Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung und die Berichterstattung vieler Länder und Kommunen und auch des Landes Sachsen-Anhalt tragen seit vielen Jahren dazu bei, die soziale Lage in Deutschland zu analysieren und durch zielgenaue Maßnahmen Wege aus der Armut und sozialen Ausgrenzung aufzuzeigen.
An dieser Stelle hat auch das Land Sachsen-Anhalt mit seinen beiden bisherigen Berichten einen wesentlichen Beitrag geleistet und so zum Beispiel im zweiten Bericht insbesondere das Thema Kinderarmut in den Mittelpunkt der öffentlichen Betrachtung gestellt.
Diese Tradition, einmal in der Wahlperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorzulegen, wollen wir mit dem vorliegenden Antrag fortsetzen. In diesem Bericht soll eine etwas andere Schwerpunktsetzung vorgenommen werden, wie meine Vorredner bereits ausgeführt haben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Einbringungsrede von Frau Grimm-Benne und nach dem Redebeitrag von Minister Herrn Norbert Bischoff ist zu diesem Antrag eigentlich alles gesagt, was zu sagen ist.
Ich will dies auch mit Blick auf die fortgeschrittene Uhrzeit nicht noch einmal wiederholen. Es ist aus meiner Sicht aber wichtig, neben den Themenschwerpunkten, die Minister Herr Bischoff genannt hat, auch das Thema Altersarmut in den Fokus zu rücken.
Das Thema Altersarmut spielt in Sachsen-Anhalt derzeit erfreulicherweise noch eine untergeordnete Rolle. Gleichwohl wissen wir alle, dass künftig erhebliche Probleme auf uns zukommen werden. Sie werden auf uns zukommen, wenn es uns nicht gelingt, rechtzeitig die richtigen Weichen zu deren Vermeidung zu stellen.
Wir halten es für wichtig, neben den derzeit auf der Bundesebene laufenden Diskussionsprozessen auch auf der Landesebene zu schauen, was getan werden kann, um eine Entwicklung in Richtung Altersarmut zu vermeiden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der Sicht meiner Fraktion ist es selbstverständlich und gehört es zum guten parlamentarischen Ton, dass insbesondere solche Berichte, die sich mit der sozialen Lage im Land befassen, in den parlamentarischen Gremien intensiv beraten werden und dass darüber diskutiert wird.
Um diese Diskussion möglichst unabhängig von Wahlkampfgetöse - ein furchtbares Wort und auch eine furchtbare Sache - führen zu können, bietet es sich an, diese für die Mitte der Wahlperiode vorzusehen, wie es im Antrag vorgeschlagen wird. Dieser Zeitpunkt ist insbesondere deswegen geeignet, weil er einen Rückblick erlaubt, welche der vorgeschlagenen Empfehlungen zur Armutsbekämpfung und -vermeidung gewirkt oder auch nicht gewirkt haben.
Der Bericht soll auch wieder einen Empfehlungsteil beinhalten. Dies bietet die Möglichkeit, über die Frage zu diskutieren, welches die geeigneten Wege und Konzepte sind, um die Armut in unserem Bundesland zu vermeiden oder am wirkungsvollsten zu bekämpfen, wenn sie nicht vermieden werden konnte.
Im Anschluss daran verbleibt noch ausreichend Zeit für die Umsetzung der Empfehlungen und später für deren Bewertung.
Auch ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in altbewährter Art und Weise bei der Erstellung dieses Berichts aktiv mitarbeiteten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Zustimmung zum Antrag der Regierungsfraktionen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
„Wir Abgeordnete müssen die Frage beantworten, was wir mit solchen Berichten anfangen und welche Informationen wir für unsere Arbeit brauchen. Diesen Fragen sollten wir uns im Ausschuss stellen, bevor wir die neue Berichterstattung in Gang setzen.“
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Armut wird Gott sei dank nicht mehr nur als Mangel an Geld, sondern auch als Mangel an Teilhabe- und Verwirklichungschancen begriffen. Um wirksam gegensteuern zu können, bedarf es einer festen und belastbaren Datengrundlage.
Deswegen unterstützen wir ausdrücklich die Verstetigung der Armuts- und Reichtumsberichterstattung und plädieren dafür, sich mit dem Bund und mit anderen Bundesländern konsequenter abzustimmen; denn nur wenn die Datengrundlage einheitlich ist, sind auch die Ergebnisse vergleichbar. Gerade im Sozialbereich gibt es unheimlich viele Verquickungen zwischen Bund und Ländern, denen Rechnung zu tragen ist.
Es stehen zahlreiche Statistiken zur Verfügung. Wir sprechen uns dafür aus, die europäische Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen in Europa heranzuziehen; denn auch in Europa wird die Sozialgesetzgebung künftig vereinheitlich werden. Man sollte sich frühzeitig auf eine einheitliche Datengrundlage einstellen.
Klare, nachvollziehbare und aktuelle Daten sind Voraussetzung für eine sachorientierte Politik und sie sind insbesondere eine wichtige Grundlage für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit.
