Alles in allem ist das eine ziemliche Fülle von Ungereimtheiten in Sachsen-Anhalt. Deshalb wollte man offenbar in Brüssel nicht weiter auffallen und hat auf eine zügige Umsetzung der Dinge gesetzt. Sie können sich also auf kritische Nachfragen im Ausschuss freuen.
Ein letzter Satz. Kollege Erben; Sie haben es angesprochen: Kollektives Versagen der Kontrollorgane.
Man ist dann leicht dabei, zu sagen, wir übernehmen auch eine kollektive Verantwortung. Eigentlich ist es keiner gewesen, sondern wir alle. Aber das ist zu einfach und das werden wir nicht zulassen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ausgerechnet diejenigen, die diese Thematik unbedingt in einem Untersuchungsausschuss behandeln wollten, sind nun diejenigen, die das Ganze heute auf die Tagesordnung gesetzt haben. Es gibt ein Sprichwort, das besagt: „Über ungelegte Eier spricht mach nicht!“
Jedes der Mitglieder im Untersuchungsausschuss muss sich heute düpiert fühlen, weil man sich fragt, warum man in 19 Sitzungen 38 Zeugen vernommen hat, weil man sich fragt, warum man 500 Aktenordner und 200 000 Seiten Dokumentationsmaterial liest, und weil man sich fragt, wozu in den letzten anderthalb Jahren gut 2 000 Protokollseiten entstanden sind, wenn die ganze Arbeit in einer Aktuelle Debatte im Zehnminutenrhythmus abgefrühstückt wird.
(Beifall bei der CDU - Herr Gallert, DIE LIN- KE: Keine Angst, Herr Leimbach, das wer- den wir nicht abfrühstücken!)
Hinzu kommt, dass der Untersuchungsausschuss noch nicht einmal mit den Zeugenvernehmungen fertig ist. Wie widersprüchlich ist das denn? Im Zweifel diskutiert man heute über Ergebnisse, die sich am Ende als vollkommen unzutreffend darstellen, und macht sich auch noch mit Empörungsrhetorik in der Bevölkerung unglaubwürdig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im schlimmsten Fall - Herr Dr. Thiel hat es ja eingeräumt - kann diese Aktuelle Debatte sogar die Ergebnisse des Ausschusses verfälschen, weil nachfolgende Zeugen durch Details dieser Debatte beeinflusst werden. Was Sie als Begründung für diese Aktuelle Debatte hier präsentiert haben, erscheint mir eher schwach, kraftlos.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Idee der Risikofinanzierung durch das Land entstand bereits Anfang der 90er-Jahre. Scheinbar gibt es tatsächlich Anhaltspunkte dafür, dass es Lücken in der Konstruktion dieser Idee gibt, so wie es auch Kollege Rüdiger Erben angedeutet hat.
Anhaltspunkte gibt es sowohl in der Entstehung und in der Architektur der IBG als auch und insbesondere in der Person und der Handlungsfreiheit des Geschäftsführers, vielleicht auch in der - jedenfalls aus der Erfahrung des Ausschusses - schwer zu beschreibenden Einstellung der Administration in den Ministerien, sicher auch in der Rolle der beteiligten Wirtschaftsprüfer und in der Frage, wie die Organe der Gesellschaft unterstützt wurden.
Es gibt einzelne skandalisierbare Vorgänge, die die Gesamtbilanz, die Herr Minister Möllring - wie ich finde, zu Recht - vorgetragen hat, eintrüben, einzelne Vorgänge, nicht pars pro toto, einzelne
Engagements, die sowohl eine zu oberflächlich vorbereitete Beteiligung als auch eine durch den Geschäftsführer induzierte Missbrauchsverwendung der Beteiligungsmittel anzeigen, unzu
reichende Durchsetzung von Mindestbedingungen für Beteiligungen im Einzelfall - zum Beispiel die Frage: Habt ihr tatsächlich schon eine Betriebsstätte in Sachsen-Anhalt eröffnet, bevor ihr das Geld von uns bekommt? -, wiederholte und insoweit auch mehrfache Risikoallokationen. Ich muss ja in diesem Zusammenhang wohl nur den Bereich Life Science und die Schlossgruppe nennen.
Übrigens war der Ministerpräsident derjenige, der frühzeitig die Reißleine gezogen hat. Deswegen habe ich mich über Ihre seltsam politisch anmutende Verantwortungszuweisung so sehr gewundert.
Es gibt ohne Frage auch ein noch zu bewertendes Rückforderungsrisiko der EU, weil Vor-OrtKontrollen nicht durchgeführt wurden. Aber das war noch nie Gegenstand des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in all seinen 19 Sitzungen.
Natürlich gibt es das, was Staatssekretärin Zieschang beschrieben hat, die erfolgreiche Rettung von Arbeitsplätzen mit den möglicherweise falschen Mitteln.
