Protocol of the Session on September 18, 2015

Aus unserer Sicht sind sechs Maßnahmen anzupacken, damit die Milchviehbetriebe tiergerecht,

umweltfreundlich qualitativ hochwertige Milch produzieren und dafür einen angemessenen Preis erwirtschaften können.

Erstens unverzüglich und zeitlich befristete Finanzhilfen für die Betriebe, die bereit sind, jetzt sofort ihre Milchmenge zu drosseln. Das Geld liegt in Brüssel bereit durch die Superabgabe. Wir meinen, dass 700 bis 900 Millionen € aus dieser Superabgabe genommen werden können, um sie den Milchviehbetrieben zu geben. Wenn die Milchmenge gedrosselt wird, bringt das Marktentlastung und hilft bei den Liquiditätsengpässen.

Es geht nicht nur um Hilfen in dieser Krise. Lagerhaltung und vorgezogene Agrarbeihilfen verschieben diese Probleme nur in die Zukunft. Wir brauchen wirklich eine Reform; denn die nächste Krise kommt bestimmt, und dann hätten wir keine Antwort, wenn wir so weitermachen würden wie bisher.

Zweitens. Da ein kurzfristiges Marktgleichgewicht nicht reicht, brauchen wir parallel auch die Installation eines Marktkriseninstruments auf EU-Ebene zur bedarfsangepassten Produktion.

Drittens. Wir brauchen natürlich auch mehr Mitsprache für die Milcherzeuger.

Viertens. Die EU-Agrarförderungen müssen auch perspektivisch anders ausgerichtet werden, grünlandgebunden.

Fünftens. Faire Preise durch Handelskonzerne und Molkereien. Ja, auch die stehen in der Verantwortung. Die stehen in einer moralischen Pflicht den Erzeugern gegenüber. Je mehr Menschen dafür auf die Straße gehen, umso stärker erhöhen wir den Druck.

Deshalb bin ich auch an dieser Stelle dem Bauernverband dankbar, dass er es gewagt hat und auf die Straße gegangen ist. Als ich vor Monaten noch sagte: „Wir müssen den Handel in die Pflicht nehmen!“, da hieß es immer „Frau Frederking, das geht nicht!“ Heute haben sie sich dahingehend geändert, und darüber freue ich mich.

Sechstens. Wir brauchen eine Förderung von Direktvermarktung und qualitätsorientierten Erzeugungs- und Vermarktungskonzepten, wie zum Beispiel der Weidemilch oder der Milch aus gentechnikfreier Fütterung. Der Milchmarkt muss umgekrempelt werden.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Betriebe mit Millionenwerten und kostbarer landwirtschaftlicher Arbeit krachen gehen. Die ländlichen Räume dürfen nicht weiter ausbluten. Der Trend zu „Wachse oder weiche!“ muss gestoppt werden.

Wegen des Zeitdrucks sollten wir die Anträge bereits in der nächsten Sitzung des Landwirtschaftsausschusses beraten, auch wenn wir eine auswärtige Sitzung haben. Frau Brakebusch, ich bitte

Sie, nehmen Sie das ganz, ganz schnell auf die Tagesordnung, damit wir hierbei vorankommen, damit wir die Konzepte im Einzelnen diskutieren und unabhängig von dem Termin, der am Montag stattfindet, dem Landwirtschaftsminister dann auch gute Lösungsansätze mitgeben können.

Im Sinne unserer Milchviehbetriebe bitte ich Sie wirklich ganz, ganz herzlich darum, dass wir den Betrieben nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft helfen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollegin Frederking. - Bevor Herr Daldrup für die CDU-Fraktion das Wort erhält, können wir Damen und Herren vom Verein für das junge Leben aus Hannover bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Da wir zeitlich jetzt doch in der Mittagspause landen, bitte ich darum, von den parlamentarischen Geschäftsführern ein Signal zu bekommen, ob wir TOP 23 doch noch machen oder nicht. - Herr Daldrup, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Analyse sind wir uns sicherlich einig, dass die Märkte durcheinander gekommen sind. Warum sind sie durcheinander gekommen? Weil der Weltmarkt, weil die Absatzmärkte nachgelassen haben. Das ist das Russland-Embargo, das ist ganz sicher China. Das sind andere Faktoren, die dort eine Rolle spielen.

