Das Dritte, okay. - Das Dritte ist, Sie sprechen von Angriffen auf Flüchtlinge - die wir ebenso ablehnen - und bringen das immer in Verbindung mit der AfD. Ja, die AfD hatte in Bitterfeld-Wolfen - aus dieser Stadt komme ich - ein hohes Ergebnis. Wir haben in Bitterfeld-Wolfen knapp 50 % aller Asylbewerber des Landkreises untergebracht. Gibt es denn einen Zusammenhang zwischen Wahlergebnissen der der AfD oder dem Umstand, dass die AfD stark ist, und Übergriffen auf Flüchtlinge?
Wissen Sie, ich rede sehr oft mit Leuten mit Migrationshintergrund. Ob Sie zum Kurden gehen, ob Sie zum Vietnamesen gehen, ob Sie zum Türken gehen - - Die können auch wählen und wählen übrigens nicht alle Grün; manche
Gibt es in Bitterfeld-Wolfen übermäßig viele Übergriffe auf Flüchtlinge? - Ich sage Ihnen die Antwort: Nein, die gibt es nicht, Herr Striegel.
Fangen wir einmal nacheinander an. Zu der Differenz zwischen den Zahlen des LKA und denen der mobilen Opferberatung. Da gibt es keinen Dissens, auch nicht zwischen den Beteiligten, sondern es gibt klare Erklärungen dafür. Das liegt unter anderem daran, dass es Menschen gibt, die, weil sie zum Beispiel in Deutschland illegalisiert sind, nicht mit einer Anzeige zur Polizei gehen, sondern sagen, das ist ein Risiko für mich, und deshalb keine Anzeige machen. Das kann beim LKA nicht auftauchen.
Zweitens. Es gibt Menschen, die in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben und aus diesem Grunde - was ich falsch finde - sagen: Das bringt nichts für mich, das funktioniert für mich nicht.
Drittens. Es gibt Menschen, die sagen: Wenn ich mich als Opfer einer solchen Straftat auch als Zeuge zur Verfügung stelle, muss ich hinterher mit den Tatverdächtigen, mit den Tätern weiter in meinem kleinen Ort zusammenleben, bin im Alltäglichen deren Repressionen ausgesetzt und habe dann ein Problem. Diese wenden sich aus diesem Grund nicht an die Polizei.
Ich finde das nicht gut, weil ich ganz deutlich sagen will: Ich glaube, dass es in einem modernen Rechtsstaat sinnvoll ist, auf Strafverfolgung zu setzen, weil dann eine Veränderung erreichbar ist und weil dann auch das Problem in der Breite erkennbar ist.
Delikt, wie es in Tröglitz passiert ist, eine Brandstiftung, von einer mobilen Opferberatung als rechte Gewalttat gezählt wird, weil alle Indizien darauf hindeuten,
- ja, alle Indizien, Herr Poggenburg - es in der polizeilichen Kriminalstatistik aber nicht als PMK rechts geführt wird. Die Zahlen lassen sich also erklären.
Zweiter Punkt. Ich habe vorhin über die Wahlergebnisse geredet. Das ist ein Aspekt. Es gab in Bitterfeld Angriffe auf Wahlkreisbüros. Es gab in Bitterfeld Montagsmahnwachen mit Reichsbürgerbeteiligung. Es gab in Bitterfeld rechte Angriffe in massivster Art. All diese Dinge zusammengenommen weisen darauf hin, dass wir in Bitterfeld ein massives Problem haben. Ja, das haben wir.
Okay. Bitte sehr. - Dann können wir in der Debatte fortfahren. Als Nächster hat Herr Kolze von der CDU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Wir als CDU-Fraktion werden uns dem Anliegen dieses Antrages nicht verschließen und einer Überweisung in die Ausschüsse zustimmen. Ich werde aber in meinen Ausführungen über das Ziel des Antrages hinaus einige Gedanken anführen, die unserer Meinung nach im gleichen Atemzug angesprochen werden müssen.
derzeit aber auch gefühlt in einer gesellschaftlichen Phase der Verunsicherung und der Angst. Ich will keine tiefenpsychologische Untersuchung anstellen, woran dies im Einzelnen liegt. Die Ursachen sind vielschichtig. Ich möchte - wie meine
Vorredner auch - betonen, dass unsere Gesellschaft und unser Staatswesen vor einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung durch den Rechtsextremismus stehen. Insoweit stimme ich den Antragstellern zu.
