man politische Differenzen aus und wo demonstriert man Einigkeit? - Das ist bei diesem Thema nicht unwichtig.
Sowohl Sie als auch Herr Stahlknecht haben darauf hingewiesen, dass sich dieses Thema überhaupt nicht für den Wahlkampf eigne. Nun verwenden Sie den größten Teil Ihrer Redezeit darauf, dezidiert die Parteiposition vorzutragen, die sich natürlich zumindest im Detail in einem Konflikt mit anderen befinden.
Das werfe ich Ihnen nicht einmal vor. Aber zu sagen, macht damit bitte keinen Wahlkampf, wir sagen hier nur unsere Position, das ist unehrlich. Das ist nicht konsistent, das funktioniert nicht.
Wenn Sie und auch der Kollege Herr Stahlknecht sagen, man solle doch bei dieser Aufgaben nicht in Kritik an Kleinigkeiten und in Klein-Klein verfallen, dann frage ich Sie, wie Sie eigentlich die Äußerungen Ihres Amtskollegen in Thüringen Herrn Mohring beurteilen, der der Presse sagte, Rot-RotGrün versage in Flüchtlingspolitik; er sehe in der Überbelegung der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Suhl einen Grund für den Gewaltausbruch; es herrschten in dem Heim unhaltbare Zustände, die Türen seien eingetreten; Rot-Rot-Grün habe bei der Erstaufnahme versagt. - Wie beurteilen Sie eine solche Aussage?
Eine letzte Frage. Wie beurteilen Sie den Vorschlag des Vorsitzenden der CDU-Fraktion in Sachen, den Mindestlohn für Flüchtlinge auszusetzen?
Den letzten Vorschlag kenne ich nicht. Die Aussagen von Mike Mohring kenne ich. Ich unterstelle einmal, dass er die Situation in Thüringen besser kennt als Sie.
Aber viel wesentlicher sind Ihre Pressemitteilungen, in denen es heißt, wer Einreisemöglichkeiten nicht legalisiere und trotzdem die Schleuserkriminalität bekämpfen wolle, der solle den Mund halten, weil er menschenverachtend argumentiere, die Aussage, dass Sachsen-Anhalt überhaupt nur noch die Entscheidung habe zwischen Menschlichkeit und Abschottungspolitik, oder die Aussage nach Ihrer Klausurtagung, dass der gesellschaftspolitische Dialog zu der Frage, wie wir mit dem Thema umgehen, die Landtagswahl bestimmen werde. Das sind Aussagen von Ihnen, von Ihrer Partei und von Ihnen persönlich.
Die haben natürlich nichts mit Wahlkampf zu tun. - Was habe ich gesagt? - Das wissen Sie natürlich. Sie können es mir nicht vorwerfen, dass ich die Position der CDU-Landtagsfraktion vortrage.
Eben; die habe ich vorgetragen. - Ich habe gesagt, dass wir jetzt eine gemeinsame Kraftanstrengung brauchen; Bund, Länder und Kommunen müssen an einem Strang ziehen. Deswegen brauchen wir diese Kraftanstrengung und keine Schuldzuweisungen in Details: Wo könnte man noch das eine oder andere machen?
In der gesellschaftspolitischen Debatte darüber, wie wir Zuwanderung steuern, wie wir mit dem Thema Flüchtlings- und Asylpolitik in Deutschland umgehen, wie wir politisch die Willkommenskultur ausdeuten, gibt es keinen Allparteienkonsens; den gibt es nicht! Es gibt erhebliche Unterschiede.
Ein Bleiberecht für alle, wie es im Bundestagswahlprogramm Ihrer Partei steht, wonach sich der Flüchtling oder der Asylbewerber aussuchen kann, in welchem Land er seinen Antrag stellt, die Abschaffung von Frontex, damit man an den EU-Außengrenzen auch ja nichts abstimmen kann, ein Abschiebungsstopp und eine offene Grenze für alle - so steht es im Parteiprogramm 2013 zur Bundestageswahl. Das ist die Politik, die Sie vertreten. Ob diese Auffassung tatsächlich richtig und mehrheitsfähig ist, das wird zu entscheiden sein.
