Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Schindler. Sie dürfen jetzt zum Rednerpult kommen. Sie haben das Wort, Frau Abg. Schindler.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Am 7. Januar 2005 kam im Gewahrsam der Polizei ein Mensch ums Leben. Dabei unterscheiden wir nicht nach Herkunft und Alter.
Seit diesem Zeitpunkt gab es zahlreiche Untersuchungen und Verfahren, um diesen Tod aufzuklären. Dies gelang bis heute nicht. Das bleibt eine schmerzliche Wunde und beschädigt weiterhin das Ansehen von Sachsen-Anhalt. Dies konnten - das war auch nicht ihr Auftrag - die Berater im Auftrag des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung ebenfalls nicht. Die Berater sollten vielmehr im Auftrag des Ausschusses die vorliegenden Akten fachlich und sachlich dahin gehend bewerten, inwieweit vor allem das Handeln staatlicher Behörden dazu beigetragen hat, dass es zu dem Tod kommen konnte und dass er nicht aufgeklärt werden konnte.
An dieser Stelle möchte ich auch im Namen meiner Fraktion Herrn Rechtsanwalt Jerzy Montag und Herrn Generalstaatsanwalt a. D. Manfred Nötzel ausdrücklichen Dank für die geleistete Arbeit und den nun vorliegenden Bericht aussprechen. Es ist eine sehr umfangreiche Arbeit gewesen, die viel Zeit in Anspruch nahm.
Der Bericht hat in vielen Punkten Klarheit geschaffen. Aus der Sicht der Berater gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine offenen Ermittlungsansätze zur weiteren Verfolgung eines Mordes oder Mordversuches. Die Übertragung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau und an die Staatsanwaltschaft Halle im Mai 2017 ist nach Aktenlage rechtlich völlig korrekt. Die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Halle im Oktober 2017 ist sehr gut nachvollziehbar sowie sachlich und rechtlich richtig; dies immer vor dem Hintergrund der damaligen Erkenntnisse und Ermittlungen.
Überaus erschreckend war jedoch die Bewertung, dass strukturelle, organisatorische sowie politische Fehler und Mängel der Staatsorgane des Landes Sachsen-Anhalt sehr wohl zum Tod Oury Jallohs einen entscheidenden Beitrag geleistet haben. Der Tod hätte also auch vermieden werden können. Die Durchführung und die Dauer der Ingewahrsamnahme in fixiertem Zustand waren rechtswidrig - so die eindeutige Aussage im Bericht.
Dies beruhte offensichtlich auf mangelnder Unterweisung, mangelnden Kenntnissen im Hinblick auf Voraussetzungen, Dauer und Durchführung von
Freiheitsentziehung im Polizeigewahrsam sowie erheblichen organisatorischen Missständen in der Polizei.
Vieles ist in der Auswertung des Todes von Oury Jalloh seit dem Jahr 2005 bereits verändert worden. Ich zitiere aus dem Bericht:
„Das Innenministerium reagierte umgehend auf den Tod Oury Jallohs im Polizeigewahrsam. Die angestoßenen Maßnahmen und die konkreten Anweisungen waren zielgenau und zeigten großes Problembewusstsein und den Willen, Missstände in den Gewahrsamen des Landes abzustellen.“
Mit den abschließenden Empfehlungen weisen die Berater jedoch auch auf einige Defizite hin. So sollten die Ausführungsbestimmungen zum SOG LSA an die heutige Gesetzeslage angepasst werden. Diese stammen noch immer aus dem Jahr 2001. Wir haben in der Zwischenzeit das SOG mehrfach verändert. Vor allem sollte beim Polizeigewahrsam deutlich auf die Notwendigkeit einer richterlichen Entscheidung für die Freiheitsentziehung hingewiesen werden. Wir sind gut beraten, diese Empfehlungen aufzunehmen und an die politische Umsetzung zu gehen.