Das heißt aber auch, dass wir von der Mengenproduktion, die wir bislang gehabt haben, nicht ganz mit der gleichen Menge schon andere Preise gesehen haben. Wir haben leider Gottes auf dem Milchmarkt einen Nachfragemarkt. Je nachdem, ob diese Nachfrage steigt oder sinkt, beeinflusst sie die Preise direkt.

Leider Gottes sind die landwirtschaftlichen Betriebe und die Milcherzeuger in Sachsen-Anhalt auch am Weltmarkt angekommen. Die Landung ist ziemlich brutal.

Was können wir da tun? Ich denke, die Landesregierung hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten - diese Möglichkeiten sind nicht sehr umfangreich; das muss man ehrlicherweise sagen - das Mögliche getan.

Die Landesregierung hat ein Angebot gemacht. Es gibt über die vom Minister schon dargelegten Maßnahmen Möglichkeiten, den Landwirten zu helfen. Aber es sind Angebote und sie passen nicht zu jedem Betrieb. Das ist völlig klar. Nicht jeder Betrieb wird sie in Anspruch nehmen können und wahr

scheinlich wird auch nicht jeder Betrieb überleben. Das ist auch wahr. Ebenso wahr ist - das hat Herr Krause gesagt; es ist die dritte Krise in sechs Jahren -, dass das kein Dauerthema sein kann. Deswegen müssen wir uns auf die Frage konzentrieren: Wie können wir strukturell wirken und was liegt eigentlich in unserem Einflussbereich?

In unserem Einflussbereich liegen die Rahmenbedingungen der Milchproduktion. Dabei gibt es noch einiges zu tun. Wenn wir feststellen, dass es unumkehrbar ist, dass wir auf dem Weltmarkt angekommen sind, und das glaube ich - das ist unumkehrbar; man mag es gut oder schlecht finden, Frau Frederking, aber wir sind dort angekommen -, dann müssen wir - das ist meine feste Überzeugung - auch die gesetzlichen und die Marktrahmenbedingungen in unserem eigenen Land daran anpassen.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU)

Das haben wir noch nicht getan.

Es gibt beispielsweise die Frage: Was ist mit der Andienungspflicht? Passt die Andienungspflicht eigentlich in einen freien Markt? Es gibt die Frage: Welche Möglichkeiten haben wir über die Kontraktbildung? - Kontrakte bilden den Markt ab. Die Landwirte werden flexibler. Das müssen sie auch werden. Sie müssen in ihrer Vermarktung flexibler werden. Auch Milchbauern müssen lernen, ihre Mengen zu vermarkten.

Wir brauchen eine Risikogemeinschaft zwischen den einzelnen Ebenen in der Wertschöpfungskette. Es kann nicht sein, dass am Ende das Risiko nur beim Landwirt bleibt, die Margen aber vorher alle abgerechnet worden sind und die Landwirte - Fritz Schumann hat sie einmal als Restgeldempfänger bezeichnet - am Ende als Restgeldempfänger dastehen, sondern es bedarf schon einer vernünftigen und gleichmäßigen Risikoverteilung.

Deswegen ist der Ansatz, mit dem Handel zu sprechen, eigentlich richtig, weil die Milchpreise in Deutschland mit die niedrigsten in Europa sind. In allen anderen Ländern ist die Wertschöpfung deutlich höher als in Deutschland. Diese Spanne, dieses Delta muss in Deutschland erst einmal bearbeitet werden. Man muss und kann auch gemeinsam etwas tun. Die Molkereien müssen auch ihren Teil dazu beitragen. Es kann nicht so sein, dass die Milchviehhalter am Ende nur billige Rohstofflieferanten für Molkereien sind. Das ist aus unserer Sicht falsch.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU, und von Frau Niestädt, SPD)

Wir müssen uns als Gesetzgeber, als Land und auch als Gesellschaft überlegen, ob wir die richtigen Anreize für die Förderung und für die Produktionsausweitung setzen. Ich sage einmal, wir müssen darüber nachdenken, ob das AFP richtig aus

gerichtet ist, oder ob wir das AFP nicht dazu benutzen müssen, die Wettbewerbsnachteile, welche die Landwirte auf dem Weltmarkt und auf den Märkten haben, auszugleichen, anstatt auf Erweiterung zu setzen. Auch darüber müssen wir nachdenken. Wir haben schon einen Ansatz unternommen im AFP, indem wir gesagt haben, wir wollen eine Prämienförderung für Maßnahmen des Tierschutzes und des Tierwohls haben. Ich glaube, wir sind hierbei noch nicht am Ende.

