Protocol of the Session on October 15, 2015

Abschließend möchte ich anmerken, dass die Beratung innerhalb kurzer Zeit und unter sich ständig ändernden Rahmenbedingungen erfolgte. Ich danke den Mitgliedern des Ausschusses für die zügige Beratung. Ein Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums der Finanzen für die sachdienliche Zusammenarbeit; ein besonderer Dank gilt dem Minister der Finanzen. Ein Dank geht auch an den Landesrechnungshof und den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Diesem möchte ich auch im Namen des Ausschusses für die zahlreichen sachdienlichen Hinweise danken. Ganz besonderer Dank gilt den Mitarbeitern der Ausschusssekretariate und des Stenografischen Dienstes, die die langen Sitzungen des Ausschusses begleitet haben.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle kann ich die Berichterstattung beenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Ausschussvorsitzender Knöchel. - Wir treten nun in die Aussprache ein. Zunächst spricht für die Landesregierung der Minister der Finanzen Herr Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, was an der Bewertung durch den Ausschussvorsitzenden anders war als in den Jahren zuvor. Insofern habe ich den ersten Satz, dass das jetzt alles ganz anders werden soll, nicht ganz verstanden.

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie die wesentlichen, zentralen Punkte und die größeren und kleineren Diskussionen angesprochen haben. Ich danke Ihnen, Herr Vorsitzender, an dieser Stelle ganz persönlich, und auch den Kolleginnen und Kollegen des Finanzausschusses und in diesem Fall auch zusätzlich denen des Innenausschusses. Denn die beiden Ausschüsse haben vieles gemeinsam gemacht. Dank auch an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dabei geholfen haben, die nicht einfachen Beratungen zügig abzuschließen.

Politik ist, so heißt es, die Kunst des Machbaren bzw. des Möglichen. Das ist ein alter BismarckSpruch. Wenn ich diesen Spruch bringe, muss das schon seine Gründe haben. Warum sage ich das? - Ich habe in den vergangenen Tagen den Eindruck gewonnen, dass in der deutschen Politik - weniger bei den Bürgerinnen und Bürgern - nur noch grundsätzlich diskutiert wird.

Es geht bei dem Thema Flüchtlinge leider viel zu oft um Ängste, um schnelle Lösungen oder um möglicherweise einfache Antworten. Es heißt: Wir schaffen das! Die Grenzen müssen vielleicht geschlossen werden! Wir brauchen schnelle Entscheidungen! Abschiebungen! Die Probleme werden wir schon irgendwie lösen! - Aussagen innerhalb dieses Spannungsfeldes können wir jeden Tag zuhauf lesen. Weiter heißt es: Wir brauchen unbedingt Obergrenzen! Das alles hält keiner mehr aus!

Das liest man. Man kann auch die Gründe dahinter verstehen. Solche Überschriften lösen aber keine aktuellen, praktischen Probleme, sondern führen zu zusätzlichen Emotionen, die ohnehin bereits zuhauf vorhanden sind.

Für mich und für viele andere sicherlich auch geht es jetzt nicht vorrangig um politische Debatten, sondern schlicht darum, Menschen zu helfen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war zu Beginn dieser Woche wie viele meiner Kollegen erneut in der ZASt Halberstadt. Dort habe ich mir die Versorgung, Betreuung und Unterbringung der Flüchtlinge mit eigenen Augen wiederholt angesehen. Die Bedingungen sind auch angesichts der Witterung nicht einfach. Es gibt durchaus Verständnis bei den Flüchtlingen und den Helfern, die übrigens

Hervorragendes leisten, trotz aller Diskussionen außerhalb.