Auch in Europa werden die Ressourcen geringer und die Verteilungskämpfe härter. Das haben wir gerade in den vergangenen Wochen gemerkt. Auch wir in Sachsen-Anhalt können uns bald nicht mehr vor der Frage drücken, was der Staat noch leisten kann, in welcher Welt wir leben wollen, wie viele Ressourcen und am Ende wie viel Geld wir dafür zur Verfügung stellen wollen.
Die grüne Antwort auf diese Frage ist sehr eindeutig: Wir wollen eine Welt mit Teilhabechancen für alle. Deswegen darf die Berichterstattung nicht nur auf den Bereich Armut beschränkt sein, wie es in den beiden ersten Berichten der Fall gewesen ist.
Wir freuen uns, dass der entsprechende Antrag unserer Fraktion übernommen werden soll. An erster Stelle geht es selbstverständlich erst einmal um eine Datengrundlage. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Einkommensmillionäre, große Firmen und Vermögende. Belastbare Daten auch in diesem Bereich zu haben, könnte die aus unserer Sicht notwendige Diskussion über Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Börsenumsatzsteuer, Abgeltungssteuer und dergleichen zumindest versachlichen.
Ich wehre mich dagegen, eine so genannte Neiddebatte zu führen, in der es nur darum geht, dem einen einen Euro wegzunehmen, um dem anderen einen halben Euro zu geben.
Wenn wir uns angucken, was gerade in den vergangenen zwei Jahren gelaufen ist, was auf der einen Seite an Sozialleistungen und auf der anderen Seite beispielsweise im Rahmen des Rettungspakets für die Banken ausgereicht wurde,
wodurch die Folgen von Fehlleistungen Einzelner vergesellschaftet wurden, dann sehen wir, dass die Entwicklung sehr eindeutig in eine Richtung geht.
Wir unterstützen es eindeutig, den Schwerpunkt der Berichterstattung weiterhin auf die Kinderarmut zu legen, um Entwicklungslinien feststellen zu können. In diesem Zusammenhang ist es uns wichtig, die Teilhabe auf allen Feldern in den Blick zu nehmen.
Wenn es zum Beispiel um den Bereich Bildung geht, dann darf es nicht nur um die formelle Bildung in der Kita oder in der Schule gehen. Vielmehr muss es auch um die außerschulische Bildung im Freizeitbereich gehen. In diesem Bereich lernen Kinder Sozialverhalten, demokratische Aushandlungsprozesse und offenes Lernen ohne Leistungsdruck. Das können sie in der Schule, so wie die Schule heute ausgestaltet ist, weit weniger gut lernen.
Wir dürfen auch den Kindern aus armen Verhältnissen dieses soziale Kapital nicht vorenthalten. Selbstverständlich müssen auch die neuen Gesetzlichkeiten und das Bildungs- und Teilhabepaket einbezogen werden. Ich bin mir sicher, dass 10 € für Teilhabe im Monat nicht ausreichen werden, um gleiche Chancen für alle Kinder in diesem Land herzustellen.
Auch wenn ich eine so genannte durchorganisierte Terminkindheit, wie man es in der Fachliteratur nennt, nicht befürworte, so ist es doch nicht hinnehmbar, dass auch das Freizeitverhalten schichtabhängig ist; denn dadurch wird Armut reproduziert.
Ich kann Ihnen erzählen, dass es in diesem Land Kinder gibt, die als Berufswunsch Hartz-IV-Empfänger angeben. Das ist Beweis genug, glaube ich, dass wir an dieser Stelle handeln müssen.
(Herr Kolze, CDU: Das ist der Beweis dafür, dass es ihnen zu gut geht! - Herr Borgwardt, CDU: Dann müssen Sie einmal die Eltern fragen, warum das so ist! Die große Hän- gematte!)
All das sind Bereiche, über die wir uns gern unterhalten können. Es hängt an den Eltern, aber es hängt auch an vielen anderen Rahmenbedingungen.
Wenn wir bei dem Thema Reproduktion von Armut sind, kann ich nur das Vorhaben unterstützen, sich den Bereich der Altersarmut dezidierter anzuschauen. Wir kommen jetzt in die Zeit, in der die Generation der Langzeitarbeitslosen und die Generation der Geringverdiener in Rente gehen. Dass davon auch andere Systeme der sozialen Sicherung betroffen sind, wie die Kollegin GrimmBenne erwähnt hat, ist selbstverständlich. Aber ich glaube, dazu liegen uns in der Tat noch nicht genug belastbare Zahlen vor, um dem wirksam entgegensteuern zu können.
Das Vorhaben, den Bericht in der Mitte der Legislaturperiode vorzulegen, begrüßen wir. Denn dann hat auch der Landtag in dieser Zusammensetzung noch die Möglichkeit, sich vielleicht einmal mit Konzepten und nicht nur mit Zahlen, Daten und Fakten zu beschäftigen. Insofern unterstützen wir den Antrag. - Vielen Dank.