Ob überhaupt von einem kollektiven Versagen gesprochen werden kann, kann doch jetzt noch gar nicht festgestellt werden.
Fakt ist doch, dass die Ursachen für die jetzige Situation nicht in den letzten Jahren, sondern schon viel früher hätten gesucht werden müssen. Jedenfalls ist mehr zu erkennen als nur ein Betriebsunfall, vielleicht sogar systemische Mängel.
Die unleugbaren, teilweise sogar beeindruckenden Erfolge des Instruments der Risikofinanzierung werden im Moment so stark von Emotionen überlagert, dass eine nüchterne und sachliche Korrektur, die geboten ist, offensichtlich von den Oppositionsfraktionen gar nicht gewollt ist, sondern eher banale Effekthascherei.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Landesrechnungshofes kann für die Mitglieder des Untersuchungsausschusses aus meiner Perspektive kein tragendes Argument sein, die Erkenntnissuche aufzugeben.
Es ist jetzt nicht genug Zeit, um auf Details einzugehen, dennoch möchte ich auf einige Unzulänglichkeiten aufmerksam machen. Es wurde versäumt, wie es bei anderen landeseigenen Beteiligungsgesellschaften üblich ist, wie zum Beispiel
Das Vieraugenprinzip, das uns nicht sicher bewahrt hätte, das aber geholfen hätte, das unabhängige Schalten und Walten des Geschäftsführers einzugrenzen, hat nicht funktioniert.
Bis heute ist übrigens auch nicht klar, wie der Mann, der von allen Beteiligten nur als freundlich, smart, dynamisch auftretend beschrieben wurde, überhaupt aus Berlin, wo er mit seiner eigenen Beteiligungsverwaltung in Konkurs gegangen war, im Jahr 1998 nach Sachsen-Anhalt kam und Millionenbeträge verwalten durfte.
Dieser Dr. Dinnies Johannes von der Osten schaffte es in all den Jahren, perfide und heimlich sein eigenes Vermögen und das seiner engsten Freunde und Geschäftspartner zu mehren. Das begann alles damit, dass er 1999 dieses Q-Cells-Engagement mitbrachte. Alles, was danach kam, spielte ihm dann zusätzlich in die Hände.
Q-Cells, ein Unternehmen, das aus dem, ich zitiere einmal, Wuseltronik-Kollektiv und der SOLON AG hervorging, also aus den eher linksgrünen Berliner Unternehmen, entwickelte sich in den Folgejahren zu einem der erfolgreichsten Projekte der IBG.
Aber gerade dieser Erfolg blendete viele, so glaube ich. Er führte dazu, potenzielle Kritiker und Kontrolleure dieses angeblich erfolgreichen Geschäftsführers, der offensichtlich das richtige Näschen für erfolgreiche Projekte hatte, zu blenden und zu irritieren. Von der Osten war somit politisch einer der unumstrittensten Geschäftsführer und eine über lange Jahre über jeden Zweifel erhabene Person im Land. Wahrscheinlich würde er heute noch die IBG-Beteiligungen verwalten, wenn nicht das „Handelsblatt“ im Sommer 2013 dessen heimliche Beteiligung an Q-Cells aufgedeckt hätte.
Retrospektiv ist es meiner Meinung nach auch ein Fehler, die Aufsichts- und Entscheidungsorgane in zwei Ministerien und mehreren Aufsichtsgremien zu verankern.
Vielfache, aber auch immer nur selektive Prüfungen durch die unterschiedlichsten Prüfungsinstanzen haben einen trügerischen Eindruck bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte in der IBG vermittelt. Normalerweise könnte man ja behaupten, viel Kontrolle hilft viel. Ich glaube aber, viele Köche haben hierbei den Brei verdorben.
Wenn man bedenkt, dass selbst der Untersuchungsausschuss nach dem bisherigen Stand nicht abschließend belegen kann, an welcher Stel
le die Kontrollsysteme der IBG versagt haben, so muss man am Ende wohl eher von einem Systemmangel sprechen, der die IBG in ihrer Gesamtheit betrifft.
Letztlich wurden aber genau diese Fehler - Herr Erben sagte es richtig: diese Lücken - von den Profiteuren dieses Systems egoistisch ausgenutzt. Rücksichtslosigkeit wird jedes System ausnutzen können, egal ob gut aufgestellt oder nicht.
Hier und heute bleibt politisch klarzustellen, dass niemand weiß, ob es seitens der EU wirklich Rückforderungen in Millionenhöhe geben wird. Nur die Hellseher der Opposition wollen uns glauben machen, sie könnten die Zukunft voraussagen, und machen aus einem Risiko einen schon feststehenden Schaden, Herr Meister.
Das, was vom Landesrechnungshof möglicherweise subjektiv als kollektives Versagen bezeichnet wird, ist vielmehr ein Zusammenwirken von Systemmängeln in der IBG.