Protocol of the Session on September 18, 2015

Wobei an dieser Stelle auch der Hinweis gestattet sein muss, dass zwei Drittel der Milchproduktion in genossenschaftlichen Molkereien stattfinden, also in bauerneigenen Molkereien.

Hinter die Frage, ob die Systeme, wie sie derzeit von den Rahmenbedingungen her installiert wurden, optimal sind, setze auch ich ein Fragezeichen. Das ist ein Thema, über das wir reden müssen.

Aber an dieser Stelle - ich spreche im Parlament von Sachsen-Anhalt - will ich Folgendes ganz deutlich sagen: Sachsen-Anhalt hat bereits gehandelt, um seinen Landwirten zu helfen. Das von der landwirtschaftlichen Rentenbank zum 1. Juli eröffnete Liquiditätssicherungsprogramm kann mit der Koppelung von Bürgschaftsregelungen des Landes bereits jetzt in Anspruch genommen werden. Wir haben gehandelt, weil der Finanzminister bereit war, Steuerstundungen und Herabsetzungen von Steuerzahlungen zuzustimmen. Dafür bin ich dem Kollegen Bullerjahn sehr dankbar.

Wir haben gehandelt, indem wir die Landgesellschaft gebeten haben, Pachtzahlungen zu stunden. Wir wissen, dass die Sozialversicherungsträger bereit sind, ebenfalls Stundungen von Sozialversicherungsbeiträgen vorzunehmen. Insofern tun wir etwas, um Liquidität in die Betriebe zu pumpen.

Nun haben Sie eine Maßnahme, die sowohl von Präsident Zedler als auch von Präsident Klamroth begrüßt wird, etwas in Misskredit gezogen, Herr Krause. Das tut mir leid. Denn auch die Anfragen zeigen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe diese Maßnahme als vernünftig ansehen.

Warum ist es unvernünftig, wenn in dem Fall, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb in den letzten Jahren sehr viele Flächen gekauft hat - der eine

oder andere Betrieb hat mehr Flächen gekauft, als er ehrlicherweise betriebswirtschaftlich verkraften konnte -, der Landgesellschaft diese Flächen verkauft, sie dem Betrieb diese Flächen verpachtet und, wenn der Betrieb wieder in der Lage ist, diese Flächen zurückzukaufen, diese wieder an ihn verkauft, und zwar unter Berücksichtigung der entstandenen Kosten, die aufgrund der Zinssituation gering sind.

Ich glaube, das ist eine vernünftige Maßnahme, um Betrieben gezielt zu helfen, diesen Liquiditätsengpass zu überwinden. Wir sollten diese Hilfe nicht schlecht reden, meine Damen und Herren.

(Frau Frederking, GRÜNE: Das ist eine Ent- eignung! - Frau Take, CDU: Das ist ja wohl ein Witz!)

- Frau Frederking, ich bin ein höflicher Mensch. Aber ich empfehle Ihnen an dieser Stelle dringend, sich von dem hinter Ihnen sitzenden Kollegen Meister, der meines Wissens Jura studiert hat und Rechtsanwalt ist, darüber informieren zu lassen, was Enteignungen bedeuten. Mit diesem Ausdruck sollten Sie in diesem Teil Deutschlands vorsichtiger sein, Frau Frederking.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Hier leben viele Menschen mit einem schweren Schicksal, die Enteignungen an Haut und Haaren erlebt haben. Deshalb mahne ich Sie zur Vorsicht im Umgang mit diesem Ausdruck, gerade im Bereich der Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Frau von Angern, DIE LINKE: Lassen Sie sich nicht einschüchtern, Frau Frederking!)

- Na ja, auf der linken Seite des Hauses sollten Sie beim Thema Enteignungen lieber still schweigen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren! Die LINKEN schlagen darüber hinaus in ihrem Papier vor, ein Anreizsystem für landwirtschaftliche Betriebe einzuführen, damit diese im Krisenfall ihre Milchproduktion reduzieren, um eine Marktentlastung herbeizuführen.

Das haben Sie vom BDM abgeschrieben; Sie berufen sich immer auf den BDM. Ich finde es aber sehr interessant, dass der Deutsche Bauernverband, der die übergroße Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe und der Milchproduzenten in Deutschland vertritt, aus wohlerwogenen Gründen diesen Vorschlag nicht aufgreift, weil er nichts anderes ist als Utopie in einer Zeit der freien Märkte. Das ist ein Vorschlag von gestern, von vorgestern. Das ist staatlicher Dirigismus. Damit lösen Sie

nicht die Probleme auf dem Milchmarkt im Jahr 2015, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der LINKEN)

Bundesminister Schmidt hat berichtet, dass sich kein EU-Mitgliedstaat mit diesem Vorschlag beschäftigt. Ich warne auch davor, angesichts der Reputation der Landwirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen anzufangen, in einer Marktwirtschaft Minderproduktion zu honorieren.

Weiterhin fordern Sie, die Einführung von kostendeckenden Mindestpreisen zu prüfen. Die Kosten, die die Produktion von 1 l Milch verursacht, fallen in Europa sehr unterschiedlich aus. Wir leben in einem gemeinsamen Markt. Insofern müssen wir ganz Europa im Auge behalten.

Die Kosten in Irland sind völlig anders als die Kosten im Allgäu. Die Kosten in Norddeutschland sind anders als die Kosten in Brandenburg. Die Kosten in einem pacht- und schuldenfreien Betrieb sind völlig anders als in einem hoch verschuldeten Betrieb.

Das heißt, die Einführung von kostendeckenden Mindestpreisen ist ebenfalls ein Stückweit Utopie und die Forderung, meine ich, ist absoluter Populismus.

