Protocol of the Session on September 10, 2020

Wir haben uns vor einem Jahr über die damit im Zusammenhang stehenden Fragen ausgetauscht. Es ist nicht so, dass seitdem nichts passiert ist. Es ist sehr wohl etwas passiert, interessanterweise allerdings nicht in Sachsen-Anhalt.

Vielleicht können sich die eine oder andere oder der eine oder andere an die Diskussion von damals noch erinnern. Da war von Kirchenfeindlichkeit die Rede und davon, dass wir Verpflichtungen ins Nichts auflösen wollten. All das war, zumindest was meine Fraktion anbelangt, falsch.

Seit diesem Zeitpunkt gibt es tatsächlich eine gewisse Bewegung. Das will ich zumindest denjenigen hier erzählen, die nicht täglich damit zu tun haben. Es gibt inzwischen einen Gesetzentwurf auf Bundesebene. Dieser Gesetzentwurf auf Bundesebene wird interessanterweise von drei Fraktionen eingebracht: von den GRÜNEN, von der FDP und von der LINKEN.

Alle drei Fraktionen versuchen, einen Rahmen zu bilden, innerhalb dessen man diese Staatskirchenleistungen ablösen kann bzw. einen Vorschlag zu formulieren, wie die Länder damit umgehen. Denn - zumindest das hat sich nicht geändert - dieses Problem muss auf Landesebene ge

löst werden, weil es zum Beispiel in dieser Bundesrepublik Deutschland Länder gibt, die überhaupt keine Staatskirchenleistungen zahlen. Das hat jedes einzelne Land selbst definiert.

Der Staatsvertrag mit der evangelischen und der katholischen Kirche ist zwischen dem damaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und den Kirchenvertretern geschlossen worden. Es ist eine vertragliche Basis zwischen dem Land und der katholischen bzw. evangelischen Kirche. Das ist etwas, was in unseren Zuständigkeitsbereich fällt. Und ich sage es noch einmal in aller Deutlichkeit: Es ist etwas, das aus unserem Landeshaushalt bezahlt wird. Deswegen ist der permanente Verweis, wir könnten so lange nichts tun, wie der Bund keinen Rahmen dafür setzt, falsch.

(Zustimmung)

Wenn ich mich an die Diskussion von damals erinnere - wir hatten schon einige Debatten -, dann will ich nur einmal sagen, wer sich alles auf die Diskussion im Ausschuss gefreut hat: unter anderem der Herr Minister oder Herr Schumann, der damals schon zum Ausdruck brachte, man müsse sich im Ausschuss über diese Dinge wirklich einmal vernünftig unterhalten.

Auch die Vertreter der beiden anderen Fraktionen der Koalition meinten, man müsse im Ausschuss einmal über diese Dinge reden und darüber, wie man bei der Erfüllung dieses Verfassungsauftrages wirklich vorankomme.

Interessanterweise lief diese Freude leider völlig ins Leere, weil es eine solche Diskussion im Ausschuss nicht gegeben hat; denn die Koalition ist nicht in der Lage, darüber zu diskutieren.

Ich will überhaupt nicht den Vorwurf erheben, den ich natürlich erheben könnte, dass die Koalition in dieser Frage keine Position hat. Man will die Koalition ja nicht überfordern; denn es gibt auch noch ein paar andere Probleme.

Nein, Sie waren nicht einmal bereit, darüber zu diskutieren. Offensichtlich ist man sich seiner eigenen Position so unsicher, dass man im Ausschuss nicht einmal darüber reden möchte.

Um die Last der Befürchtungen ein bisschen von den Vertretern der Koalition zu nehmen, will ich noch einmal sagen: Sowohl damals in dem Kontext dieses Antrages als auch danach sind von mir mehrere Gespräche mit den Vertretern der Kirchen geführt worden.

