Protocol of the Session on September 9, 2011

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir knüpfen mit diesem Antrag an den Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht an und wollen wissen, welche Maßnahmen daraus resultieren und welche mittel- und langfristigen Strategien sich zur Armutsbekämpfung auf der Landesebene gezeigt haben.

Ich möchte an dieser Stelle sagen: Dieser Bericht hatte schon Auswirkungen im politischen Geschehen. Allein die Sozialziele der Liga der Freien Wohlfahrtspflege haben im Wesentlichen auf den Resultaten aufgebaut, die auch die Liga im Armuts- und Reichtumsbericht erarbeitet hat.

Sehr wichtig war auch - insbesondere hinsichtlich der Arbeitsmarktprogramme -, dass der Fokus auf Alleinerziehende und auf Familien mit Kindern gelenkt worden ist. Wir haben gesehen, dass insbesondere die Kinderarmut ein Thema von Familienarmut ist. Es ist wichtig, insbesondere Alleinerziehende wieder in Arbeit zu bekommen. Das, was wir in der Koalitionsvereinbarung verankert haben, war auch ein Ausfluss des Armuts- und Reichtumsberichtes, nämlich die Rückkehr und Teilhabe aller Kinder an Bildung und Betreuung in einer Kindertagesstätte.

Wir wollen mit dem Bericht aber auch - das war das, was Frau Dirlich gestern angesprochen hat - die Auswirkungen, die sich mit der Novellierung der Grundsicherung in SGB II und SGB XII ergeben, untersuchen lassen. Hierbei geht es um das Bildungs- und Teilhabepaket und seine Auswirkungen.

Es gibt aber noch einen weiteren Schwerpunkt. Das lesen Sie in der Begründung. Wir erstatten mittlerweile seit 15 Jahren Armuts- und Reichtumsberichte. Deswegen gehört zu einem Bericht auch die Frage, wie sich Armut über die Generationen hinweg auswirkt, inwieweit Armut weiter vererbt bzw. übertragen wird. Auch das soll noch einmal untersucht werden.

Ich möchte den Fokus zudem - wir haben das Thema vor ein paar Jahren schon einmal untersucht - auf die Altersarmut richten. Altersarmut wird bundesweit nur im Zusammenhang mit der Rente diskutiert. Was ist aber mit dem Bereich der TeilhabeArmut von alten Menschen? Wie wirkt sich das auf den Bereich der Pflege aus? Wie wirkt sich das auf das Wohnen aus? Wie wirkt sich das auf die Mobilität bzw. die gesundheitliche Versorgung aus?

All diese Punkte wollen wir untersuchen. Wir hoffen, dass auch dieses Mal wieder die Liga der Freien Wohlfahrtspflege an unserer Seite ist und sie ihre Erfahrungen und Erkenntnisse in diesen Bericht einfließen lassen.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Bevor wir in die Fünfminutendebatte eintreten, hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Ich gebe Herrn Minister Bischoff das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nur ein paar kleine Anmerkungen. Es ist tatsächlich so, dass der Reichtum in zwei Berichten beziffert worden ist. Wir haben in den späteren Diskussionen dazu - diejenigen, die dabei gewesen sind, werden sich erinnern - festgestellt, dass es nicht wichtig ist, wenn man weiß, wie viele Reiche oder Millionäre es im Land Sachsen-Anhalt gibt. Die Auswirkungen auf diese Personengruppe kann man sich ausmalen. Diese Untersuchungen nützen uns also nichts. Es ist nicht schlecht, es zu wissen, um zu sehen, wie weit die Schere auseinander geht, aber wir haben uns damit nicht weiter beschäftigt, sondern der Fokus sollte schon auf dem Bereich der Armut liegen.

Nach statistischen Vergleichen, bei denen ca. 60 % der mittleren Einkommen zugrunde gelegt wurden,

liegt das Land Sachsen-Anhalt zwar noch vor Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, aber doch ziemlich weit hinten. Man kann es mit einfachen Worten sagen: Wenn man etwas gegen Armut tun möchte, dann - das ist völlig klar - müssen Arbeitsplätze geschaffen werden

(Zustimmung bei der CDU)

und die Arbeit muss gut bezahlt werden.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das ist das beste Mittel gegen Armut, und in solchen Familien können dann auch Kinder groß werden.

