Protocol of the Session on July 2, 2015

Das stellt unglaubliche Anforderungen an die Bundesländer. Vermutlich bedeutet das auch eine Überforderung der Bundesländer. Die Bundesländer müssen zudem mit möglichen Klagen der Gentechnikkonzerne rechnen und müssen dann auch noch die Kosten für die Verfahren tragen.

Zudem würde die Rechtsunsicherheit allein schon deshalb steigen, weil die Gentechnik-Pflanzenhersteller gerade die unterschiedlichen Verbotsgründe der Bundesländer als Argument für ihre Klagen heranziehen könnten. Sie könnten Widersprüchlichkeiten feststellen und gerade damit ihre Klagen begründen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir widerspruchsfreie Begründungen bekommen. Des

halb sollte das einheitlich von der Bundesebene aus gemacht werden.

Es gibt vier Gutachten, die inzwischen klargestellt haben, dass eine bundesweite Verbotsumsetzung eine größere Rechtssicherheit als unterschiedliche Regelungen in jedem Bundesland bedeutet.

Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt sieht das anders und bemüht seinerseits zwei Gutachten. - So steht es jetzt 4 : 2 in der Gutachtenschlacht und Schmidt sollte sich nicht länger den schlagkräftigsten Argumenten verschließen.

Eine unterschiedliche Handhabung in den Bundesländern würde die Gefahr der Einschleppung und unkontrollierten Verbreitung von GVO begünstigen. Das würde zwangsläufig zu einem Flickenteppich mit Gebieten mit und ohne Gentechnikanbau führen. Dieser Flickenteppich muss durch eine bundeseinheitliche Regelung unbedingt verhindert werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Genau deshalb hatten sich bereits im September 2014 alle Agrarministerinnen und -minister der Bundesländer, also auch Herr Minister Dr. Aeikens, für ein nationales Anbauverbot ausgesprochen. Damit die Landesregierung nicht hinter diese Position zurückfällt, müssen wir heute einen entsprechenden Beschluss fassen.

Die Landesregierung wäre dann in der Pflicht, Bundesminister Schmidt dahin zu treiben, dass das Gentechnikgesetz die Anwendung der in der EU vereinbarten Ausstiegsklausel, der sogenannten Opt-out-Regelung, durch den Bund vorsieht.

In der nächsten Woche findet die Sitzung des Bundesrates statt. Die Länder mit grüner Beteiligung und unter Federführung von Rheinland-Pfalz werden am 10. Juli 2015 einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen. Sachsen-Anhalt sollte diese Initiative unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gentechnikfreiheit ist ein Standortfaktor, da Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft keine Einbußen durch Verunreinigungen befürchten müssen.

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Unsere Landwirtschaft - egal ob konventionell oder ökologisch - muss vor Verunreinigungen durch GVO geschützt werden. Daher ist der dritte Punkt in unserem Antrag nur folgerichtig, nämlich unsere Forderung, die Ausstiegsklausel anzuwenden und von der Verbotsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch zu machen, sobald die gesetzliche Grundlage im Gentechnikgesetz geschaffen ist.

Einige GVO befinden sich in der Zulassungspipeline der EU. Bei Mais 1507 fehlt zum Beispiel nur

noch die förmliche Zulassung. Es steht also zu befürchten, dass dieser Mais bereits im Frühjahr 2016 angebaut werden könnte. Deshalb müssen wir wachsam sein und uns bereits jetzt dazu entscheiden, für alle zugelassenen GVO auch Anbauverbote zu erlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir keine Agrogentechnik wollten, dann sollten GVO auch am besten gar nicht zugelassen werden. Aus diesem Grund hatten wir GRÜNEN bereits im letzten Jahr anlässlich der Entscheidung um Mais 1507 die Bundesregierung aufgefordert, auf EU-Ebene gegen diese Zulassung zu stimmen.

Aber da es schwer ist, eine qualifizierte Mehrheit unter den EU-Staaten zu erreichen, müssen wir jetzt noch einen weiteren Schritt nach vorn gehen. Es ist sehr wichtig, dass die Zulassungsverfahren auf EU-Ebene überprüft und so geregelt werden, dass eine verschärfte, umfassende und von Industrieeinflüssen unabhängige Risikobewertung auf der Basis unabhängiger Risikostudien gewährleistet wird

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Lassen Sie uns deshalb ganz klare Kante zeigen gegen Agrogentechnik und für ein einheitliches und rigoroses Anbauverbot für Genpflanzen auf Bundesebene. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Frederking. Frau Kollegin, der Kollege Lange würde Sie gern etwas fragen. Wie ich Sie kenne, antworten Sie auch gern. - Herr Lange.

Frau Frederking ich verstehe Sie in Bezug auf Mais 1507 sofort, eine Sorte, die nach Methoden aus den 90er- und 2000er-Jahren hergestellt wurde. Mittlerweile gibt es aber andere gentechnische Methoden, zu denen ich Sie gern etwas fragen möchte.

Wie beurteilen Sie punktgenaue gentechnische Verfahren wie CRISPR, die Eigenschaften von Pflanzen herbeiführen, wie sie auch in der herkömmlichen Züchtung auftreten können, allerdings in einer herkömmlichen Züchtung einen hohen Aufwand benötigen? - Diese Pflanzen sind nicht mehr unterscheidbar von einer Pflanze, die über sogenannte natürliche Züchtungsverfahren hergestellt wurden. Wäre es nicht wichtiger, die einzelnen Pflanzen zu beurteilen, als eine ganze Technologie infrage zu stellen?

