Protocol of the Session on September 30, 2016

Wenn man einen Blick auf das wirft, was es alles an Projekten im Land gibt, dann können wir feststellen, dass wir derzeit im Bereich der Schulsozialarbeit 352 Projekte haben mit insgesamt 413 Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag dafür zur Verfügung stehen. Das ist, glaube ich, ein beachtlicher Erfolg, den wir hierbei erreicht haben, wobei man den Erfolg natürlich nicht als

Selbstzweck sehen kann; vielmehr ist die Arbeit, die geleistet wird, der eigentliche Erfolg neben dem Aspekt, dass wir die Strukturen und Voraussetzungen dafür geschaffen haben.

Ich habe mich allerdings bei der Organisation des jetzigen Formats etwas gewundert und mich gefragt, warum wir eigentlich die kommunale Ebene nicht stärker einbezogen haben. Darauf haben Sie schon hingewiesen; denn wenn wir diesen ganzheitlichen Ansatz der Kinder- und Jugendhilfe heranziehen - die Kommunen wissen oft vor Ort, was dort für Umfelder vorhanden sind und wie man sich diesem Thema von mehreren Seiten nähern kann -, dann hätte ich mir auch vorstellen können, die Verantwortung für diese ganzen Dinge den Kommunen zu übergeben.

Ich hatte neulich ein Gespräch mit dem Landkreistag sowie dem Städte- und Gemeindebund darüber. Sie wären durchaus dafür offen, sich dort stärker zu verzahnen. Nun wissen wir auch, dass aus historischen Gründen in diesem Land - nicht nur bei uns, sondern in Deutschland insgesamt - die Schule so organisiert ist, dass die Räumlichkeiten und die Ausstattung durch die Kommunen vorgehalten und die Inhalte durch uns geliefert werden. Mehr Zusammenarbeit muss das Thema an der Stelle heißen. Deswegen würde ich anregen wollen, dass wir uns gemeinsam mit allen Beteiligten noch einmal über die Form der Zusammenarbeit unterhalten.

Ansonsten freue ich mich auf die Debatten, die wir dazu führen werden. Das Ministerium war auch nicht untätig; wir fangen schon an, uns mit der Frage zu beschäftigen, wie es damit weitergeht. Wenn wir das gemeinsam hinbekommen, ist es umso besser.

Ich möchte nur noch auf den Punkt hinweisen, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE etwas zu kurz greift, weil Sie sich schon sehr stark auf ganz konkrete Vorstellungen fokussiert haben. Ich wäre dafür, das etwas ergebnisoffener zu gestalten, weil wir manche Rahmenbedingungen heute noch gar nicht kennen. Ich bin mir nicht ganz sicher, dass sie so aussehen, wie Sie sich das vorstellen. Aber über all das können wir im Ausschuss lang und breit diskutieren.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und würde mich freuen, wenn es Fragen gäbe. - Ansonsten setze ich mich wieder hin. Danke.

(Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Beginnen wird Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen von der SPD-Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich, dass auch Frau Bull von der Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag einschätzt, dass die Schulsozialarbeit ein richtiges und ein erfolgreiches Projekt ist. Hintergrund war ja, dass das Land SachsenAnhalt überlegt hat, wie eine Forderung, die auch hier im Parlament viele Jahre lang erhoben worden ist, praktisch umgesetzt werden kann, nämlich die Forderung, dass jede Schule auch einen Schulsozialarbeiter braucht.

Wir haben dann über die Europäische Union das ESF-Programm „Schulerfolg sichern“ umgesetzt. Hintergrund ist, dass sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ auf das anspruchsvolle Ziel verständigt haben, den Anteil der jungen Menschen, die lediglich über einen Abschluss der Sekundarstufe 1 verfügen, das heißt über keinen weiterführenden Schul- oder Berufsbildungsabschluss, auf unter 10 % zu reduzieren. Das ist der eigentliche Ausgangspunkt des Programms.

Sachsen-Anhalt hat in dieser Hinsicht eine nicht ganz leichte Ausgangslage. Die Zahlen sind hier genannt worden. Im Jahr 2008 waren es noch 13,6 %, im Jahr 2016 liegen wir bei 9,2 %. Auch diese Zahl kann uns noch nicht zufriedenstellen, weil wir mit dieser Zahl nach wie vor das Schlusslicht in Deutschland sind. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 5,7 %.