Wir haben dazu eine andere Auffassung. Auch wir wollen die Chancen der Zuwanderung nutzen und einen humanitären Flüchtlingsschutz. Wir sind aber der Meinung, dass der Staat das Recht hat zu entscheiden, wer dieses Schutzbedürfnis hat.
Wenn wir Zuwanderung wollen, ist zu klären, welche Regeln und Kriterien dafür gelten sollen und nach welchen Interessen wir das steuern. Darauf hat Deutschland ein Recht. Das ist nicht rechts oder menschenverachtend, das ist rechtsstaatlich! Diese Auseinandersetzung, diese gesellschaftliche Debatte kann ich uns nicht ersparen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn in Ungarn Geflüchtete mit Tränengas und Knüppeln zusammengetrieben werden, wenn es dort regelrechte Straßenschlachten gibt, wenn in Österreich ein Schlepperlastwagen mit 70 toten Flüchtlingen entdeckt wird, wenn solche Zustände in Europa herrschen, wenn die Grenzen wieder geschlossen werden und sei es nur temporär, meine Damen und Herren, welche andere Möglichkeit habe ich dann noch, als über die europäische Dimension der Flüchtlingsproblematik hier zu sprechen? Beides hängt doch miteinander zusammen.
Es sind doch nicht nur die Schlepper und die fehlende Entwicklungszusammenarbeit, die nicht genug leistet, die für diese Zustände verantwortlich sind. Vielmehr sind es auch die mangelnde Integrationsbereitschaft, die mangelnde Aufnahmebereitschaft in vielen europäischen Ländern und in Mitgliedstaaten der EU - das ist ganz richtig -, aber eben auch Versäumnisse in der Flüchtlingspolitik in Deutschland, und zwar nicht nur seit dieser Woche, sondern seit Jahren.
Herr Minister Stahlknecht, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, ihr redet über das Klein-Klein, aber ich ziehe die große Linie, dann machen Sie das wirklich nur optisch und sozusagen oral. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder die konkreten Punkte angeprangert, die es braucht, um genau diese gesellschaftliche Debatte zu führen, um an dem Bewusstsein in Deutschland und in Sachsen-Anhalt zu arbeiten.
Wie steht es denn mit den Flüchtlingen? Wie nehmen wir sie auf? Wie integrieren wir sie bestmöglich? - Das ist die gesellschaftspolitische Debatte, Herr Stahlknecht. Dazu habe ich in den letzten vier Jahren in diesem Hohen Hause von der CDU in 90 % der Fälle nur eines gehört, nämlich Ablehnung, immer wieder Ablehnung
(Frau Feußner, CDU: Das stimmt einfach nicht! - Herr Harms, CDU: Rüsten Sie ab, das täte Ihnen gut! - Unruhe bei der CDU)
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zuruf von Herrn Schröder, CDU - Un- ruhe bei der CDU)
Meine Damen und Herren! Wo führe ich diese gesellschaftspolitische Debatte, wenn nicht hier im Parlament?
Es geht, meine Damen und Herren, auch wenn es um das Regieren mit Augenmaß geht, darum, die Stimmungen in der Bevölkerung und auch in der Opposition, wo Vorschläge gemacht werden, die sich genau mit der Verbesserung der Situation beschäftigen, wahrzunehmen.
Ja, ja, schreien Sie nur. Sie wollen es nicht hören und wollten es auch in den letzten Jahren nicht hören.
In unserem Entschließungsantrag, den wir Ihnen heute hier zu dieser Großen Anfrage anbieten, sind viele Dinge nicht neu. Viele Dinge haben wir hier im Parlament in den vergangenen Jahren immer wieder beantragt. Lediglich die Punkte zur Erstaufnahme sind wirklich neu.