Natürlich jubeln die nicht darüber, dass jemand darauf aufmerksam macht, dass sie Gelder bekommen, für die es faktisch keine Legitimation mehr gibt. Dass es aber so ist, ist inzwischen in Kirchenkreisen im Grunde genommen schon fast Common Sense oder, wie ein Vertreter mir deutlich sagte: „Herr Gallert, wir wissen, das ist eigent

lich nicht mehr in Ordnung; aber wir sind über jedes Jahr froh, in dem wir die Staatskirchenleistungen noch kriegen.“ - Nun gut.

(Minister Marco Tullner: Welcher war das?)

- Ach, Herr Tullner, ich rufe den Kollegen an und frage, ob er Ihnen sagen will, was er dazu gesagt hat.

(Zuruf)

Ich will ehrlicherweise auch von einem Gespräch mit einem Vertreter der katholischen Kirche berichten, der sich sehr öffentlich gemeldet hat, und zwar mit Herrn Rether. Er hat diese Initiative sozusagen auf die Ebene einer Kirchenfeindlichkeit der AfD gehoben. Wir haben ein Gespräch geführt, zu dem mir jemand, der ihn gut kennt, im Nachhinein gesagt hat, das sei schon fast so etwas wie eine Entschuldigung gewesen.

Ich nehme zur Kenntnis, dass wir innerhalb der Kirchen, sowohl der evangelischen als auch der katholischen Kirche, sehr wohl eine Aufgeschlossenheit für diese Debatte haben. Es gibt übrigens auch Modelle, die zum Beispiel von Kirchenjustiziaren entwickelt worden sind, die dem Vorschlag, den ich hier damals gemacht habe, sehr nahekommen, nämlich einen entsprechenden Sonderfonds zu bilden.

Ich will auch nur darauf verweisen, dass der entsprechende Antrag, der jetzt von den von mir genannten drei Fraktionen in den Bundestag eingebracht worden ist - noch nicht behandelt, aber eingebracht worden ist -, übrigens schlechtere Konditionen formuliert als die, die ich hier vorgestellt habe.

Ich sage noch einmal ausdrücklich: Haben Sie doch bitte vor dieser Debatte keine Angst. Es gibt tatsächlich - das will ich auch dazu sagen - innerhalb der Kirche Menschen, die sagen: „Wir werden diese Debatte nicht loswerden und je länger wir damit warten, umso schlechter werden die Rahmenbedingungen für uns.“

Deswegen gibt es sehr wohl auch in den Kirchen Menschen, die dieser Idee gegenüber besonders aufgeschlossen gegenüberstehen. Allerdings

brauchen auch sie politische Anstöße.

Vielleicht kriegen wir es ja hin, mit Kirchenvertretern darüber zu diskutieren, wie denn zum Beispiel in der Perspektive die Lastenteilung bei Sakralbauten in Sachsen-Anhalt zu realisieren ist. Für Teile des Kulturerbes, für das wir alle verantwortlich sind, liegt die Baulast jetzt bei Kirchengemeinden, die überhaupt nicht mehr in der Lage sind, diese Baulasten zu tragen. Formal sind sie trotzdem weiterhin dafür zuständig; aber natürlich sind sie auf die öffentliche Hand angewiesen. Wir stricken dann mit irgendwelchen komischen LottoToto-Mitteln oder irgendwelchen Fördermitteln

irgendwelche Programme gerade so hin, dass wir die letzte Dachschindel auf das Dach setzen können. Diese Situation ist weder für die Kirchengemeinden noch für uns noch für die Baudenkmale eine vernünftige Sache.

Mich würde es freuen, wenn wir mit den Kirchen in Sachsen-Anhalt ernsthaft in eine Diskussion eintreten können, wie wir in Zukunft die Lasten vernünftig verteilen können. Dazu haben wir einen Verfassungsauftrag, der uns eigentlich sogar zu dieser Debatte zwingt.