Der zweite Punkt ist schwieriger zu bemessen. Es geht um die Teilhabe und die Chancengerechtigkeit. Es geht um die Teilhabe daran, was die Gesellschaft bietet. Von daher ist es wichtig, sich auch damit zu beschäftigen.

In dieser Hinsicht ist das Wichtigste die Bildung. Wer von klein auf gut gebildet ist, hat die größeren Chancen, in einer Gesellschaft teilzunehmen, auch an den Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zu bekommen, der auch gut bezahlt wird.

Von daher müssen wir den Fokus darauf legen: Was machen wir als Land? Was können wir zusätzlich tun? Wie ist die Abhängigkeit davon, wie das Elternhaus gestaltet ist? Es geht auch um den Bildungsstand des Elternhauses, abgesehen davon, dass dort - in Anführungsstrichen - Armut vererbt wird.

Den letzten Punkt finde ich sehr interessant. Dazu hat Frau Grimm-Benne schon etwas gesagt. Die Rentnergeneration im Osten liegt, was die Armutsgefährdung anbetrifft, unter dem Durchschnitt in der Bundesrepublik. Sachsen-Anhalt liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Das liegt daran, dass die meisten Rentner in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt zurzeit besser gestellt sind als die Rentner in den westlichen Teilen Deutschlands. Das wird sich aber in den nächsten Jahren schnell ändern. Vor 20 Jahren waren diese Personen 40 bis 45 Jahre alt, und nun kommen auch all diejenigen in die Rente, die aufgrund von ABM und Qualifizierungsmaßnahmen unterbrochene Erwerbsbiografien haben. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist das größere Problem dabei.

Deshalb hat Frau von der Leyen heute die Frage gestellt, ob man denjenigen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben, nicht die Rente aufstocken sollte, wenn sie einen Niedriglohn hatten. Dazu sage ich: Das ist nur eine Sicht der Dinge. Wir haben in Sachsen-Anhalt das Problem der Langzeitarbeitslosen. Die Generation, die jetzt in Rente geht, ist davon betroffen, weil sie die 45 Arbeitsjahre nicht erreicht. Bei manchen sind es noch nicht einmal 35 Arbeitsjahre. Das heißt, wir müssen uns dies

bezüglich etwas anderes einfallen lassen. Aber diese Personen gehören dazu.

Ich gebe unumwunden zu, dass ich keine Idee habe, wie man das gerechter gestalten könnte, aber dieser Personenkreis gehört dazu. Vielleicht kann man zwischen den Generationen in einer älter werdenden Gesellschaft - dahin ist Sachsen-Anhalt zumindest auf dem Weg - Modelle entwickeln, wie man im Alter gut und solidarisch zusammenleben könnte.

Vielleicht müssen aber auch die 80 %, die eine relativ gute Rente erhalten, die anderen 20 %, die sozusagen nur die Grundsicherung im Alter erhalten, ein Stück mitnehmen, was die Angebote und die Teilhabe anbetrifft. Ich denke, dabei geht es eher um die Teilhabegerechtigkeit, damit die Menschen im Alter nicht außen vor bleiben.

Wir erstatten diesen Bericht gern und legen ihn Mitte der Wahlperiode vor. Vielleicht gibt es auch noch Anregungen, was noch hineingehören müsste. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt die Kollegin Frau Dirlich.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zweite Armuts- und Reichtumsbericht endet mit den Worten:

„Für künftige Berichterstattungen über Armut und Reichtum in Sachsen-Anhalt bietet es sich daher an, nach dem Vorliegen der Daten die Modulthemen schwerpunktmäßig in den Berichten zu thematisieren und für Sachsen-Anhalt aufzubereiten.“

Daraus ergibt sich erstens der Auftrag, weitere Berichte anzufertigen, und zweitens der Schwerpunkt des nächsten Berichts. Nach dem Schwerpunktthema Kinderarmut, dem sich der zweite Bericht widmet, wäre das Schwerpunktthema des nächsten Berichts die intergenerationale Übertragung von Armut.