(Beifall im ganzen Hause)

Auch die Bauarbeiter, die gerade die Häuser in der ZASt Halberstadt aufbauen und ebenfalls gegen den Winter ankämpfen, leisten Hervorragendes. Ich sage auch Dank den Kollegen des BLSA, die all das im Hintergrund organisieren und die Aufträge aussprechen. Ich hoffe, dass in einigen Jahren die politische Kraft vorhanden ist, die jetzigen Entscheidungen im Nachhinein zu verantworten.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Nach dem Besuch in der ZASt in Halberstadt war mir völlig klar: Bis Ende nächster Woche - das ist für uns in der Landesregierung und, so denke ich, auch im Landtag das Wichtigste - dürfen die Flüchtlinge nicht mehr in den Zelten wohnen. Sie brauchen ein festes Dach über dem Kopf.

(Beifall im ganzen Hause)

Neu ankommende Flüchtlinge brauchen sofort eine feste und ordentliche Unterkunft mit entsprechender Betreuung. Dies ist für mich die Aufgabe, die gerade ansteht. Auf dieses anspruchsvolle Ziel - ich hoffe, dass wir es erreichen, und werde alles dafür tun - müssen die Landesregierung und der Landtag die Kraft konzentrieren. Darin bin ich mir mit Innenminister Holger Stahlknecht einig, dem ich an dieser Stelle ausdrücklich Dank sage für die zielorientierte Zusammenarbeit in den vergangenen Wochen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

- Sie können auch lauter klatschen. - Dass es manchmal auch rumpelt, ist klar; deswegen muss man aber nicht gleich alles auf die Goldwaage legen. Wir werden weiterhin gemeinsam an den Lösungen arbeiten.

Bloße Schwarz-Weiß-Diskussionen erlebe ich bei dem Thema Asyl und Geld, auch unter uns Kolleginnen und Kollegen. Hierzu heißt es: Wir mussten und müssen permanent sparen, aber die Flüchtlinge bekommen jetzt alles! Es wird Zeit, den Kommunen endlich mehr Geld, auch für das Personal, zur Verfügung zu stellen, unabhängig von dem Thema Asyl. - Einige hier nicken sogar heimlich.

Oder ganz prominent: Die Bundeskanzlerin - das hat mich doch etwas überrascht - hat eine Steuererhöhung im Zusammenhang mit den Kosten für die Flüchtlinge ausgeschlossen. - Das kann niemand derzeit seriös ausschließen. Solche Ankündigungen hat es schon einmal zur Wiedervereinigung gegeben. Das hat damals zu vielen Diskussionen geführt und die Suche nach Lösungen belastet.

Über eines sind wir uns sicherlich einig: Die aktuelle Flüchtlingssituation ist die größte Herausforderung für Deutschland und damit auch für SachsenAnhalt seit der Wiedervereinigung.

(Herr Herbst, GRÜNE: Aber auch die größte Chance!)

- Ich bin ja noch nicht fertig mit meiner Rede. - Es geht jetzt schlicht um die Hilfe, das habe ich schon gesagt. Grundsatzdebatten allein lösen keine Probleme. An dieser Stelle möchte ich trotz der Kritik an der Landesregierung, auch in den letzten Tagen, den Bürgerinnen und Bürgern, den Polizisten, den Betreuern und den Kommunalpolitikern und vor allen Dingen den Verbänden danken, die tagtäglich unabhängig von unserer Diskussion Hilfe leisten.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie stehen genauso vor den Zahlen wie wir und staunen. Daher kommt natürlich auch die Unsicherheit. Erinnern wir uns doch einmal: Im Frühjahr dieses Jahres ist prognostiziert worden, dass Sachsen-Anhalt mit 8 000 bis 12 000 Flüchtlingen rechnen muss, also mit weit mehr als in den letzten Jahren. Kurze Zeit später waren es 18 000, dann 20 000, dann 25 000 und dann 30 000 - nun werden 40 000 Flüchtlinge erwartet. Dass einem bei diesen Zahlen schwummrig wird, dass Ängste entstehen, ist völlig klar. Trotzdem muss man damit umgehen.

Genau deshalb dürfen wir die Debatte über die Flüchtlingssituation nicht durch zusätzliche Emotionen belasten, indem wir sagen, dies sei alles nicht mehr zu schultern. Die Politik hat eine andere Aufgabe - so verstehe ich es jedenfalls -, als die Diskussionen durch Zuspitzung noch zu verschärfen. Der Kanzlerin und auch anderen Parteivorsitzenden ist das in den letzten Tagen zuhauf passiert.

