Protocol of the Session on October 15, 2015

Ich bleibe beim Haushalt. Erlauben Sie mir an dieser Stelle, Ihnen den wirklich aktuellsten Stand unseres Unterbringungskonzeptes für das kommende halbe Jahr, abgestimmt mit dem Innenminister, darzustellen. Die Zeltunterkünfte in Halberstadt werden bis Ende Oktober 2015 aufgegeben. Ich hoffe, ich rede mich hier nicht um Kopf und Kragen; wir werden die nächsten Tage nutzen.

In Halberstadt und Quedlinburg werden bis Anfang November 2015 zusätzlich zu den schon vorhandenen Bestandsgebäuden weitere insgesamt

1 190 Plätze nutzbar sein. Bis zum Jahresende stehen in Magdeburg an der Breitscheidstraße Unterkünfte für 300 Personen bereit. Als Interimslösung werden bis Mitte November 2015 insgesamt 1 500 Plätze in Halberstadt, Genthin und Bernburg verfügbar sein.

Weitere 500 Plätze können ab dem 1. Dezember 2015 in einer weiteren Liegenschaft in Magdeburg belegt werden. Im Februar 2016 werden 250 Plätze in Merseburg auf dem Gelände der Fachhochschule fertiggestellt. Im ersten Quartal 2016 werden in der Breitscheidstraße in Magdeburg weitere 1 000 Plätze fertiggestellt.

Zur Jahresmitte geht der erste Bauabschnitt der Landesaufnahmeeinrichtung in Halle-Trotha mit 1 000 Plätzen in Betrieb, sofern das Kabinett am nächsten Dienstag dem gemeinsamen Vorschlag von MI und MF zustimmt. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung liegt vor.

Ab Sommer 2016 kann der erste Bauabschnitt der Landesaufnahmeeinrichtung in Stendal mit

500 Plätzen schrittweise bezogen werden, sofern letzte Abstimmungen mit dem Bund erledigt sind. Im Herbst 2016 stehen in Halle-Trotha weitere 1 000 Plätze und in Stendal zusätzliche 500 Plätze zur Verfügung.

Heute Nachmittag werde ich mit dem Innenminister abschließend das aktuelle und derzeit gültige Unterbringungskonzept mit Blick auf die neuen Zahlen abstimmen.

Nur kurz zur Erinnerung, weil manchmal so getan wird, als wenn das alles so nebenbei geht. Im Sommer hieß es noch, dass gut 4 000 Plätze ausreichen würden. Das bitte ich diejenigen zu be-

rücksichtigen, die mich tagelang ständig mit gutgemeinten Ratschlägen begleiten, aber ohne einen Vorschlag zu machen, wie an anderer Stelle vielleicht weitere Kapazitäten entstehen könnten.

Über die aktuellen Entwicklungen und Beschlüsse werde ich den Landtag, speziell den Finanz- und den Innenausschuss, gemeinsam mit dem Innenminister regelmäßig informieren. Denn eines ist richtig: Dieses Recht hat der Landtag und die kritische Begleitung ist auch Aufgabe der Ausschüsse.

Zweitens. Gerade weil die Flüchtlingszahlen so nach oben schnellen, muss zügig geklärt werden, wer bleiben darf. Wo es kein Bleiberecht gibt, muss die schnelle Rückführung in das Heimatland folgen. Darin sind sich alle in der Landesregierung einig.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Deswegen unterstützen wir auch im Bundesrat am Freitag die Entscheidung, dass dort, wo die Abschiebungsentscheidung getroffen ist, die Leistungen eingestellt werden - so wie bei der Konferenz vereinbart. Wir diskutieren in der Landesregierung auch über das Thema „Geld- statt Sachleistungen“. Aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

(Herr Schröder, CDU: Sach- statt Geldleis- tungen!)

- Was habe ich gesagt?

(Herr Schröder, CDU: Geld- statt Sachleis- tungen!)

- Na ja, Ihr passt auf. - Ich will nur sagen, manche haben jetzt schon einmal hingeschaut und haben festgestellt, dass Sachleistungen teurer sind, als wenn wir das Geld auszahlen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Deswegen wird sich die Landesregierung das ganz genau überlegen. Es macht keinen Sinn, wenn wir noch zusätzliche Bauten brauchen und viele Leute, die das dann verwalten.