Wir haben mit dem Projekt Schulsozialarbeit eine wirksame Lösung gefunden, um Kindern einen besseren Schulerfolg zu ermöglichen, die aus ihrem Elternhaus nicht die Voraussetzungen mitbringen, die sie benötigen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.

Es ist angesprochen worden, dass die Finanzierung aus europäischen Fördermitteln nicht nur Vorteile hat. Wir haben darüber schon im Ausschuss diskutiert. Wir müssen im Moment leider feststellen, dass die Schulsozialarbeiter sich nicht nur um die Kinder kümmern müssen, sondern auch eine Vielzahl von bürokratischen Anforderungen erfüllen müssen.

Als Stichwort sind die Fragebögen zu nennen; denn die Europäische Union möchte natürlich von uns wissen, wie erfolgreich wir mit dem Projekt sind. Das ist insoweit ein bisschen schwierig, als die Schulsozialarbeiter nicht nur auf diesen engen Zweck „Schulerfolg sichern“ ausgerichtet sind, sondern noch viel mehr in den Schulen machen.

Sie sind Ansprechpartner für eine Vielzahl von Konflikten. Sie sind mittlerweile auch Partner der Eltern geworden. Das haben wir jetzt gerade im Zusammenhang mit den Fragebögen festgestellt. Die Rücklaufquote ist entgegen allen Befürchtun

gen sehr hoch, was daran liegt, dass viele Eltern sagen: Wir finden eure Arbeit wichtig. Sie verstehen sich als Partner der Schulsozialarbeiter und haben gerade aus diesem Grund die Fragebögen ausgefüllt. Ich bin gespannt, wie die Rückläufe sind und welche Erkenntnisse wir tatsächlich daraus erzielen können.

Ich finde, wir müssen die Schulsozialarbeiter auch im Hinblick auf ihre Vernetzungsarbeit unterstützen. Es ist ein Pluspunkt in Sachsen-Anhalt, dass wir eine sehr gute landesweite Vernetzung haben. Aber das setzt natürlich voraus, dass dafür auch die notwendigen Reisekosten und Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen, für Schulungen und die Teilnahme an Fachtagungen erstattet werden. Diesbezüglich besteht im Moment große Unsicherheit und es gibt einige Probleme. Aber ich bin mir sicher, dass wir uns auch mit der Frage, wie ein solches zukünftiges Konzept aussehen kann, soll und muss, auseinandersetzen werden.

Ich bin froh darüber, dass wir die Schulsozialarbeiter an unseren Schulen haben. Es sind nicht nur die Schulsozialarbeiter, die einen wertvollen Beitrag dazu leisten, das Projekt „Schulerfolg sichern“ umzusetzen, sondern es ist ein Netzwerk aus Schulen, Schulbehörden, kommunalen Trägern der Jugendhilfe, sozialpädagogischen Projekten und anderen Beratungs- und Unterstützungsangeboten, die hier wirklich in einer eimaligen Art und Weise zusammenwirken. Das ist eine gute Unterstützung für unsere Kinder. Das ist eine gute Unterstützung dafür, dass alle Kinder, unabhängig davon, welchen familiären Background sie haben, die gleichen Bildungschancen in unserem Land haben.

Ich werbe an dieser Stelle noch einmal für unseren Alternativantrag. Wir greifen darin das Anliegen der Fraktion DIE LINKE auf. Wir haben aber auch auf die Ausführungen im Koalitionsvertrag Bezug genommen. Wir setzen uns für ein Konzept ein, das entwickelt wird, um die weitere Finanzierungsfrage zu klären. Wir wünschen uns aber auch, dass wir uns noch stärker mit den inhaltlichen Voraussetzungen beschäftigen. Deshalb sprechen wir in unserem Antrag von einem Konzept zur Multiprofessionalität für die individuelle Förderung an unseren Schulen.

Das wird ein mehrstufiger Prozess sein. Wir werden uns zuerst mit der Frage der pädagogischen Mitarbeiter beschäftigen müssen. Die Gründe hierfür sind bekannt. Wir treten ein für Vielfalt, vor allen Dingen dafür, dass die Vielfalt der Kompetenzen, die sich an den Schulen bewährt hat, gebündelt wird, damit die besten Rahmenbedingungen geschaffen werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, von Markus Kur- ze, CDU, und von Minister Marco Tullner)

Vielen Dank. Frau Abg. Prof. Dr. Kolb-Janssen, es gibt eine Frage. Möchten Sie diese beantworten?