Man kann dazu einen weiteren Beschluss des Landtags einfordern, man muss es aber nicht. Sei’s drum. Wenn wir die Frage des Ob und Wie aber noch einmal im Landtag stellen, dann sollten wir uns auch die Mühe machen, genauer hinzuschauen und festzustellen, was wir eigentlich wollen.

Ich befürchte, dass wir abgesehen von etwas neueren Zahlen, die wir natürlich bekommen werden, nicht allzu viele neue Erkenntnisse gewinnen werden. Genau diese und nicht aktuellere Zahlen wären aber Anlass für eine erneute Berichterstattung.

In dem zweiten Bericht wurden die Fakten wiederholt, die inzwischen Allgemeingut sind, die allgemein bekannt sind: Alleinerziehende sind besonders von Armut betroffen. Intakte Paarbeziehungen und Erwerbstätigkeit wirken der Armut entgegen. Armut ist nicht nur Einkommensarmut, sondern auch Teilhabe- und Chancenarmut usw. - Das sind Dinge, die wir jetzt schon wissen und die uns sicherlich auch der nächste Bericht sagen wird.

Wie in anderen Berichten werden die Probleme durchaus zutreffend thematisiert. Aus unserer Sicht finden sich aber zu wenig neue Optionen und Vorhaben und wird zu viel auf bereits Bestehendes und Bekanntes verwiesen. Ich gebe den Hinweis, dass man sich einmal den Entwurf des sozialpolitischen Gesamtkonzepts anschauen möge.

Das eine oder andere Probleme wurde inzwischen angegangen oder sogar gelöst - wenn auch nicht immer zur Zufriedenheit der Betroffenen. Man muss aber sicherlich darüber diskutieren, ob dies durch den Bericht initiiert wurde. Die Neuregelung der Regelsätze oder die Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets gehen möglicherweise nicht unmittelbar auf den Armuts- und Reichtumsbericht in Sachsen-Anhalt zurück.

Immerhin beschäftigen wir uns in Sachsen-Anhalt jetzt mit dem Ganztagsanspruch für alle Kinder in Kindertagesstätten.

Die Aufgabe des Ministeriums ist vor allem die konzeptionelle Arbeit. Diese wird durch die Erstellung von Berichten nicht wirklich befördert. In dem Bericht findet sich jedenfalls nicht genug davon wieder.

Wir Abgeordnete müssen die Frage beantworten, was wir mit solchen Berichten anfangen und welche Informationen wir für unsere Arbeit brauchen. Ich glaube, wir sollten uns diesen Fragen im Ausschuss stellen, bevor wir die neue Berichterstattung in Gang setzen.

Wichtig ist noch der Hinweis von den GRÜNEN - danke vielmals; auch wir hätten ihn gemacht. Wenn ich es richtig sehe, dann entspricht der zweite Bericht nicht seinem Titel, weil er sich fast ausschließlich mit den Erscheinungen der Armut befasst. Es wird angekündigt, dass dies in anderen Berichten anders werden solle.

Getreu dem bekannten Brecht-Zitat „Wäre ich nicht arm, wärst du nicht reich“, sollte der Entwicklung von Reichtum in Sachsen-Anhalt größere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Wir schlagen vor, die Anträge an den Ausschuss zu überweisen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dirlich. - Der Kollege Herr Rotter spricht jetzt für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Dirlich, ich habe Ihrem Redebeitrag zugehört und kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie wahrscheinlich nicht so gesprochen hätten, wenn Sie diesen Antrag gestellt hätten. Dann wäre Ihr Redebeitrag wahrscheinlich etwas anders ausgefallen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Der Antrag hätte an- ders ausgesehen! - Herr Czeke, DIE LINKE: Was wollen Sie damit sagen?)

- Das kann ich Ihnen sagen, was ich damit sagen will: Ich begreife es nicht, warum Sie die Notwendigkeit dieses Berichts mehr oder weniger infrage stellen - zumindest habe ich Ihren Redebeitrag so verstanden.

(Frau Zoschke, DIE LINKE: Falsch verstan- den!)

Diese Frage stellt sich für mich nicht. Unsere Fraktion und ich halten diesen Bericht für durchaus nötig.

(Zustimmung bei der CDU)