(Herr Krause, Salzwedel, DIE LINKE: 2015 bei Seehofer!)

- Es ist interessant, dass Sie sich auch einmal auf Herrn Seehofer berufen. Aber ich erlaube mir, auch zu sagen, dass ein Ministerpräsident von der Schwesterpartei nicht in allen Punkten immer Recht haben muss, wenn Sie ihn denn richtig zitiert haben. Diese Freiheit sei mir auch gestattet.

(Herr Krause, Salzwedel, DIE LINKE: Ihr Ag- rarminister! - Frau Weiß, CDU: Ihrer auch!)

Meine Damen und Herren! Ich bin zudem der Auffassung, dass es richtig ist, intensive Gespräche mit dem Handel zu führen. Ich weiß, dass die Bundesregierung das tut. Ich weiß, dass das auch der Deutsche Bauernverband tut. Auch der Handel hat ein Stückweit Verantwortung dafür, wie sich Milchpreise und der Agrarsektor entwickeln.

Ich finde es sehr positiv, dass ein großer deutscher Discounter angekündigt hat, ab dem 1. Oktober 2015 den Preis für Trinkmilch um 5 Cent zu erhöhen. Ich finde es auch positiv, dass eine dänische Kette beabsichtigt, den Preis um ca. 7 Cent je Liter Milch anzuheben.

Ich weiß aus der Bundesregierung, dass die Gespräche mit weiteren Ketten laufen. Es ist ein gutes Signal, dass offenbar Teile des Handels bereit sind, Verantwortung für eine bäuerliche Struktur der Milchviehhaltung in Deutschland zu überneh

men. Ich appelliere an die Handelsketten, die noch nicht so weit sind, diesem Schritt von Lidl zu folgen und ebenfalls Verantwortung für die Milchproduktion in Deutschland zu bekunden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir werden - auch das gehört zur Wahrheit - damit umgehen müssen, dass die Preise im Agrarbereich und auch im Milchbereich volatiler werden. Wenn wir ehrlich sind, dann waren sie bereits volatil. Wir haben zu Zeiten der Quotenregelung deutschlandweit Preise von 22, 23 Cent erlebt. Das heißt, auch die Quotenregelung hat niemanden davor bewahrt, dass wir temporär mit niedrigen Preisen leben mussten, weil die Märkte nicht auszuhebeln sind.

Meine Damen und Herren! Es stellt sich die Frage, wie wir mit gezielten Instrumenten dazu beitragen können, dass Betriebe diese Phase überstehen. Dafür bieten wir diese gezielten Instrumente an.

Ich bin durchaus bei Ihnen, bei den LINKEN, wenn Sie die Frage nach steuerlichen Instrumenten stellen. Dazu stehe ich mit dem Bundesminister Schmidt in Kontakt und bin der Auffassung, dass wir einen verbesserten Risikoausgleich im Steuerrecht mit guten Gründen vertreten können, auch gegenüber Finanzministern. Wir haben die Milchbauern aus der Quotenregelung entlassen; wir werden die Zuckerrübenbauern aus der Quotenregelung entlassen.

Das sind gute Argumente von Agrarministern gegenüber Finanzministern, steuerlich etwas zu tun, damit in den Jahren, in denen gut verdient wird, das Geld nicht vom Finanzamt abgeholt wird, wenn es in anderen Jahren wieder schlechter wird. Hier sind wir dran.

Wir tun auch bereits das, was Sie in Ihrem erneuerten Antrag vorsehen, der - zugegeben - besser ist als der alte, aber die Mängel des alten Antrages nicht behebt. Wir sind auch dabei, unbürokratisch die Senkung von Steuervorauszahlungen zu realisieren. Dafür danke ich an dieser Stelle auch noch einmal dem Finanzminister.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit guten Strukturen in der Milchproduktion, dass wir mit leistungsfähigen Verarbeitungsbetrieben in SachsenAnhalt gut aufgestellt sind, dass wir auch diese Phase überwinden, auch mit den Hilfsinstrumenten, die wir zurzeit diskutieren und die wir bereits realisiert haben. Wir werden die Krise im Milchbereich meistern; dazu tragen diese Maßnahmen bei.

Ich gehe davon aus, dass das Parlament den Antrag der LINKEN ablehnt und dem zielführenden Antrag der Regierungsfraktionen zustimmt. - Vie

len Dank für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Herr Minister, es gibt zwei Nachfragen.

Ja.

Zunächst die Frage von Herrn Gallert, dann Frau Frederking.

Herr Minister, zum einen hat mich Ihr Argument angeregt, wir könnten ja mit dem TTIP zum Teil den amerikanischen Milchmarkt erobern, dann hätten wir eine neue Exportchance.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Super!)

Ich habe bisher zumindest noch nicht gehört, dass die da in dem Bereich unterversorgt wären und dass wir da zusätzliche Möglichkeiten hätten, in diesen Markt einzudringen.

(Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Ich sage Ihnen auch noch einmal ausdrücklich, wir haben ein ernstes Problem in diesem Bereich.

(Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Ich war vor nicht allzu langer Zeit in einer Gegend in Indien. Eine erste Frage in einer Molkerei war, was wir von dem Freihandelsabkommen Indien/EU halten. Die sagen, wenn das kommt, sind wir hier tot, weil Sie uns mit Ihrem billigen Milchpulver totmachen. Dann sind wir die nächsten Flüchtlinge, die nach Europa kommen. - Das sind Dinge, die wir bitte berücksichtigen müssen, wenn wir versuchen, Überproduktion aus Europa woanders hinzudrücken.

(Beifall bei der LINKEN - Frau Dirlich, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)