Protocol of the Session on September 30, 2016

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist eine Frage der Chancengerechtigkeit. Das ist eine Frage des gesellschaftlichen Fortschritts. Und das ist nicht ausschließlich mit diesem Antrag getan. Darüber hinaus müssen wir viele andere Dinge tun.

Es sollte allen Beteiligten bewusst sein, dass all dies ein Prozess ist, bei dem wir gerade am Anfang stehen. Aber in diesem Prozess dürfen wir an keiner Stelle lockerlassen. Ich freue mich auf die anstehende Debatte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Dr. Pähle. - Ich sehe keine Wortmeldungen bei den Fraktionen. Deswegen können wir

sofort weitergehen in der Debatte. Herr Minister Felgner hat das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bei allen erreichten Fortschritten ist Chancengleichheit für Frauen und Männer noch nicht erreicht. Entgelte, die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben sowie die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sind oftmals noch ungleich. Darum ist es richtig, dass Geschlechtergerechtigkeit auch in der Wissenschafts- und Hochschullandschaft ein Kernanliegen der Landespolitik bleibt.

Um das umzusetzen, beschloss die Landesregierung im November 2014 das Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt. Im Handlungsfeld Bildung werden Maßnahmen und Ziele von der geschlechtergerechten Ausstattung der frühkindlichen Bildungsarbeit bis zur Sicherung der Teilhabe von Frauen in Entscheidungsgremien der Hochschulen verfolgt.

Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Studium, Forschung, Lehre und in den Führungspositionen ist auch eine Frage der volkswirtschaftlichen Vernunft, vor allem aber eine Frage der Fairness und der Chancengerechtigkeit.

Heute sind so viele Frauen in Deutschland hervorragend ausgebildet wie noch nie. In Studium und Forschung insgesamt, einschließlich der Promotion, sind Frauen und Männer zu annähernd gleichen Anteilen vertreten.

Allerdings zeigt sich auf den darauf folgenden Karrierestufen ein anderes Bild. So ist nach aktuellen statistischen Erhebungen an den Hochschulen in Sachsen-Anhalt nur knapp jede fünfte Professorenstelle mit einer Frau besetzt. Frau Dr. Pähle hat das eben ausgeführt und auch illustriert. Auch bei den Habilitationen beträgt der Anteil der Frauen weniger als 20 %.

Um dem entgegenzuwirken, verabschiedete die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz im Jahr 2011 das sogenannte Kaskadenmodell. Danach soll der Frauenanteil auf jeder wissenschaftlichen Karrierestufe mindestens so hoch werden wie derjenige der direkt darunter liegenden Qualifizierungsstufe. Das Kaskadenmodell berücksichtigt so die spezifischen Gegebenheiten jedes Fachs und ermöglicht damit angemessene Zielvorgaben.

Die Zielvereinbarung für die Jahre 2015 bis 2019 zwischen den Hochschulen und dem Land Sachsen-Anhalt greift das auf. So heißt es erstens - ich zitiere -:

„Das Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt wird durch die

Hochschulen umgesetzt. Mittelfristiges Ziel ist das Erreichen der darin erhaltenen Quoten.“

Zweitens, übrigens mit Verweis auf Landtagsbeschlüsse:

„Die Universitäten führen […] im Rahmen der Umsetzung der Geschlechtergerechtigkeit das Kaskadenmodell unter Wahrung der fachlichen Qualität an ihrer Einrichtung ein.“

Dieses Kaskadenmodell gehört zu jenen Profilierungsprozessen, für die ab dem Jahr 2017 eine neue Titelgruppe 81 eingeführt werden soll. Dies entspräche der von den Koalitionsfraktionen geforderten finanziellen Unterstützung der Hochschulen.

Da das Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt verbindlich und mit jährlicher Berichtspflicht in die Zielvereinbarung für die Jahre 2015 bis 2019 aufgenommen wurde, erscheint es uns derzeit nicht angezeigt, ein konkurrierendes, übergreifendes Konzept für alle Hochschulen zu verfolgen. Die einzelnen Hochschulen haben vielmehr Frauenförderpläne und Mentoringprogramme entwickelt, die ihre spezifische Situation, die Fächer- und Personalstruktur sowie Größe und Profil der jeweiligen Hochschule berücksichtigen können.

Eine wichtige Möglichkeit zur Verwirklichung von Chancengleichheit an den Hochschulen ist die Teilnahme an dem Professorinnenprogramm von Bund und Ländern. Voraussetzung dafür sind qualifizierte Gleichstellungskonzepte. Gefördert werden können bis zu drei weiblich besetzte Professuren für fünf Jahre mit bis zu 150 000 € pro Jahr.

Das Programm meines Hauses zur Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Aspekts in Wissenschaft und Forschung in der Rahmenvereinbarung Forschung und Innovation hat über einen Zeitraum von zehn Jahren bessere Grundlagen für mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern an Hochschulen geschaffen. - Ich kürze etwas ab.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sehen, dass die Hochschulen und das Land eine Reihe von Initiativen ergriffen haben, die dem Antrag der Koalitionsfraktionen entsprechen. Das Thema Gleichstellung an Hochschulen bleibt dennoch eine Daueraufgabe.

Eine Erhöhung von Quoten, beispielsweise bei der Besetzung von Professorenstellen, ist nur unter Berücksichtigung des vorhandenen Personals und der jeweiligen Lebensbiografie schrittweise umzusetzen. Sie dürften insbesondere dann akzeptiert werden, wenn qualitätsgeleitete

und wettbewerbliche Aspekte hinreichend berücksichtigt werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Ich sehe keine Nachfragen. Ich kann aber den nachfolgenden Rednerinnen und Rednern der Fraktionen die fröhliche Botschaft übermitteln, dass sie aufgrund der Länge der Redezeit des Ministers eine Minute mehr zur Verfügung haben.