Nun zu den politisch brisanten Erkenntnissen aus dem Bericht. Die Frage, ob die zuständigen Ermittlungsbehörden auf die Aufklärung unzulässig Einfluss genommen haben, konnte nicht abschließend beantwortet werden. Um es deutlich zu machen: Wir achten die verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte. Uns muss aber daran gelegen sein, dass insbesondere in diesem für das Ansehen des Landes Sachsen-Anhalt so wichtigen Vorgang keine - wirklich keine - Fragen offenbleiben. Das wird uns mit den bisher gewählten Mitteln nicht gelingen. Das bleibt eine Aufgabe dieses Parlamentes. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abg. Herr Striegel. Sie haben jetzt das Wort, Herr Abgeordneter.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von nunmehr fast 16 Jahren starb ein Mensch im sachsen-anhaltischen Polizeigewahrsam unter bis heute nicht vollständig geklärten, aber zweifellos düsteren Umständen. Oury Jalloh verbrannte in einer Zelle in einem Dessauer Polizeirevier. Bis heute versagt der deutsche Rechtsstaat, die vollständige Aufklärung dieses Falles
zu gewährleisten. Die ordentlichen Gerichte konnte diese Aufklärung nicht vollumfänglich liefern. Dieser Befund schmerzt; er ist und bleibt eine offene Wunde für unseren Rechtsstaat und für unsere Demokratie.
Die Regierungskoalition dieses Landes hat sich zur Gewährleistung parlamentarischer Kontrolle dazu entschlossen, mit Manfred Nötzel und Jerzy Montag zwei erfahrene Juristen damit zu beauftragen, nach Ausschöpfung des Rechtswegs den gesamten Aktenbestand nochmals zu durchforsten, die aus der Sicht des Rechtsausschusses offenen Fragen zu beantworten und Empfehlungen für die Zukunft zu geben.
Beide Berater haben Ergebnisse geliefert. Ein zentrales Ergebnis ist, dass alle - alle! - polizeilichen Maßnahmen gegenüber Oury Jalloh rechtswidrig waren. Oury Jalloh wurde ohne Grund festgenommen; denn seine Identität wäre ohne Weiteres feststellbar gewesen. Hätten sich die handelnden Polizeibeamten an geltendes Recht gehalten, hätten sie ihn gar nicht erst verhaften dürfen bzw. hätten ihn zumindest zeitnah wieder auf freien Fuß setzen müssen. Wären die hier geltenden Regeln beachtet worden: Oury Jalloh wäre am 7. Januar 2005 nicht verstorben. Das ist ein gravierender Befund in einem Rechtsstaat.
Ein weiterer zentraler Befund ist aber auch, dass die juristischen Berater aus den Akten keinen Ansatzpunkt für weitere Mordermittlungen sehen. Dies würde einen hinreichenden Tatverdacht gegen einen oder mehrere konkret benennbare Tatverdächtige voraussetzen. Ein solcher Tatverdacht ist aktuell nicht ersichtlich. Aber - wir haben es heute schon gehört - Mord verjährt nicht. Die Wiederaufnahme der Ermittlungen ist bei Vorliegen neuer Erkenntnisse jederzeit möglich.
Was ergibt sich aus diesen Befunden für die Zukunft? - Wir müssen zunächst alles Menschenmögliche dafür tun, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass, wie von den Beratern empfohlen, Fixierungen durch die Polizei in Sachsen-Anhalt der Vergangenheit angehören.
An dieser Stelle möchte ich einen Änderungsantrag zum Antrag der Koalitionsfraktionen zur Ausbesserung eines Redaktionsversehens stellen. Punkt 5 soll zukünftig lautet:
„Der Landtag begrüßt die im Nachgang des 5. Januar 2005 ergangenen Änderungen der Gewahrsamsordnung und die ausdrückliche Anweisung, dass bei Gewahrsamnahmen durch die Polizei keine Fixierungen mehr erfolgen dürfen.“
Gleiches gilt auch für das Thema Polizeigewalt im Allgemeinen; denn der Bericht hat auch gezeigt, dass rechtswidrige Polizeimaßnahmen im betreffenden Revier und darüber hinaus zur alltäglichen Polizeikultur gehörten. Vorfälle dieser Art dürfen nicht hingenommen werden.
