine Damen und Herren! Meine Bitte ist, lassen Sie uns die begonnenen Anstrengungen nun gemeinsam zum Ziel führen. Lassen Sie uns die großartigen Chancen, die das Reformationsjubiläum für Sachsen-Anhalt bietet, nutzen und nicht zerreden. Lassen Sie uns gemeinsam darauf achten, dass möglichst viel von dem bei möglichst vielen Menschen in Sachsen-Anhalt ankommt. - Ich danke Ihnen.
Sie können es als Frage werten. Ich sehe es als Feststellung. Sehen Sie, Herr Tullner, das ist genau der fundamentale Unterschied im Herangehen. Sie sagen, wir geben das Geld der Kirche, die Kirche soll inhaltlich damit machen, was sie denkt.
Dazu sage ich: Nein, das ist ein grundsätzlich falsches Herangehen. Es ist unsere Aufgabe als öffentliche Hand, als Regierung, hier im Landtag die inhaltlichen Verknüpfungen und Erwartungen, die wir mit diesem Geld verbinden, entweder zusammen mit den kirchlichen Strukturen zu verhandeln oder selbst umzusetzen. Ansonsten ist es ein verlorener Zuschuss an eine andere Institution, mit der wir nichts zu tun haben.
Das wird unserer Verantwortung beim Reformationsjubiläum nicht gerecht, Herr Tullner. Das ist der grundlegende Unterschied und unsere grundlegende Kritik gegenüber der Landesregierung. Ich bin dankbar, dass Sie diesen Punkt der Leugnung der eigenen Verantwortung hier noch einmal so deutlich ausgesprochen haben.
Mein lieber Herr Gallert, dass Sie dankbar sind, erfüllt mich wiederum mit einer gewissen Dankbarkeit, weil das ganz schön ist.
Ich sichere Ihnen zu, dass ich Ihre Bedenken und auch die in der Debatte, die ich sehr aufmerksam verfolgen werde, noch vorgetragenen Herrn Robra übermitteln werde.
Er wird diese in seine Überlegungen mit einbeziehen, damit wir unser Reformationsjubiläum noch ein bisschen besser ausgestalten können und die Wirkung in der Zukunft noch nachhaltiger sein wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abg. Budde. Sie haben das Wort, Frau Budde.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gallert, Ihr letzter Satz „ein verlorener Zuschuss an eine Institution, mit der wir nichts zu tun haben“ - das hätte die Überschrift über Ihren Antrag zur Aktuellen Debatte sein müssen. Das hat im Grunde alles ausgesagt. Da sind wir in der Tat anderer Auffassung als Sie.
Denn viele unserer hohen Feiertage haben etwas mit der Institution und auch mit der Geschichte zu tun, an die es einen verlorenen Zuschuss gibt.
Ich weiß, dass alle Vergleiche hinken, aber bei Ihrem Debattenbeitrag ist mir eines eingefallen: Was haben Luther und der Sozialismus gemeinsam? - Es war am Anfang gut gemeint, phasenweise schlecht gemacht und es hat auch negative Auswirkungen gegeben. Ich glaube, so kann man das zusammenfassen. Insofern sollte immer auch ein bisschen Eigenreflexion dabei sein.
Vielleicht hätte die Überschrift „Hätte, hätte, Fahrradkette“ auch gut gepasst. Denn wenn Sie das, was Sie heute gesagt haben, vor einem oder zwei Jahren gesagt hätten, dann wäre es an der richtigen Stelle gewesen.
Aber heute, im Jahr vor 2017, eine Debatte nach dem Motto „hätte, hätte“ anzuführen, ist wirklich ein bisschen spärlich. Wenn es Ihnen zu wenig gewesen ist - mir war es nicht zu wenig. Wenn es Ihnen zu wenig gewesen ist, hätten Sie das ja sagen können.
Ich will auch den historischen Kontext anführen. Zu dieser Zeit wurden alle Auseinandersetzungen, die gesellschaftlichen, die kirchlichen, die religiösen leider mit Mord und Totschlag geführt. Wir sind froh, dass wir das heute in unserer Region
nicht mehr so haben; in anderen Regionen der Welt ist das noch so. Insofern steht natürlich alles immer in einem historischen Kontext, auch die Reformation, auch Luther und auch Thomas Müntzer.
Ich würde aus unserer Sicht gern die Überschrift „Martin Luther ist für alle da und die Reformation ist für alle da“ über unsere Aktuelle Debatte stellen. Ich bin weit davon entfernt, einen Personenkult zu betreiben.
Aber wenn der Reformationstag am kommenden Montag und das Jubiläumsjahr mit Festgottesdienst und einem Festakt in Berlin feierlich eröffnen wird, dann sollten wir uns schon in Erinnerung rufen, dass es sich hierbei nicht um ein nationales Jubiläum handelt, sondern um ein Ereignis von Weltbedeutung, von übernationaler Bedeutung. Und wir haben die Chance, dazu auch aus Sachsen-Anhalt Signale zu setzen und gute Bilder zu transportieren.