Generell gilt: Asylbewerber bleiben so lange in den Erstaufnahmeeinrichtungen, bis über ihren Antrag entschieden worden ist. In dieser Zeit übernehmen Bund und Land die Kosten. Das ist neu gegenüber irgendwelchen Hochrechnungen aus dem Jahr 2014. Das sollte man bei der Debatte um Hochrechnungen und um Kosten in den Kommunen auch beachten. Das ist übrigens bewusst so gemacht worden bei der Konferenz der MPs mit der Kanzlerin. Erst danach kommen die Asylsuchenden mit Bleiberecht in die Kommunen und können dort weiter integriert werden.

Wie viele das sein werden, die vielleicht überhaupt noch in Sachsen-Anhalt bleiben, das kann zurzeit niemand seriös sagen. Denn es ist eine Wahrheit,

dass viele dorthin ziehen, wo andere schon sind. Das sind vor allem Ballungszentren. Deshalb halte ich nichts davon, schon jetzt darüber zu streiten, ob die Pauschalen in ihrer Gesamtheit oder in ihrer Höhe in den Jahren 2016 und 2017 ausreichen werden, wie viele Plätze wir in den Schulen oder Kitas brauchen oder weitere offene Fragen.

Wir müssen darauf vorbereitet sein. Wir werden - ich sage das noch einmal - nachsteuern. Wir werden schauen, ob die Gesamtsumme der Pauschalen, die Höhe der Pauschalen dann auch ausreicht. Es geht nicht um die Spitzabrechnung, sondern um die Frage, ob die Kosten, die tatsächlich anfallen, in ihrer Höhe anders erstattet werden müssen. Ich bitte aber darum: Lasst uns doch erst einmal das Geld ausgeben. Warten wir erst einmal ab, was dann wirklich vorliegt. Das ist übrigens auch das abgestimmte Verfahren zwischen Bund und Ländern. Alle diese Aufgaben gehen wir gemeinsam mit dem Bund an, der Sachsen-Anhalt dafür in den kommenden zwei Jahren Mittel in Höhe von 170 Millionen € bereitstellt.

Drittens. Die zentrale Aufgabe ist die Integration der Flüchtlinge mit Bleiberecht. Ich denke, darin sind sich alle einig.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Daran wird in den Ministerien längst gearbeitet. Das Sozialministerium klärt zum Beispiel - gestern, glaube ich, stundenlang - mit Kommunalvertretern, wie man den Kommunen bei den sogenannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingskindern helfen kann. Das Kultusministerium ist dabei, die Programme zum Spracherwerb weiter auszubauen. Die Integrationsbeauftragte arbeitet an Konzepten, wie das Zusammenleben noch besser funktionieren kann. Das Wirtschafts- und Hochschulministerium klärt mit Unternehmen und Hochschulen die Fragen zusätzlicher Arbeits- und Studienplätze.

Denn richtig ist: Wir müssen die Menschen dann so schnell wie möglich in die Lage versetzen, eine Arbeit aufzunehmen, ihren Unterhalt selbst zu bestreiten, ihre Kinder in die Schule oder in die Kita zu schicken. Hierbei muss das Land weiterhin eng mit Bund, Kommunen und Trägern zusammenarbeiten.

Ganz klar ist auch - ich denke, darüber müssen wir uns nicht streiten -: Die Verfahren müssen endlich professionalisiert und verkürzt werden. Das wäre die größte Entlastung.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ja, ich denke, unstrittig ist auch: In Europa müssen endlich gerechte Lösungen für alle Mitgliedsstaaten gefunden werden. Deutschland kann das auf Dauer nicht allein stemmen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Aber über diese zwei Punkte entscheiden nicht wir hier in Magdeburg.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Deshalb meine Bitte: Stecken wir die Energie hier vor allen Dingen ins Handeln. Die Integration von Flüchtlingen aus unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen und zum Teil traumatischen Erfahrungen ist, wie schon erwähnt, nicht einfach. Dessen sind wir uns bewusst. Und ja, wir sollten zugeben: Damit haben wir hier in Sachsen-Anhalt wenig Erfahrung.