Wir steigen nun ein in die Debatte der Fraktionen. Herr Dr. Tillschneider hat für die AfD-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Tillschneider.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar dafür, dass Sie den vorliegenden Antrag mit „Gleichstellung an Hochschulen“ überschrieben haben und nicht etwa mit „Gleichberechtigung“. Das erleichtert die Diskussion und trägt zur Klärung der Begriffe bei. Denn mit Gleichberechtigung, wie sie in Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschrieben ist, hat das, was Sie fordern, nicht das Geringste zu tun.

Gleichberechtigung heißt, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte und Chancen haben, dass sie frei sind, sich für Berufe ihrer Wahl zu entscheiden, und dass bei Vergabe von knappen Positionen einzig und allein die Leistung darüber entscheidet, wer zum Zuge kommt, nicht das Geschlecht.

(Beifall bei der AfD)

Sieht man einmal vom Beruf des katholischen Priesters ab, sind Männer und Frauen in unserem Land schon seit Jahrzehnten gleichberechtigt, auch und gerade an der Universität.

Was Sie wollen, ist etwas ganz anderes. Sie wollen die Universitäten auf das sogenannte Kaskadenmodell verpflichten. Kaskadenmodell heißt: Der Frauenanteil auf jeder Karrierestufe in der akademischen Laufbahn soll dem Anteil der nächstunteren Stufe angepasst werden.

Wenn also der Anteil der Frauen unter den Absolventen in einem Fach bei, sagen wir, 40 % liegt und bei den Promovenden bei 30 %, muss der Anteil der Frauen unter den Promovenden auf Teufel komm raus auch auf 40 % erhöht werden. Sie ignorieren damit die freie Entscheidung von Frauen, ihre akademische Karriere nicht bis zur letzten Stufe treiben zu wollen.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich meine, wenn Frauen sich nach Beseitigung aller rechtlichen Benachteiligungen im Durchschnitt häufiger als Männer für die Familie entscheiden, dann ist das halt so und dann hat die Politik das hinzunehmen.

(Beifall bei der AfD - Swen Knöchel, DIE LINKE: Wenn dem so wäre!)

Wir respektieren es, wenn Frauen sich für die Karriere entscheiden. Wir müssen es aber genauso respektieren, wenn Frauen sich aus freien Stücken für die Familie entscheiden.

(Birke Bull, DIE LINKE: Das machen wir doch!)

Leider - und das können Sie nicht akzeptieren - akzeptieren Sie diese Lebenswirklichkeit nicht,

(Birke Bull, DIE LINKE: Realsatire! - Dr. Kat- ja Pähle, SPD: Es geht beides!)

und damit sind gravierende Folgewirkungen für das akademische Leben verbunden.

Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Gehen wir von irgendeinem Fach aus, sagen wir Chemie, mit 100 Absolventen. 60 von diesen Absolventen seien Männer, 40 Frauen. Sagen wir, für diese Absolventen stehen 20 Promotionsstellen zur Verfügung. Das heißt, im Schnitt kann jeder Fünfte das Studium mit der Promotion fortsetzen, wenn er will. Will man dieses 60:40-Verhältnis fortschreiben, dann steht völlig unabhängig von der Bewerberlage fest, dass zwölf von diesen 20 Promotionsstellen mit Männern besetzt werden müssen, acht mit Frauen.

Wenn nun von unseren 60 männlichen Absolventen, sagen wir, ein Drittel, also 20, ihr Studium mit einer Promotion fortsetzen wollen, und von den 40 Frauen, sagen wir, ein Viertel, also zehn, dann konkurrieren 20 Männer um zwölf Stellen und zehn Frauen um acht Promotionsstellen. Von den Frauen wird fast jede Promotionswillige eine Stelle erhalten. Von den Männern bleibt fast jeder zweite Promotionswillige ohne Stelle. Die Konkurrenz unter den Männern ist fast doppelt so hoch. Was hat das mit Gleichberechtigung zu tun?

(Beifall bei der AfD)

Sie sagen in Ihrem Antrag, es ginge Ihnen um Chancengerechtigkeit und gesellschaftlichen Fortschritt. Das ist falsch. Ihre Politik führt zu einer himmelschreienden Chancenungerechtigkeit.

(Zustimmung bei der AfD)

Und da man von Fortschritt in aller Regel nur dann spricht, wenn irgendetwas besser wird, hat das, was Sie tun, mit Fortschritt nicht das Geringste zu tun. Sie produzieren unter den Männern sozialen Stress, machen es den karrierewilligen Frauen zu leicht und gefährden das akademische Niveau. Und wozu das alles?

Ihr Antrag selbst weist darauf hin: Zusätzlich zu dem Kaskadenmodell wollen Sie die GenderStudien besonders fördern. Das ist aus Ihrer Sicht konsequent; denn die Gender-Studien liefern die ideologische Begleitmusik zu Ihrer Gleichstellungspolitik.

Nach dem Kerndogma des Genderismus ist das soziale Geschlecht ein Zwangssystem, von dem wir uns befreien müssen. Eben deshalb darf es keine Berufe mehr geben, die schwerpunktmäßig von Männern, und Berufe, die schwerpunktmäßig von Frauen gewählt werden. Die Geschlechterrollen werden so um ein Bestimmungsfeld ärmer und Sie kommen Ihrer geschlechtslosen Wahnsinnswelt um einen Schritt näher.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Swen Knö- chel, DIE LINKE)

Ich sage Ihnen Folgendes: Nicht die Geschlechterrollen sind ein Zwangssystem, von dem wir uns emanzipieren müssen, sondern Ihre GenderPolitik ist ein Zwangssystem.