Punkt 1 beleuchtet die Chancen, die sich für Deutschland und auch für Sachsen-Anhalt durch humanitäre Zuwanderung ergeben. Diesbezüglich gehen wir davon aus - Herr Schröder, diesbezüglich haben wir in der Tat einen Dissens -, dass das eben nicht nur diejenigen sind, die nachher den Stempel als sozusagen akkreditierte Geflüchtete nach § 16 AGG oder nach der Genfer Konvention bekommen. Wir wollen auch diejenigen integrieren, die einfach langfristig ihr Leben hier fristen, weil sie geduldet sind, weil sie sich noch in der Gestattung befinden.
Jeder Tag, den jemand hier in Sachsen-Anhalt zubringt, ohne dass er die Möglichkeit hat, selbst für sein Einkommen zu sorgen, selbst seine Ausbildung abzuschließen oder sonst etwas für seine positive Entwicklung zu tun, ist ein verlorener Tag, und das wollen wir ändern, meine Damen und Herren.
Auf die dezentrale Unterbringung bin ich in meiner Einbringungsrede eingegangen. Den Dank an die Bevölkerung habe ich hier auch zum Ausdruck gebracht. Die zentrale Aufnahmestelle ist ein Punkt - Herr Minister, Sie mögen das Klein-Klein nennen -, über den man reden muss. Zusagen mit Blick auf die ärztliche Versorgung wurden bisher nicht gemacht.
In Bezug auf die Eröffnung der tatsächlich neuen zentralen Aufnahmestellen halten wir den Zeitpunkt Mitte nächsten Jahres in der Tat für zu spät. Auf die anderen Punkte bin ich in meiner Einbringungsrede eingegangen.
Im Änderungsantrag der Linksfraktion werden zwei wichtige Punkte genannt. Es macht überhaupt keinen Sinn, warum man Kreise, in denen sich eine ZASt befindet, pauschal von der Unterbringung in den Kreisen ausschließt. Das sollte man auflösen. Auch die Einrichtung einer zweiten Clearingstelle ist einfach ein Bedarf, der sich aus der Auslastung der bisher einzigen Clearingstelle, die wir haben, ergibt.
Insofern, meine Damen und Herren, leisten Sie doch jetzt Ihren Beitrag zu der gesellschaftspolitischen Diskussion, zu der Qualitätsdebatte, damit die Menschen in Sachsen-Anhalt endlich kennenlernen dürfen, welche positiven Aspekte Einwanderung für unser Land mit sich bringt. - Vielen herzlichen Dank.
Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Wir stimmen über den Änderungsantrag zum Entschließungsantrag ab. Eine Überweisung in den Ausschuss ist nicht gefordert worden.
Wir stimmen nun darüber ab, ob die Anträge in den Ausschuss überwiesen werden sollen. Ich weise darauf hin, dass dann das ganze Paket einschließlich der Großen Anfrage selbst überwiesen wird. Wer der Überweisung der Drs. 6/4056, Drs. 6/4361, Drs. 6/4361 und Drs. 6/4386 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? Niemand. - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit werden die Drucksachen überwiesen.
Jetzt klären wir, in welche Ausschüsse die Drucksachen überwiesen werden sollen. - Wenn Sie das bereits gesagt haben, dann muss ich mich jetzt entschuldigen.
(Herr Borgwardt, CDU: Zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung!)
Frau Präsidentin, wir würden anregen, auch den Sozialausschuss zu beteiligen, weil auch er für das Thema Integration zuständig ist.
Gibt es weitere Forderungen bzw. Überweisungswünsche? - Das ist nicht der Fall. Ich denke, die federführende Beratung im Innenausschuss und auch die Mitberatung im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung sind nicht umstritten. Wer stimmt der Überweisung in die genannten Ausschüsse zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.