Wir als GRÜNE plädieren unter anderem für unabhängige Beauftragte für die Polizeien in Bund und Ländern. Es braucht in Teilen einen weitergehenden Kulturwandel in Ausbildung und Praxis der Polizei. Wir haben erst gestern im Zusammenhang mit dem Thema Racial Profiling über diese Fragen debattiert.
Viel diskutiert und auch heute wieder angesprochen wird die Frage zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Die grüne Landtagsfraktion ist bereit, an einer solchen Einsetzung mitzuwirken. Ein Untersuchungsausschuss braucht einen erfüllbaren Untersuchungsauftrag und einen sich im Rahmen der Gewaltenteilung bewegenden Auftrag. Zu klären ist also, welche Fragen mit diesem Mittel noch beantwortet werden können. Wir werden dazu den Kontakt mit den anderen demokratischen Fraktionen suchen.
Davon unabhängig finde ich, dass dem Land Sachsen-Anhalt eine moralische Verantwortung für den Tod von Oury Jalloh zukommt; denn zweifellos war sein Tod direkte Folge einer rechtswidrigen Festnahme durch die Polizei unseres Landes.
In Anerkenntnis dieser Tatsache sollte das Land den Angehörigen des Toten ein symbolisches Schmerzensgeld gewähren. Das ersetzt weder das verlorene menschliche Leben, noch ersetzt es die schuldig gebliebene Aufklärung. Es wäre jedoch eine starke Geste, die zeigt, dass das Land Sachsen-Anhalt aus diesem düsterem Fall gelernt hat und zu seiner Verantwortung steht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Auch hierzu gibt es keine Wortmeldungen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht - - Herr Kolze verzichtet. Damit kommen wir zur letzten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Quade. Sie haben das Wort. Bitte.
worden ist, zunächst aber zum Alternativantrag. Das ist ein typisches Kenia-Produkt: Es steht etwas auf dem Papier, aber es bleibt folgenlos. Die Empfehlung der Berater und die Tatsache, dass sie dies für notwendig halten, zeigen, wie viel konkreten Regelungsbedarf es gibt.
Nein, es reicht nicht zu sagen: Es ist gut, dass es diese gibt, wir danken den Beratern dafür, dass sie die Empfehlungen gegeben haben, und wir werden nach Möglichkeiten suchen, das umzusetzen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten - was sind denn die Möglichkeiten des Landtages? - Herr Kolze hat deutlich gemacht, dass er findet, die parlamentarische Befassung sei beendet.
Das heißt auch, die parlamentarische Befassung mit den Empfehlungen sei beendet. Wir halten fest: Dieser Landtag kann immer noch deutlich mehr als das, was unter einer Kenia-Koalition möglich ist. Genau das müsste im Fall Oury Jalloh passieren.
Der Alternativantrag bleibt folgenlos und ändert absolut nichts am Status quo. Das ist sein größtes Problem. In der Tat lässt sich das beim Abstimmungsverhalten für unsere Fraktion nur mit einer Enthaltung darstellen.
Ich beantrage zudem, über die einzelnen Punkte in unserem Antrag getrennt abstimmen zu lassen, um den Koalitionsfraktionen und allen Parlamentariern zu ermöglichen, sich dazu differenziert zu verhalten.
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich sind mir die Gepflogenheiten und Verabredungen in einer Koalition bekannt. Aber welcher Fall, wenn nicht der Fall Oury Jalloh, sollte es möglich machen, allein nach dem Gewissen zu entscheiden?
Weiterhin zu Frau Ministerin Keding. Ich möchte noch einmal einer Passage aus dem Bericht der Berater - das ist die Seite 272 - zitieren, in dem die Berater zu dem Informationsverhalten der Ministerin Folgendes festhalten:
„Das Verschweigen ist eine unzweifelhaft unvollständige Information des Landtags. Dies wurde von Justizministerin Keding auch eingestanden.
Der dadurch spätestens am 28. September 2017 objektiv erweckte - jedoch nicht den Tatsachen entsprechende - Eindruck bei den Abgeordneten,