Frau Bull, bitte.

Frau Kollegin, der Alternativantrag - ich kann nachher noch etwas dazu sagen - ist schwer verständlich. Deshalb die klare Frage: Können wir damit rechnen, dass die SPD-Fraktion sich dafür einsetzt, dass das Programm „Schulerfolg sichern“ fortgesetzt wird?

Damit können Sie nicht nur rechnen, darauf können Sie sich verlassen. - Danke.

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann fahren wir in der Debatte fort. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Dr. Tillschneider.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! DIE LINKE fordert, dass unser Land die Schulsozialarbeit, die im Moment noch durch die EU gefördert wird, nach dem Auslaufen der Förderprogramme ohne Abstriche weiterführt. Angesichts des Umstands, dass dieses Vorhaben die öffentlichen Kassen nicht unerheblich belasten dürfte, wird die Frage nach dem konkreten, messbaren Nutzen von Schulsozialarbeit erlaubt sein. Die Antwort: Es gibt ihn nicht.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Oh!)

Schulsozialarbeit hat keinen Nutzen, möglicherweise richtet sie sogar Schaden an.

(Birke Bull, DIE LINKE, lacht)

Das Projekt, um das es hierbei geht, nennt sich „Schulerfolg sichern“ und wird vom Europäischen Sozialfonds unterstützt.

(Dr. Falko Grube, SPD: Sie hätten aber welche gebraucht!)

Seit 2008 finanziert dieses Projekt Schulsozialarbeiterstellen an Schulen in ganz SachsenAnhalt. In diesem Zeitraum ist nun aber der Anteil der Schulabbrecher nicht gesunken. Im Jahr 2008 haben 10,8 % die Schule ohne Abschluss verlassen; 2015 lag die Abbrecherquote bei 10,6 %. Null Effekt!

Wir haben hier ein Projekt, das nennt sich „Schulerfolg sichern“ und tut alles, wirklich alles; nur sichert es nicht den Schulerfolg.

(Zustimmung bei der AfD)

Anstatt dieses ganz und gar sinnlose Projekt sofort einzustellen und sich zu überlegen, was wir an sinnvollen Dingen mit den EU-Fördergeldern anstellen könnten, wollen Sie nach dem Auslaufen der EU-Förderung das Land und die Kommunen in die Pflicht nehmen.

Die AfD-Fraktion erteilt diesem Ansinnen eine klare Absage. Jeder Cent des sachsen-anhaltischen Steuerzahlers ist zu schade, um ihn für so etwas Überflüssiges wie Schulsozialarbeit rauszuschmeißen.

(Birke Bull, DIE LINKE: Mann, Mann, Mann! - Zuruf von Monika Hohmann, DIE LINKE - Unruhe)

Es ist auch sehr bezeichnend, dass Sie in Ihrem Antrag die Notwendigkeit von Schulsozialarbeit zwar behaupten, aber nicht wirklich begründen. Zur Notwendigkeit von Schulsozialarbeit heißt es in Ihrem Antrag - ich zitiere -:

„Schulsozialarbeit ist für erfolgreiche inklusive Bildung in allen Schulformen unverzichtbar. Als Bestandteil der Arbeit multiprofessioneller Teams eröffnet sie in besonderem Maß die Perspektive auf individuelle Lebenssituationen und Lernausgangslagen von Schülerinnen und Schülern.“

Etwas weniger verschwurbelt heißt es auf der Internetseite des Projekts „Schulerfolg sichern“:

„Alle das Gleiche in der gleichen Zeit, damit werden wir unseren heterogenen Lerngruppen nicht gerecht.“

(Zuruf: Das stimmt!)

Werte Kollegen! Solche Forderungen zeigen keine Lösungen auf. Sie sind Teil des Problems. Wenn die Leistungen eines Schülers nachlassen, dann muss er sich auf seinen Hosenboden setzen und seine Nase in die Bücher stecken,

(Monika Hohmann, DIE LINKE: Ach! - Olaf Meister, GRÜNE: Einfache Welt! - Unru- he)

aber nicht noch Zeit mit einem Sozialarbeiter verplempern,

(Lachen bei der LINKEN)

der mit ihm lang und breit seine individuelle Lebenssituation und seine persönliche Lernausgangslage erörtert.

(Zustimmung bei der AfD)