Die EU hat uns, den Nationalstaaten, die Möglichkeit gegeben, auch Anbauverbote auszusprechen. Das steht in der EU-Richtlinie. Jetzt geht es darum, diese EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Es ist jetzt die Aufgabenstellung, Möglichkeiten zu schaffen und Verantwortlichkeiten bzw. Zuständigkeiten festzulegen.

Das Gentechnikgesetz führt die einzelnen Gründe für die Anbauverbote an. Man kann nicht mit einem Federstrich sagen, wir verbieten das jetzt, sondern dafür sind zwingende Gründe erforderlich. Diese Gründe müssen durchdekliniert werden.

Ich habe mir die Gründe einmal angeschaut. Sie sind relativ unspezifisch. Die Rede ist von sozioökonomischen Gründen und Umweltgesichtspunkten. Weiterhin soll die Agrarstruktur berücksichtigt werden. Bei diesen ganzen Gründen muss man dann schauen, wie man die einzelnen, wie Sie sagen, punktgenauen Methoden, anwendet.

Vielen Dank. - Jetzt begrüßen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Jahn-Gymnasiums aus Salzwedel. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dr. Aeikens das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Opt-out-Verfahren bietet die EU erstmalig ihren Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Freilandanbau von GVO-Sorten nicht nur über naturwissenschaftliche, sondern auch über gesellschaftliche Argumente zu regeln. Die Umsetzung dieses Opt-out-Verfahrens befindet sich in Deutschland derzeit noch im Abstimmungsprozess. Es liegt noch nicht einmal ein Referentenentwurf vor.

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht dagegen über die notwendige Abstimmung zur Umsetzung des Opt-out-Verfahrens hinaus. Er lässt sich in drei Teile gliedern.

Erstens. Der Landtag möge sich zur gentechnikfreien Landwirtschaft in Deutschland bekennen.

Zweitens. Der Landtag soll die Landesregierung bitten, sich mithilfe der Ausstiegsklausel für ein rechtssicheres Verbot von gentechnisch veränderten Organismen einzusetzen. Mithin soll der Bund das bundesweite Anbauverbot für alle in der EU zugelassenen GVO erlassen.

Drittens. Des Weiteren soll das Zulassungsverfahren auf EU-Ebene überprüft und so geregelt wer

den, dass eine verschärfte, umfassende und von Industrieeinflüssen unabhängige Risikobewertung auf der Basis unabhängiger Risikostudien gewährleistet wird.

Aus meiner Sicht muss man zu Punkt 1 sagen: Das ist Illusion. Auch mit einem generellen Verbot in Deutschland und insbesondere für SachsenAnhalt lässt sich die weltweite Entwicklung der Gentechnik nicht aufhalten. Die Mehrzahl unserer Nutztiere wird mit gentechnisch verändertem Soja gefüttert. Gentechnisch veränderte Substanzen finden Verwendung in der Lebensmittelherstellung. Leider weiß das der Verbraucher meist nicht. Wir sollten uns gemeinsam, Frau Frederking, für eine verbesserte Kennzeichnung unserer Lebensmittel einsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Hinsichtlich des Punktes 2 des Antrages muss man sich das Opt-out-Verfahren genauer anschauen. Wenn neben den naturwissenschaftlich durch die European Food Safety Authority (EFSA) begründeten Pro und Kontra des Anbaus noch weitere weiche Faktoren bei der Zulassung eine Rolle spielen und wenn in bestimmten Regionen der Anbau der Bevölkerung nicht zu vermitteln ist, kann und muss das Opt-out-Verfahren gewählt werden.

Hierbei ist allerdings eine Vielzahl von rechtlichen Vorschriften zu beachten, um ein einheitliches Verfahren zu gewährleisten. Die Bundesländer haben sich in Beschlüssen des Bundesrates und der Ministerkonferenzen für eine bundeseinheitliche Regelung ausgesprochen, das heißt ein Opt-outVerfahren unter der Federführung der Bundesregierung.

Die EU gibt den Handlungsrahmen für das Optout-Verfahren vor. Dieses Verfahren ist nun einmal ein Verfahren für den Einzelfall und kein genereller Ausschlussgrund für den Anbau von GVO-Sorten.

Wer also die Opt-out-Regelung nutzen will, um quasi durch die Hintertür ein deutschlandweites Gentechnikverbot zu erreichen, der dürfte scheitern, da hierfür die juristischen Grundlagen fehlen.

Mit dem dritten Punkt Ihres Antrages habe ich ein besonderes Problem. Sie unterstellen, dass die EFSA, die Europan Food Safety Authority, der verlängerte Arm der Saatzuchtfirmen ist, und fordern daher eine verschärfte, umfassende und von Industrieeinflüssen unabhängige Risikobewertung auf der Basis unabhängiger Risikostudien. Wie dies ausgestaltet werden soll, verschweigen Sie.

Frau Frederking, mich stört diese Abqualifizierung eines anerkannten Gremiums.

(Zustimmung bei der CDU)

Die wissenschaftlichen Gremien der EFSA setzen sich aus unabhängigen Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftlern zusammen, die an Universitäten, Forschungseinrichtungen und nationalen Lebensmittelsicherheitsbehörden tätig sind. Meinem Haus liegen keine belastbaren Hinweise darauf vor, dass die Entscheidungen und Bewertungen dieser Expertengremien interessengeleitet sind.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Einem Teil Ihres Antrages kann ich folgen. Für die anderen Teile stellen die Regierungsfraktionen einen eigenen Antrag zur Sache.

Es ist entscheidend, dass das Opt-out-Verfahren mit dem EU-Recht kompatibel gestaltet wird und die weichen Ausschlussgründe des Verfahrens bundeseinheitlich und gerichtsfest ausgestaltet werden. Eine Symbol-Politik nützt der Sache und insbesondere dem Verbraucher nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)