Ich kann dieses permanente Pingpongspiel nicht akzeptieren und nicht verstehen, das nach dem Motto stattfindet: Verfassungsauftrag hin oder her, aber dafür ist der Bund zuständig. Der Bund sagt: „Ihr Länder habt die Verträge doch vereinbart; dann könnt ihr euch auch selber drum kümmern. Warum denn wir?“ - Diese Debatte ist unehrlich.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unehrliche Debatten, die hier im Hohen Hause geführt werden, schaden dem Ansehen der Politik. Denn irgendwann merken die Leute, dass man mit diesem Verstecken der eigenen Verantwortung dem Wählerauftrag nicht gerecht wird. Das ist etwas, das wir uns nicht leisten dürfen und nicht leisten müssen, weil die Debatte inzwischen längst fortgeschritten ist und wir uns dort einmischen könnten.

Deswegen noch einmal mein Appell: Machen Sie wenigstens das wahr, was Sie hier vor einem Jahr angekündigt haben. Nähern Sie sich wenigstens einmal der Debatte. Nähern Sie sich wenigstens einmal diesem Thema. Wir haben in Sachsen-Anhalt besonders große Aufgaben vor uns. Verweigern Sie sich wenigstens nicht mehr der Diskussion.

Das Einzige, das wir hier beantragt haben, ist die Forderung, wenigstens ein Gremium zu schaffen, in dem wir mit den Kirchen über dieses Thema und eine Perspektive reden können. Ich habe absolut kein Verständnis mehr dafür, dass Sie sich dieser notwendigen Debatte verweigern. - Danke.

(Beifall)

Herr Gallert, es gibt eine Wortmeldung. Herr Dr. Tillschneider hat sich gemeldet. - Sie haben das Wort, Herr Dr. Tillschneider.

Herr Gallert, Ihr gerechter Zorn geht ins Leere. Die Debatte, die dazu geführt wird, ist auch nicht unehrlich, sondern Sie haben es einfach nicht richtig verstanden. Ich will Ihnen helfen.

Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung wurde bekanntlich ins Grundgesetz inkorporiert, und der enthält diesen Ablöseauftrag. Darin heißt es:

„Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden

durch die Landesgesetzgebung abgelöst.“

Das bezieht sich auf die altrechtlichen Staatsleistungen, die im Jahr 1919 schon bestanden haben. Es bezieht sich nicht auf danach neu begründete Staatsleistungen.

Diese neu begründeten Staatsleistungen, die in Sachsen-Anhalt nach 1990 vertraglich vereinbart worden sind, sind sozusagen ein Verstoß gegen das Ablösegebot, weil sie eben die Leistungen nicht ablösen, sondern neu begründen. Damit ist begründbar, dass sie verfassungswidrig sind. Aber das ist eine ganz andere Frage.

Der zweite Satz in Artikel 138 Abs. 1 lautet:

„Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“

Heute ist es der Bund, der für die altrechtlichen Staatsleistungen zuständig ist, um die es im engeren Sinne geht, wenn man über Staatsleistungen spricht.

Das, was Sie wollen, kann man machen, aber das hat mit Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung nichts zu tun, weil es in Sachsen-Anhalt nicht um altrechtliche Staatsleistungen geht.

Herr Gallert, Sie haben die Möglichkeit, darauf zu antworten.

Erstens. Die Verträge, die Anfang der 90er-Jahre mit der katholischen und der evangelischen Kirche geschlossen worden sind,

(Zuruf)

gründen sich inhaltlich ausdrücklich auf angeblich überkommene Rechtsverhältnisse aus der Zeit von vor 1919.

(Zuruf)

Die Begründung für den Neuabschluss solcher Staatsverträge war, dass eine solche Zahlung in der DDR nicht geleistet worden ist. In dem Augenblick, in dem die DDR in den Geltungsbereich des Grundgesetzes übertrat, begründete sich sozusagen diese Anforderung auf die Altleistungen neu.

Wenn Sie sich einmal mit den Leuten unterhalten hätten, die das gemacht haben, dann wüssten Sie, dass sie gesagt haben: Damals wurde versucht - übrigens in einer Art und Weise, über die wir lieber den Mantel des Schweigens legen wer