Ich sage ganz bewusst: Sachsen-Anhalt hat in den letzten 25 Jahren 1 Million Einwohner verloren. Dies ist ein Drittel der ehemaligen Bevölkerung. Sicherlich stellt uns und vor allem die Leute vor Ort die Aufnahme von 25 000 oder 30 000 Flüchtlingen in diesem Jahr vor anspruchsvolle Aufgaben. Aber aus meiner Sicht sind das bei allen Schwierigkeiten und Ängsten lösbare Aufgaben, gerade wenn man sich das Verhältnis dieser Zahlen ansieht.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich akzeptiere auch, wenn jemand eine andere Meinung hat; aber ich stehe hier, um die meine zu sagen. Deswegen sollte jeder von uns bei öffentlichen Debatten den Spannungsbogen zwischen Unsicherheiten, offenen Fragen der Bevölkerung und den notwendigen seriösen Lösungsansätzen der Politik beachten. Mit Äußerungen, wie „unserer

Aufnahmekapazitäten sind erreicht bzw. überschritten“, wird dies nicht funktionieren.

Die Kanzlerin hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es keinen Sinn mache, über Obergrenzen zu reden; es liege nicht in ihrer Macht, wie viele zu uns kämen; dies müsse global gelöst werden. Sie fragt zu Recht: Wie viele Flüchtlinge verträgt Deutschland? - 800 000, 1 Million, 2 Millionen? Wie regeln wir Begrenzungen? Man darf keine falschen Versprechungen machen.

Dazu sage ich als kleiner Landesfinanzminister: Solange es auf solche Fragen keine vernünftigen Antworten gibt, sollten wir uns in Sachsen-Anhalt auf das Lösen unserer Probleme konzentrieren, gerade in Wahlkampfzeiten.

(Minister Herr Stahlknecht: Ganz genau! - Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Niemand sagt, dass es einfach sei. Wir wissen, dass es Ängste gibt. Ich brauche mich nur in meinem Umfeld umzuschauen. Es geht um soziale Konkurrenz durch Billiglöhne, um Arbeitsplätze, um Wohnungsfragen, um Kita-Plätze, um Unterrichtsversorgung und vieles mehr. Und das geht durch alle intellektuellen Schichten. Ich denke, das können wir alle auch aus unserem Umfeld bestätigen.

Wir wissen, dass es Ängste gibt, dass Terrorismus, Kriege oder Krisen mit den Flüchtlingen zu uns gelangen. Ich kenne auch die Kritik: Bisher mussten wir alle sparen und jetzt ist auf einmal für alles Geld da!

Ich weiß auch, dass der heute vorgelegte Nachtragshaushalt möglicherweise nicht auskömmlich ist. Wir haben uns im Kabinett nach der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin, wie andere Länder auch, darauf geeinigt, die Zahlen, die vom Bund genannt worden sind, nämlich 800 000 prognostizierte Flüchtlinge, als Grundlage zu nehmen. Dies würde bedeuten, dass Sachsen-Anhalt 23 000 Flüchtlinge aufnimmt. Darauf fußen die Berechnungen des Nachtragshaushaltes. Kaum war die Konferenz vorbei, haben selbst Teilnehmer aus der Runde zwei Tage später diese Zahl schon wieder hinterfragt.

Es kann jedoch nicht unsere Aufgabe sein, alle drei Tage einen neuen Haushaltsplan vorzulegen. Insofern brauche ich von außen jetzt nicht die Diskussion, ob das richtig ist, was wir hier beschließen. Dies wussten auch alle im Finanzausschuss.

Was passiert denn, wenn wirklich 1 Million Flüchtlinge kommen? Ich kann es nicht genau sagen. Ich kann auch nicht sagen, ob es mehr oder weniger Flüchtlinge werden. Trotzdem müssen wir heute über den Haushalt beschließen.