Das sind Fragen, über die wir im Ausschuss beraten müssen - langfristige Maßnahmen, die aus unserer Sicht den Markt stabilisieren, den Milchbauern aber wahrscheinlich nicht sofort, nicht im ersten Moment helfen.

(Frau Frederking, GRÜNE: Aber dann sind doch viele Betriebe wieder weg!)

- Ja, Frau Frederking. Ich bin dagegen, den Landwirten Sand in die Augen zu streuen und Ihnen zu sagen: Jeder wird gerettet. Das wird nicht funktionieren.

(Zuruf von Frau Frederking, GRÜNE)

Das wissen sie auch ganz genau. Sie wissen auch ganz genau, was sie nicht erwarten, nämlich dass die nächste Krise kommt und wir wieder nicht gehandelt haben. Das wissen wir auch. Deswegen stehen wir, glaube ich, an dieser Stelle auch unter dem Druck, zu handeln und Vorschläge zu machen, wie wir langfristig einen Markt vernünftig regulieren, in ein Gleichgewicht bringen und die Kräfteverhältnisse vernünftig regeln können.

Natürlich ist es eine Mengenfrage. Natürlich muss sich die Branche darüber einigen, wie sie das Angebot, die Menge der Nachfrage anpasst. Das ist keine staatliche Aufgabe. Wir haben andere Systeme, in denen das schon funktioniert hat. Ich glaube, wenn wir die Rahmenbedingungen dafür setzen, dann muss sich die Branche gemeinsam finden und einen Vorschlag machen, wie sie die Menge senken kann.

Eines geht aber auch nicht - das ist Lyrik, das ist wirklich eine Illusion -: zu glauben, dass wir durch Direktvermarktung, durch Weidemilchprogramme und dergleichen die Märkte in Ordnung bringen können. Das ist meiner Meinung nach völlig falsch. Das kann nicht funktionieren. Mengen, die da sind, werden ihren Abnehmer finden. Sie sind so mobil in der Welt, dass wir - in Sachsen-Anhalt sowieso nicht, in Deutschland wahrscheinlich auch nicht, aber vielleicht in Europa - Maßnahmen finden können, die die Märkte in Europa einigermaßen stabilisieren und langfristig dazu führen, dass wir eine rentable Milchproduktion haben.

Es ist bedauerlich, dass gerade die Betriebe, die sich auf das Quotenende vorbereitet haben, die notwendigen Investitionen getätigt haben und Investitionsstaus aufgelöst haben, jetzt in diese

Liquiditätsschwierigkeiten kommen, weil sie genau das getan haben, was die Märkte eigentlich wollen, was sie fordern und was auch notwendig ist.

(Zuruf von Frau Frederking, GRÜNE)

Wettbewerbsfähig zu sein auf dem Markt, Frau Frederking - und der Markt ist der Weltmarkt; daran geht kein Weg vorbei -, heißt auch, am Ende Rationalisierungsmaßnahmen in Betrieben so durchzuführen, dass sie es schaffen können. Wir könnten es schaffen. Wir dürfen als Landespolitiker aber auch nicht ständig neue Auflagen machen und ständig neue Bürokratie schaffen. Ich nenne einmal das Stichwort Düngemittelverordnung und andere Fragen, wo wir gesetzliche und verordnungsmäßige Vorgaben setzen, die den Landwirten das Leben an dieser Stelle schwerer machen und den Wettbewerb mit ihren europäischen Kollegen auch nicht gerade vereinfachen.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU)

Es ist unsere Aufgabe, an diesen Stellen zu gucken, wo wir falsch aufgestellt sind und wo wir nachsteuern müssen. Alles andere ist, glaube ich, Illusion. In der Hoffnung, dass diese Milchkrise möglichst viele Landwirte und möglichst viele von den 440 oder 450 Milchbauern in SachsenAnhalt überleben lässt, möchte ich gern im Ausschuss eine weitergehende Diskussion führen, die Ergebnisse bringt, mit denen die Landwirte auch leben können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU). Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Herr Daldrup, es gibt zwei Nachfragen. Möchten Sie diese beantworten? Herr Daldrup (CDU):

Eine Nachfrage hat Herr Czeke. Danach fragt Frau Frederking. - Zuvor begrüßen wir die zweite Gruppe von Damen und Herren vom Verein für das junge Leben Hannover. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Kollege Daldrup, geben Sie mir Recht darin, dass es ein Unterschied ist, ob ich 100 t Getreide einlagere oder 5 000 kg Milch lagern muss, die täglich anfallen?