Aber für mich steht fest: Die zu uns kommenden Flüchtlinge sind gerade für Sachsen-Anhalt eine Chance. Deshalb sage ich als Finanzminister ganz bewusst: Wir sollten Asylsuchende auch in dieser Haushaltsdebatte nicht vornehmlich unter Kostenaspekten betrachten.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die Bevölkerung nimmt sehr genau wahr, wie wir uns in der Politik dieses Themas annehmen. Es geht um eine gesellschaftliche Debatte, um Hilfe, auch um Ängste, aber auch genauso um Chancen und Investitionen. Und es geht auch um die Perspektiven von Sachsen-Anhalt bei diesem Thema.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir in Sachsen-Anhalt - das muss uns bewusst sein - brauchen wie kein anderes Land in Deutschland Zuwanderung, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht. Wir müssen uns stärker als Einwanderungsland verstehen.

In diesem Zusammenhang versteht übrigens keiner im Westen - in den Diskussionen, an denen ich teilnehme -, warum gerade wir im Osten uns mit Flüchtlingen so schwertun. Denn jeder Hinweis, wir hätten doch bisher so wenige, kann und darf als Begründung nicht herhalten. In westdeutschen Regionen gibt es jetzt schon Ausländeranteile von 15 % und weit mehr. Diese Regionen müssen sich den aktuellen Debatten genauso stellen. Ich wünsche mir nicht, dass sich in den nächsten Monaten diese innerdeutsche Diskussion zuspitzt, dass die einen das Gefühl haben, sie müssten nur richtig auftreten und große Sprüche machen, während die anderen das Thema dann immer mehr allein handhaben müssen.

Ich sage Ihnen eines - weil wir hier unter uns sind -: Wenn wir irgendwann einmal über die Abrechnung reden, zum Beispiel der Verteilung der Wohnungsbaumittel, und man stellt dann fest, dass viele Zugewiesene doch woanders, etwa in den Ballungszentren, sind, werden wir die Debatte haben: Wer kriegt eigentlich das Geld? Deswegen gilt bei allem, was wir tun: Vorsicht!

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Sachsen-Anhalt steht - das sollten wir uns bewusst machen - selbst bei positiven Wanderungssalden im Vergleich zu anderen neuen Ländern bei der Einwohnerentwicklung immer noch hintan. Nach einer Übersicht des Statistischen Bundesamtes hat die Bevölkerung Deutschlands im Jahr 2014 durch die hohe Zuwanderung um 430 000 Einwohner zugenommen.

Nun denken vielleicht alle, das ist ganz linear und gleich über die Länder, anteilig zu ihrer Bevölkerung. - In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen war das so. In nur drei Ländern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Saarland, nahm die Bevölkerung im Jahr 2014 trotzdem ab, und in Sachsen-Anhalt dabei am stärksten. Wir glauben, wir haben zu viel Zuwanderung?

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihr könnt das doch kritisieren. Ich stehe hier und sage meine Meinung. Wenn ich morgen im Bundesrat in Berlin bin, sehe ich erstaunte Augen aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein

Westfalen oder aus Berlin, die sich jetzt Gedanken machen müssen, in dem neuen Flughafen in einem großen Hangar die Leute unterzubringen - und die größten Töne hören sie aus dem Osten. Dass die uns hinterfragen, das ist doch über alle Parteigrenzen hinweg nachvollziehbar.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Zwei Schlussfolgerungen ergeben sich für mich aus diesen Zahlen. Auch ostdeutsche Länder können mithilfe der Zuwanderung den Bevölkerungsverlust stoppen - den sie nicht aktiv herbeireden, der einfach da ist - und zum Teil sogar umkehren. Aber gerade die Länder, die negativ sind, müssen etwas dafür tun. Denn bestimmte Entwicklungen - starke Räume ziehen Menschen an, egal ob deutsch oder zugereist - werden nicht deswegen umgekehrt, nur weil wir es nach dem Königsteiner Schlüssel irgendwie aufteilen.

Ich denke, genau diese Diskussion ist Aufgabe für die nächste Wahlperiode. Darin bin ich mir ganz sicher. Der Prozess wird nicht haltmachen nach der Wahl im März 2016.