In diesem Zusammenhang lautet meine klare Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger SachsenAnhalts: Ja, die Unterbringung und Betreuung kostet viel Geld. Wir können jedoch die Herausforderung meistern, ohne dass zumindest jetzt wegen der Flüchtlinge auch nur eine Straße weniger gebaut, ohne dass derzeit auch nur ein Cent weniger für die Wirtschaftsförderung, für die Kommunen, für soziale Leistungen, für Bildung oder Kultur ausgegeben wird. Und wir werden auch weiterhin unsere Schulden tilgen.

Ob das in den nächsten Jahren so bleibt - diese Prognose wage ich nicht. Aber ich werde hier und heute auch nicht darüber orakeln. Wenn diese Zahlen wirklich weiter steigen, dann werden wir natürlich mehr Geld bereitstellen müssen, zu allererst für die Kommunen. Das haben wir auch mehrfach bestätigt.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Warum gelingt uns die Finanzierung? - Sie gelingt, weil wir in Deutschland, allen voran der Bund, ein solides Wirtschaftswachstum mit sinkender Arbeitslosigkeit und steigenden Steuereinnahmen haben. Darum beneiden uns übrigens die ganzen anderen Länder Europas. Es gelingt auch, weil wir bei der Sanierung der öffentlichen Haushalte in Deutschland, aber auch in Sachsen-Anhalt, viel erreicht haben. Dies dürfen wir nicht in der Diskussion zerreden.

Wir müssen bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation drei wesentliche Aufgaben meistern. Darauf haben, glaube ich, in den letzten Jahren schon ganz viele hingewiesen. Ich möchte das mit praktischen Schritten für Sachsen-Anhalt unterlegen.

Erstens die Aufnahme und humanitäre Unterbringung der Flüchtlinge. Alle Asylsuchenden werden bis zum Winter ein festes Dach über dem Kopf haben, und dies in anständigen Unterkünften bei sachgerechter Betreuung. Bisher haben wir rund 150 landeseigene Liegenschaften geprüft. Es gibt aber wegen der sich stetig verändernden Zahlen immer wieder etwas zu tun. Manche Angebote oder bisherigen Diskussionen enden, indem sich bestimmte Partner dann aus den Verhandlungen zurückziehen. Manche Verhandlung kann von uns auch nicht weitergeführt werden wegen überzogener Forderungen.

Aktuell gilt - das ist innerhalb der Landesregierung abgestimmt - für die nächsten Jahre die Rechnung: Wir brauchen 10 000 Betten plus x in der Erstaufnahme, wobei x die sich verändernde Reserve darstellt. Darunter sind die vier ZASt-Standorte Halberstadt, Halle-Trotha, Magdeburg und Stendal sowie sämtliche Interimslösungen. Holger Stahlknecht und ich sind uns darin einig: Sollten die Zahlen wieder zurückgehen - wann auch im-

mer - wird zuerst Magdeburg aufgrund seiner Baustruktur weniger belegt.

Was mehr als 10 000 Betten an tatsächlichen Asylbewerbern pro Jahr bedeuten, die die Bettenzahl vorgeben - die Entwicklung der Zahl der Asylsuchenden gibt diese Zahl vor und nicht der Beschluss im Kabinett -, das kann sich jetzt jeder selbst beantworten. Deswegen müssen wir auch, weil es keine kurzfristige Entwicklung ist, über mehrjährige Verträge reden, so schwer das auch ist. Auf mehr will ich heute in dieser Diskussion nicht eingehen.

Ich bleibe beim Haushalt. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, Ihnen den wirklich aktuellsten Stand unseres Unterbringungskonzeptes für das kommende halbe Jahr, abgestimmt mit dem Innenminister, darzustellen. Die Zeltunterkünfte in Halberstadt werden bis Ende Oktober 2015 aufgegeben. Ich hoffe, ich rede mich hier nicht um Kopf und Kragen; wir werden die nächsten Tage nutzen.