Aus Zeitgründen möchte ich die Zeitungsmeldungen der vergangenen Wochen und Monate an dieser Stelle nicht rekapitulieren. Sie alle wissen, was ich meine. Eine Meldung möchte ich dennoch beispielhaft anführen. Sie haben alle von dem jüngsten Anschlag auf Bundeswehrfahrzeuge Kenntnis erlangt. Ich rechne auch diese Tat dem politischen Extremismus zu, allerdings wohl nicht dem Rechtsextremismus.
Ich möchte vielmehr diese Gelegenheit nutzen, um den Horizont für den Gegenstand des Extremismus im Allgemeinen zu erweitern. Dazu zählt auch die Betrachtung jeglicher Form des Extremismus, des religiös motivierten genauso wie des Linksextremismus, überhaupt alle extremistischen Gedankengänge und Äußerungen.
Dabei kommt es meiner Ansicht nach nicht darauf an, ob Gewalt ausgeübt wird oder nicht. Auch Sprache kann Gewalt darstellen und kennzeichnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht in ein einfaches Schema der Aufrechnung von verübten Gewalttaten von links und rechts verfallen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Beschreibung des kürzlich verstorbenen Zeithistorikers Karl Dietrich Bracher, der das 20. Jahrhundert als Zeit der Ideologien charakterisiert hat, auch im 21. Jahrhundert offensichtlich nachwirkt und leider noch ihre Berechtigung hat.
Wir müssen uns die Frage stellen, wieso eigentlich noch so viele Menschen in unserem Wohlfahrtsstaat angesichts herausragend guter Wirtschaftsdaten, angesichts umfassender sozialer Infrastruktur und angesichts einer vergleichsweise niedrigen Arbeitslosenquote noch so stark für Extreme empfänglich sind. Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Zahlen in den letzten Monaten eher gestiegen sind, als dass sie zurückgehen.
Es muss also noch andere Gründe geben, die die Entwicklung richtig beschreiben. Ich befürchte, es hat auch mit der Steuerungsfähigkeit unseres politischen Systems insgesamt zu tun. Wir alle sind verantwortlich dafür, dass Politik formuliert, in Gesetze gegossen, umgesetzt und notfalls revidiert wird. Dafür werden wir als Politiker gewählt.
Ich gewinne jedoch immer mehr den Eindruck, dass die gesellschaftlich-technologische Entwicklung unseres Gemeinwesens immer mehr Formen annimmt, die die meisten Menschen in unserem Land teilweise überfordern. Daraus entsteht schnell eine innere Abwehrhaltung gegen alles Neue und Unbekannte.
Der Politikwissenschaftler Fritz Scharpf hat dazu bereits in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Umschreibung gewählt: Komplexität als Schranke politischer Planung. Genau dies erleben wir nun in diesen Zeiten, die durch wachsende Extreme gekennzeichnet sind. Grenzen werden nicht mehr eingehalten, nicht mehr beachtet. Es kommt zu einer Entgrenzung der Gesellschaft hin zu Extremen.
Extreme sind durch einfache Fragestellungen und einfache Antworten ihrer ideologischen Wortführer charakterisiert. Das können wir nicht ändern. Wir können und müssen als Demokraten aber die Meinungsführerschaft wieder zurückgewinnen, um so die Akzeptanz für unsere demokratischen Werte wie Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Rechtsstaatlichkeit etc. wiederzugewinnen. Dabei spielt Hektik keine gute Beraterrolle, sondern verstärkt nur das Problem.
Um auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE zurückzukommen: Wir sollten nicht auf dem einen Auge blind sein, indem wir nur die Reflexe der eigenen Klientel bedienen. Extremismus in jeglicher Spielart hat es zu allen Zeiten gegeben. Wir als Demokraten müssen dafür sorgen, dass Extreme nicht groß werden können, weder von rechts noch von links oder von anderswoher motiviert.
Ich plädiere angesichts der fraktionsübergreifenden Einschätzung, dass dieses Thema es wert ist, in den Ausschüssen eingehend darüber zu debattieren, dafür, diesen Antrag in den Ausschuss zu überweisen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
- Alles gut. - In Ordnung. Wir können in der Debatte weitermachen. Zum Abschluss hat Frau Quade noch einmal das Wort. - Frau Quade verzichtet.
Uns liegt ein Überweisungsantrag vor. Nun müssen wir noch einmal überlegen. Die Frau Ministerin hat als Sozialministerin gesprochen; ansonsten